SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2009, Seite 22

Das Festmahl im August

Regie: Gianni di Gregorio, Italien 2008, Kinostart: 30.April 2009

von Angela Huemer

"Das Festmahl im August heißt im Original Il pranzo di ferragosto. „Ferragosto” läßt sich schwer übersetzen, zumal in den nördlicheren deutschen Bundesländern, wo der 15.August, Mariä Himmelfahrt, kein Feiertag ist und die Schulferien bereits Ende Juli oder Anfang August enden. In Italien ist das — noch — anders. Das Wort „Ferragosto” besteht aus „ferie” (Ferien) und „agosto” (August). Auch der letzte Workaholic und Urlaubsmuffel macht Mitte August blau. Die Städte, besonders im Norden, sind ausgestorben, Die Verwaltungen verfügen genaue Urlaubspläne für Ärzte, Lebensmittelhändler, Apotheker und was man sonst noch so braucht, damit die wenig verbliebenen Bewohner wenigstens grundlegend versorgt sind. Eine ganz eigene und besondere Atmosphäre, die in der italienischen Filmgeschichte oft aufgegriffen wurde.
Gianni lebt in einer typischen großen, altmodischen römischen Wohnung im alten Viertel Trastevere zusammen mit seiner alten, verwitweten Mutter. Er ist mittleren Alters und geht scheinbar keiner geregelten Beschäftigung nach. In der Wohnungseinrichtung gibt es Spuren von besseren alten Zeiten, die Haushaltskasse ist knapp. Als Gianni vom Einkaufen wiederkommt, steht der Hausverwalter vor seiner Tür, er hatte bereits geläutet, doch die Mutter hatte ihm nicht geöffnet. „Sie fürchtet sich, wenn sie allein ist”, entschuldigt sich Gianni. Doch wenn kurz darauf der Verwalter die vielen offenen Rechnungen ausbreitet, versteht man, warum die Mutter nicht öffnet. Der Verwalter kam nicht ohne Grund. Heiß ist es, meint er, seine Familie ist schon auf Urlaub, wie gern würde er zu ihnen aufs Land. Doch was tut er mit seiner Mutter? Er macht Gianni ein Angebot, wenn er auf seine Mutter aufpasst, dann kann er über einige der Schulden hinwegsehen. Nach einigem Zögern geht Gianni darauf ein. Wenig später bringt er seine Mutter Marina und — Zia Maria, Tante Maria. Auch sie wäre sonst allein zu Ferragosto. Gianni hat alle Hände voll zu tun, Marina testet, ob das Sofa auch gut genug ist, die Mutter ziert sich etwas, sehr erfreut ist sie über den Besuch nicht. Gianni fühlt sich nicht gut, sein befreundeter Arzt schaut vorbei. Als er Gianni eine Durchuntersuchung — natürlich nach Ferragosto — verspricht, rückt auch er mit einer Bitte heraus. Die rumänische Betreuerin seiner Mutter ist auf Urlaub und er hat Dienst im Krankenhaus zu Ferragosto. Könnte er nicht... Mit einem ganzen Liste an Diät-Anweisungen und Medikamenten bringt er seine Mutter Grazia. Sogleich leistet sie Zia Maria Gesellschaft, die gerade ihre Spezialität kocht, „Pasta al forno” Leider darf Grazia nichts davon essen, sie verträgt es nicht. Gianni bleibt geduldig, die Gläschen Wein, das Bierchen da helfen dabei. Er ist nicht der einzige, der in der Stadt zurückgeblieben ist. Da ist auch sein Freund Vichingo, der seine Tage vor dem kleinen Tante-Emma-Laden, bei dem Gianni immer anschreiben lässt, ebenso bei dem einen und anderen Gläschen Wein zu verbringen scheint. Die Hitze lähmt. Keine einfache Aufgabe für Gianni, Marina ist beleidigt, Grazia isst heimlich die halbe „Pasta al forno”, Mama will wieder ihren Fernseher zurück.
Langsam gewöhnt man sich aneinander.
Angesichts dieses ruhig beobachteten überrascht es zu erfahren, dass Gianni di Gregori, der in dem Film auch Autobiografisches einflicht, u.a. einer der Drehbuchautoren für Matteo Garrones Film Gomorrha war (basierend auf Roberto Savianos gleichnamiges Buch) (siehe SoZ 10/08). Seine Laufbahn begann er mit Theaterarbeit, bis er dann, angeregt von Martin Scorseses Film Mean Streets Regieassistent wurde und Drehbücher schrieb. Mit Matteo Garrone arbeitet er schon länger, neben Gomorrha wirkte er auch an Garrones Film L‘imbalsamatore mit.
Die alten Damen spielen sich selbst. „Ich entschied mich bewusst für ... [sie] aufgrund ihrer Charaktereigenschaften und weil sie mit einer spontanen Natürlichkeit an die Aufgabe herangingen.” Auch Gianni spielt sich selbst, „als ich meiner Crew erklärte, dass wir einen Mann mittleren Alters finden mussten, der jahrelang mit seiner Mutter gelebt hatte und auch dem Alkohol nicht abgeneigt ist, richteten sich alle Auge auf mich. Nur gut, dass ich nicht nur Regie studiert, sondern auch Schauspielunterricht genommen habe..."
Der Film ist subtil, leicht, unterhaltsam, genau beobachtet und am liebsten würde man ihn an einem warmen Augustabend in einem Freiluftkino Roms ansehen. Auch ein kleines Gläschen Weißwein wäre nicht schlecht. In einigen Kinos läuft erim Original mit Untertiteln.


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