SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2009, Seite 03

G20

Keine Einigung über neue Wege

von Andy Kilmister

Für die Staats- und Regierungschefs ist das Wichtigste am G20-Gipfel, dass er stattgefunden hat. Eine gemeinsame Linie zur Bewältigung der Krise ist nicht in Sicht.
Das Hauptziel des G20-Gipfels war, eine Spaltung zwischen den Ländern mit einem Exportüberschuss, wie China, Japan und der BRD, und Ländern mit einem Handelsbilanzdefizit, wie die USA und Großbritannien, zu vermeiden. Vor dem Treffen hatten Merkel und Sarkozy eine Krisenanalyse vorgetragen, die die Verantwortung für die Krise auf den schuldenbasierten, spekulativen „angelsächsischen” Kapitalismus abschob; sie hatten sich skeptisch gegenüber britischen und US-amerikanischen Plänen geäußert, die Wirtschaft durch Steigerung der Nachfrage anzukurbeln. Sarkozy hatte in seinen Äußerungen sogar erkennen lassen, er wolle die einheimische Industrie privilegieren und evtl. protektionistische Maßnahmen unterstützen.
Ein zentrales Anliegen des Gipfels war deshalb, die Zunahme solcher Differenzen zu stoppen und Frankreich und Deutschland zu einer gemeinsamen Haltung zu bewegen. Das wurde weitgehend erreicht und ist, zusammen mit einigen ermutigenden Wirtschaftsdaten in den Tagen nach dem Gipfel, der Grund dafür, warum die Aktienkurse wieder angezogen haben.
Das wichtigste Ereignis in der Vorbereitungsphase des Gipfels war die Unterstützung des japanischen Premierministers für ein weiteres Konjunkturprogramm. Damit war die Einheitsfront der Überschussländer am Ende; im Anschluss daran folgte während des Gipfels die Übereinkunft zwischen den USA und China. Diese beiden Schritte ließe das deutsch-französische Paar isoliert zurück und zwang sie, der allgemeinen Erklärung zuzustimmen.
Die Kosten dieses Agreements sind jedoch hoch für alle, die mehr Geld in den globalen Wirtschaftskreislauf pumpen wollen. Es soll kein weiteres Konjunkturprogramm geben. Die Gesamthöhe der auf dem Gipfel in Aussicht gestellten neuen Ausgaben liegt näher bei 300 Mrd. Dollar als bei den 1,1 Billionen, von denen Gordon Brown spricht. Zwei Drittel davon bestehen in sog. Sonderziehungsrechten des IWF. Sie teilen sich auf nach den Stimmanteilen, die ein Mitglied im IWF hat; das bedeutet, dass 44% dieser Summe sich auf die G7 verteilen.
Viele Beschlüsse über die Finanzierung von Exporten stellen nichts anderes als eine Umverteilung von Mitteln aus anderen Haushaltsposten dar; und ein großer Teil der Extraausgaben für den IWF wurde entweder bereits im Vorfeld angekündigt oder ist vorübergehend und von Abmachungen abhängig, die in den nachfolgenden Monaten noch zu treffen sein werden.
Der Gipfel hat großen Nachdruck auf den Freihandel mit all seinen Ungleichheiten gelegt. Dabei ist selbst auf praktischer Ebene längst nicht klar, dass der Zusammenbruch des internationalen Handels dem Mangel an seiner Finanzierung geschuldet ist — das Problem ist eher die Verknappung der Nachfrage durch die Rezession. Es ist auch wahrscheinlich, dass der IWF seine gestiegene Bedeutung dazu nutzen wird, den Schuldnern dieselben Bedingungen aufzubürden wie in den letzten zwei Jahrzehnten. Ein Beispiel dafür ist Lettland. Der IWF hat weitere Kreditzahlungen an das Land unterbrochen, bis es nicht drastische Ausgabenkürzungen vornimmt; dabei wird die lettische Wirtschaft in diesem Jahr voraussichtlich um 12% sinken. Die neue Regierung hat die Minister gebeten, Vorschläge zu unterbreiten, wie 20, 30 oder auch 40% der geplanten Ausgaben bis Mitte April eingespart werden können — um den Forderungen des IWF nachzukommen.
Der Gipfel scheiterte völlig an der Aufgabe, substanzielle Schritte zur Bekämpfung des Klimawandels zu beschließen; ökologische Fragen wurden ans Ende verschoben und nur höchst vage behandelt. Es ist schnell klar geworden, wie gering der Prozentsatz der Ausgaben ist, die in Großbritannien und in den USA für grüne Initiativen ausgegeben werden.
Das größte Problem, das sich für das globale Kapital aus dem Gipfel ergibt, ist dass es keine Selbstverpflichtung der Überschussländer gegeben hat, ihre Binnennachfrage zu steigern, damit die Weltwirtschaft wieder ins Gleichgewicht kommt. Die bisher von Japan, China und Deutschland in Aussicht gestellten Ausgabenprogramme scheinen alles zu sein, was angeboten wird. Zusammen mit den Ausgaben der USA und Großbritanniens mag das ausreichen für einen schwachen Aufschwung Ende des Jahres; diese Perspektive ist es, die die Märkte wieder beflügelt hat. Aber sie reicht keinesfalls aus, die Krise dauerhaft zu lösen. Der Überhang von akkumuliertem, keinen Profit bringenden Kapital bleibt ebenso bestehen wie die Ungleichgewichte in den Ausgaben innerhalb und zwischen den Ländern. Angesichts dessen verschaffen die auf dem Gipfel beschlossenen Maßnahmen nur eine kurze Atempause vor dem nächsten Abschwung.

(Übersetzung: Angela Klein)


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