SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2009, Seite 03

Die Genfer Durban-Konferenz

NGOs weitgehend ausgeschlossen

Angela Klein sprach mit Ingrid Gassner von der palästinensischen NGO Badil über Durban II.

Womit hat sich die Konferenz beschäftigt?

Ihr Hauptergebnis ist ein Dokument, das schon seit einem Jahr vorbereitet wird, es handelt sich um eine Überarbeitung der Durban-Deklaration. Darin sind Vorschläge enthalten, wie man in den verschiedensten Bereichen und Regionen Rassismus und Diskriminierung bekämpfen und wieder gut machen kann.

Welche Vorschläge gibt es dazu?

Die Erklärung listet auf, was Regierungen oder Staaten, aber auch die nicht-staatliche Zivilgesellschaft, Medien oder Unternehmen, tun können. Es geht um die internationalen Instrumente zur Bekämpfung von rassistischer Diskriminierung und darum, dass die internationalen Regelungen zur Bekämpfung von Diskriminierung in die jeweilige nationale Gesetzgebung aufgenommen werden. Die Erklärung dokumentiert den zwischenstaatlichen Konsens im Bereich der Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung und macht Vorschläge zur Verbesserung machen, auf der Basis des Programms von 2001.

Ist Ihrer Ansicht nach diese Konferenz von Nutzen?

Das Problem ist, dass die Staaten versuchen, sich gegenseitig vor Kritik zu schützen und Verpflichtungen zu vermeiden. Der gemeinsame Nenner wird auf ein Minimum reduziert; deshalb ist die Rolle der nichtstaatlichen Organisationen so wichtig. Sie sind nahezu die einzigen, die Themen aufgreifen, welche die Staaten nicht diskutiert haben wollen. Deshalb ist es auch so problematisch, dass diesmal in Genf die nichtstaatliche Ebene fast komplett ausgeschlossen wurde, da gibt es nichts an Substanz hier in Genf, sehr im Gegensatz zu Durban in 2001.

Wurden denn die NGOs gar nicht eingeladen?

Doch, die Regelungen sehen vor, dass man sie einladen muss. Aber natürlich kann man viel tun, um ihre Beteiligung klein zu halten. Das fängt schon damit an, dass man sich Zeit lässt mit dem Beginn der Vorbereitungen, denn die NGOs brauchen Visa und Unterstützung für die Reisekosten, vor allem wenn eine Konferenz in Genf stattfindet. Wenn man da nicht frühzeitig beginnt, schließt man automatisch den Großteil der NGOs aus der sog. Dritten Welt aus. Das ist hier passiert, es gab sehr wenig substantielle Unterstützung. Deshalb sind hier nur die Organisationen vertreten, die ständig bei der UNO arbeiten, Vertreter in Genf und genügend Ressourcen haben. Das ist sehr schade.

Welchen Stellenwert hat die Israel-Auseinandersetzung? Hier in der Presse kamen Zitate des iranischen Präsidenten. Wie seht Ihr das?

Das ist eben der zweite Aspekt. Bei dieser Konferenz läuft alles schief, was nur schief laufen kann. Nicht nur jetzt in Genf, auch im Vorbereitungsprozess gab es massiven Druck seitens der europäischen Staaten und der USA auf die Abschlusserklärung, obwohl sie dann letztendlich nicht mitmachten. Man wollte verhindern, dass Israel in der Erklärung auch nur genannt wird; und das kann man am besten dadurch erreichen, indem man die Palästinenser, vor allem die Zivilgesellschaft, so weit wie möglich ausschließt.
Es ist ein Debakel. Dazu kommt noch, dass der iranische Präsident im Namen der Palästinenser spricht, obwohl ihn niemand darum gebeten hat. Die palästinensischen Organisationen waren nicht glücklich mit dem Auftritt von Ahmadinejad. Erstens gibt es sehr wenig am Iran, das irgendwie für palästinensische Menschenrechtsorganisationen attraktiv wäre, und zweitens sehen wir, wie das alles von der westlichen Presse und den europäischen Regierungen gegen uns gemünzt wird.
Für die palästinensischen Organisationen ist diese Konferenz sehr schwierig, weil man fast nichts machen kann, ohne automatisch auf der falschen Seite zu stehen oder ausgeschlossen zu sein. Einzelne Vorschläge zur Situation zwischen Israel und den Palästinensern aus dem Dokumente von 2001 wollte man bei dieser Konferenz gar nicht mehr aufnehmen.

Gibt es sonst jemanden, der auf dieser Konferenz für die Palästinenser auftritt?

Wir sind eine breite Koalition von NGOs, wir haben, unabhängig von der UNO-Konferenz, eine Konferenz zu Israel und Palästina organisiert, weil wir wussten, dass wir wahrscheinlich keine Möglichkeit haben, mit Leuten bei der UNO selber zu diskutieren. Das gilt für mehr oder weniger alle palästinensischen Organisationen, die in den besetzten Gebieten und in Israel arbeiten, auch für einige aus arabischen Ländern und für die offizielle palästinensische Delegation.

Die kommt selber auf der Konferenz zu Wort?

Ja, die hat Beobachterstatus bei der UNO, sie ist an den staatlichen Diskussionen beteiligt, aber eben auf staatlicher Ebene, nicht auf der NGO-Ebene.

Welcher Organisation gehören Sie an?

Ich bin die Leiterin von Badil, dem Resource Center for Palestinian Residency and Refugee Rights. Wir arbeiten für die Rechte der palästinensischen Flüchtlinge. Wir sind hier als Teil eines breiten Bündnisses von Organisationen.

Ihr habt noch eine Gegenkonferenz gemacht?

Ja, wir haben sie Israel Review Conference genannt. Mit Experten haben wir beraten, inwieweit Israels Politik Züge von Apartheid und Kolonisierung aufweist. Außerdem gab es Arbeitsgruppen zu verschiedenen Kampagnen, darunter die Boykott und Desinvestment Kampagne.


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