SoZ - Sozialistische Zeitung |
Über die männlichen Akteure der Bremer
Räterepublik ist viel geforscht und geschrieben worden, über die weiblichen fast gar
nicht.
Die Bremer Räterepublik
wurde aber auch von Frauen vorbereitet und getragen. Sie haben demonstriert, agitiert und
waren Kuriere für geheime Flugschriften. Frauen sollen sogar Waffen gefordert haben, um
die Räterepublik zu verteidigen. Stellvertretend für die Unterstützerinnen der
revolutionären Richtung seien Charlotte Kornfeld, Elise Kesselbeck, Käte Ahrens,
Gesine Becker und Marie Griesbach genannt.
Marie Griesbach, die wegen
ihrer roten Haare die Rote Marie genannt wurde, war noch 1918 wegen Hoch- und Landesverrat zu
einer vierjährigen Zuchthausstrafe verurteilt worden (sie hatte Antikriegsmaterial
verteilt). Auf die Frage des Richters, ob sie sich denn nicht als Deutsche fühle,
antwortete sie: „Ich fühle mich als Mensch.” Ihre Strafe fiel höher aus
als die ihrer Mitangeklagten. Auf politischen Versammlungen waren ihre Hauptforderungen:
„Verkauft eure Arbeitskraft so teuer wie möglich! Fordert Einsicht in die Gewinne
und ihre Verteilung!” Sie war eine glänzende Rednerin und von der Reaktion
gefürchtet.
Der Krieg hatte auch innerhalb
Deutschlands verheerende Auswirkungen — Hunger, Kälte und Krankheit durch
Mangelernährung. Der tägliche Überlebenskampf war der Kampf der Proletarierin.
Im „Steckrübenwinter” zur Jahreswende 1916/17 mit bis zu —22 Grad
Celsius, der auch als „Hungerwinter” bezeichnet wird, kam es zu
Hungerdemonstrationen, die hauptsächlich von Frauen getragen wurden. Anna Pöhland
schrieb ihrem Mann, der im Krieg war, von einer solchen Demonstration anlässlich einer
Knochen- und Schälrippenvergabe, angeordnet durch die Militärbehörde: „Da
der Andrang in der Osterstraße nicht mehr zu bewältigen war (die Frauen standen in
6er Reihen mehrere Straßenzüge lang), wurde nun auf dem Schlachthof der Verkauf
eingerichtet ... doch als ich bereits eine Stunde dort gestanden hatte, hieß es, dass die
Karten, die man erst lösen musste, verausgabt waren. Na, da waren wir mit einigen
Genossinnen bereit zu demonstrieren. Wir gingen zu den Frauen und sagten, dass wir zur
Lebensmittelkommission gehen wollten. Es dauerte eine viertel Stunde, da hatten wir einige
hundert Frauen, die dahin zogen..."
Knochen und Rippen wurden
vergeben, aber wer bekam das Fleisch?
Zu Anfang Hungerrevolten,
bekamen die Demonstrationen bald auch politischen Charakter. Bereits 1916, nach der Festnahme
von Karl Liebknecht wegen seiner Antikriegsrede am 1.Mai, kam es in Bremen zu Demonstrationen,
darunter waren viele männliche und weibliche Jugendliche und Frauen. „Tausende von
Arbeiterfrauen, deren Männer vielfach den Rock des Kaisers trugen, drangen in Kolonnen in
die Innerstadt ein. Die berittene Polizei antwortete mit Säbelattacken...”,
beschrieb Charlotte Kornfeld die Auseinandersetzungen. Sie war Redakteurin der Arbeiterpolitik
und arbeitete und lebte mit Johann Knief zusammen.
In der Stadt Bremen, die
damals halb so viel Einwohner hatte als heute, gab es etwa 12000 Arbeiterinnen, 3400 davon
waren gewerkschaftlich organisiert. Die Organisierung der Dienstboten war ein Hauptanliegen
von Elise Kesselbeck. Elise Kesselbeck kam 1892 nach Bremen, um als Dienstmädchen eine
Stellung anzutreten und engagierte sich in der Dienstbotenbewegung, die um die
Jahrhundertwende entstand und die Abschaffung der reaktionären Gesindeordnung anstrebte.
Sie war in der SPD aktiv und organisierte sich gegen Ende des Ersten Weltkriegs bei den
„Bremer Linken”, die sich im November 1918 als Internationale Kommunisten
Deutschlands (IKD) konstituierten. Auf der vom Arbeiter- und Soldatenrat am 10.11.1918
einberufenen Frauenversammlung, bei der es um das Frauenwahlrecht für die
Bürgerschaft ging, wurde Elise Kesselbeck zusammen mit Anna Stiegler ins Büro
gewählt. 2000 Menschen, hauptsächlich Frauen, waren gekommen.
Käte Ahrens,
Herausgeberin der Zeitung Der Kommunist, begründete auf dieser Versammlung die
Notwendigkeit des Frauenwahlrechts: „Der revolutionäre Umwälzungsprozess ist
nicht von selbst gekommen, wir Linksradikalen und die Unabhängigen haben auf
ungesetzlichem Wege durch Flugblätter usw. tüchtig vorgearbeitet. Wir wollen jetzt
nicht mehr fordern, wir wollen dekretieren, die Gesellschaft kann keinen Tag ohne Frauenarbeit
existieren!” Frauen, als Schwangere getarnt, versteckten im Krieg Flugblätter unter
ihrer Kleidung.
Die 20-jährige Gesine
Becker, verheiratet, ein Kind, war eine der wenigen Frauen im Arbeiter- und Soldatenrat. Dort
forderte sie energisch die Gleichstellung der Frauen bei den Arbeitseinkommen und der
Erwerbslosenfürsorge und die Erhöhung der Versorgungssätze der
„Kriegerfrauen” Sie kämpfte aktiv gegen den §218, der für sie die
Ausnahmebestimmung gegen das weibliche Geschlecht war.
Die Bremer Räterepublik
wurde durch den Angriffsbefehl der Mehrheitssozialisten Ebert und Noske an die Division
Gerstenberg blutig niedergeschlagen. Elise Kesselbeck hatte die Aufgabe, im Gewerkschaftshaus
die Trauerfeier für die Opfer des 4.Februar zu gestalten. Sie umrahmte die Gedenkstunde
mit Gedichten von Heinrich Heine und Ada Negri und rief die Überlebenden zum
Befreiungskampf für das Proletariat auf.
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten
und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo
Sozialistische Hefte für Theorie und Praxis Sonderausgabe der SoZ 42 Seiten, 5 Euro, |
||||
Der Stand der Dinge Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität |