SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2009, Seite 21

Frauen

in der Bremer Räterepublik

von Heike Hey

Über die männlichen Akteure der Bremer Räterepublik ist viel geforscht und geschrieben worden, über die weiblichen fast gar nicht.
Die Bremer Räterepublik wurde aber auch von Frauen vorbereitet und getragen. Sie haben demonstriert, agitiert und waren Kuriere für geheime Flugschriften. Frauen sollen sogar Waffen gefordert haben, um die Räterepublik zu verteidigen. Stellvertretend für die Unterstützerinnen der revolutionären Richtung seien Charlotte Kornfeld, Elise Kesselbeck, Käte Ahrens, Gesine Becker und Marie Griesbach genannt.
Marie Griesbach, die wegen ihrer roten Haare die Rote Marie genannt wurde, war noch 1918 wegen Hoch- und Landesverrat zu einer vierjährigen Zuchthausstrafe verurteilt worden (sie hatte Antikriegsmaterial verteilt). Auf die Frage des Richters, ob sie sich denn nicht als Deutsche fühle, antwortete sie: „Ich fühle mich als Mensch.” Ihre Strafe fiel höher aus als die ihrer Mitangeklagten. Auf politischen Versammlungen waren ihre Hauptforderungen: „Verkauft eure Arbeitskraft so teuer wie möglich! Fordert Einsicht in die Gewinne und ihre Verteilung!” Sie war eine glänzende Rednerin und von der Reaktion gefürchtet.
Der Krieg hatte auch innerhalb Deutschlands verheerende Auswirkungen — Hunger, Kälte und Krankheit durch Mangelernährung. Der tägliche Überlebenskampf war der Kampf der Proletarierin. Im „Steckrübenwinter” zur Jahreswende 1916/17 mit bis zu —22 Grad Celsius, der auch als „Hungerwinter” bezeichnet wird, kam es zu Hungerdemonstrationen, die hauptsächlich von Frauen getragen wurden. Anna Pöhland schrieb ihrem Mann, der im Krieg war, von einer solchen Demonstration anlässlich einer Knochen- und Schälrippenvergabe, angeordnet durch die Militärbehörde: „Da der Andrang in der Osterstraße nicht mehr zu bewältigen war (die Frauen standen in 6er Reihen mehrere Straßenzüge lang), wurde nun auf dem Schlachthof der Verkauf eingerichtet ... doch als ich bereits eine Stunde dort gestanden hatte, hieß es, dass die Karten, die man erst lösen musste, verausgabt waren. Na, da waren wir mit einigen Genossinnen bereit zu demonstrieren. Wir gingen zu den Frauen und sagten, dass wir zur Lebensmittelkommission gehen wollten. Es dauerte eine viertel Stunde, da hatten wir einige hundert Frauen, die dahin zogen..."
Knochen und Rippen wurden vergeben, aber wer bekam das Fleisch?
Zu Anfang Hungerrevolten, bekamen die Demonstrationen bald auch politischen Charakter. Bereits 1916, nach der Festnahme von Karl Liebknecht wegen seiner Antikriegsrede am 1.Mai, kam es in Bremen zu Demonstrationen, darunter waren viele männliche und weibliche Jugendliche und Frauen. „Tausende von Arbeiterfrauen, deren Männer vielfach den Rock des Kaisers trugen, drangen in Kolonnen in die Innerstadt ein. Die berittene Polizei antwortete mit Säbelattacken...”, beschrieb Charlotte Kornfeld die Auseinandersetzungen. Sie war Redakteurin der Arbeiterpolitik und arbeitete und lebte mit Johann Knief zusammen.
In der Stadt Bremen, die damals halb so viel Einwohner hatte als heute, gab es etwa 12000 Arbeiterinnen, 3400 davon waren gewerkschaftlich organisiert. Die Organisierung der Dienstboten war ein Hauptanliegen von Elise Kesselbeck. Elise Kesselbeck kam 1892 nach Bremen, um als Dienstmädchen eine Stellung anzutreten und engagierte sich in der Dienstbotenbewegung, die um die Jahrhundertwende entstand und die Abschaffung der reaktionären Gesindeordnung anstrebte. Sie war in der SPD aktiv und organisierte sich gegen Ende des Ersten Weltkriegs bei den „Bremer Linken”, die sich im November 1918 als Internationale Kommunisten Deutschlands (IKD) konstituierten. Auf der vom Arbeiter- und Soldatenrat am 10.11.1918 einberufenen Frauenversammlung, bei der es um das Frauenwahlrecht für die Bürgerschaft ging, wurde Elise Kesselbeck zusammen mit Anna Stiegler ins Büro gewählt. 2000 Menschen, hauptsächlich Frauen, waren gekommen.
Käte Ahrens, Herausgeberin der Zeitung Der Kommunist, begründete auf dieser Versammlung die Notwendigkeit des Frauenwahlrechts: „Der revolutionäre Umwälzungsprozess ist nicht von selbst gekommen, wir Linksradikalen und die Unabhängigen haben auf ungesetzlichem Wege durch Flugblätter usw. tüchtig vorgearbeitet. Wir wollen jetzt nicht mehr fordern, wir wollen dekretieren, die Gesellschaft kann keinen Tag ohne Frauenarbeit existieren!” Frauen, als Schwangere getarnt, versteckten im Krieg Flugblätter unter ihrer Kleidung.
Die 20-jährige Gesine Becker, verheiratet, ein Kind, war eine der wenigen Frauen im Arbeiter- und Soldatenrat. Dort forderte sie energisch die Gleichstellung der Frauen bei den Arbeitseinkommen und der Erwerbslosenfürsorge und die Erhöhung der Versorgungssätze der „Kriegerfrauen” Sie kämpfte aktiv gegen den §218, der für sie die Ausnahmebestimmung gegen das weibliche Geschlecht war.
Die Bremer Räterepublik wurde durch den Angriffsbefehl der Mehrheitssozialisten Ebert und Noske an die Division Gerstenberg blutig niedergeschlagen. Elise Kesselbeck hatte die Aufgabe, im Gewerkschaftshaus die Trauerfeier für die Opfer des 4.Februar zu gestalten. Sie umrahmte die Gedenkstunde mit Gedichten von Heinrich Heine und Ada Negri und rief die Überlebenden zum Befreiungskampf für das Proletariat auf.


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