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Staatshilfe
für Opel fasst Karl Guttenberg mit spitzen Fingern an. Es ist wider das Marktgesetz, wenn aus
politischen Gründen die Vernichtung von Überkapazitäten verhindert werden soll. Wo soll sonst
der neue Anlauf herkommen, der anlagesuchendem Kapital verspricht, mit weniger Personal und höherer
Arbeitsintensität zu geringeren Löhnen neue Überkapazitäten aufzubauen? Was sonst kann
das Rad des Kapitalismus in Gang halten, als der immer erneuerte Kreislauf von Überproduktion und
Vernichtung?
Guttenberg tut nicht viel für Opel, nur
gerade das Nötigste, damit die Union nicht als Schlächter eines populären Autokonzerns
dasteht. Sie kann es sich politisch nicht leisten, vor der Bundestagswahl Opel in der Konkursmasse von GM
aufgehen zu lassen. Aber sie will auch so wenig Geld wie möglich dafür in die Hand nehmen.
Deshalb sei ihm bei einem Kurzurlaub in Abu
Dhabi — sicher das geeignete Ambiente für die Lösung der deutschen Autokrise — die
Idee mit der Treuhand gekommen, sagt Guttenberg. Ein Treuhänder ist eine natürliche oder
juristische Person, die über Vermögen und Rechte eines anderen verfügt. Das Treuhand-Modell
soll verhindern, dass Gläubiger bei einer Insolvenz von GM Zugriff auf das Vermögen von Opel
haben. Die US-Regierung und auch GM müssen es genehmigen, wenn es das amerikanische Insolvenzverfahren
überstehen soll.
Dazu musste die Bundesregierung ein Konzept
vorlegen, wie es mit Opel weitergehen soll. Doch das Konzept ist nur für Washington; wie es danach
umgesetzt wird, wer der Treuhänder sein wird und welche Lösung er letztendlich favorisiert, steht
auf einem anderen Blatt. Birgit Breuel hat zur Genüge bewiesen, dass Treuhänder nicht im Interesse
der Arbeitnehmer agieren müssen — 20 Jahre nach der Wende sollte man sich daran erinnern. Die
Treuhand ist ein Modell, mit dem die Einflussmöglichkeiten der Opelbelegschaften ausgehebelt werden
können.
Im Hintergrund aber äußert
Guttenberg immer wieder, dass er „eine geordnete Insolvenz von Opel” für die beste
Lösung hält.
In der Wirtschaftspresse wird das Modell
gefeiert. „Das Treuhandmodell löst das Problem nicht, sondern vertagt es”, schreibt die
Financial Times Deutschland am 22.Mai. „Denn wenn es gelingt, die Frage nach einer dauerhaften
Lösung für Opel aus dem Wahlkampf herauszuhalten, steigen die Chancen beträchtlich, dass
diese ordnungspolitisch und betriebswirtschaftlich einigermaßen erträglich ausfällt. Das
politische Gewicht jedes einzelnen Arbeitsplatzes, der in einem Opel-Werk verloren geht, ist vor der
Bundestagswahl um ein Vielfaches höher als danach. Man kann deshalb davon ausgehen, dass jegliche
Vereinbarung mit einem Privatinvestor zur Zeit unter weit höherem Druck zustande kommt, notwendige
Einschnitte zu verhindern ... Im schlimmsten Fall würde Deutschland viel Steuergeld in eine nicht
abzuwendende Pleite werfen, im besten Fall einen dank hoher Subventionen starken Konzern schaffen, der (auch
deutschen) Wettbewerbern zusetzt. Wenn aus der Bundestagswahl eine schwarz-gelbe Koalition hervorgeht, ist
es sogar denkbar, dass der Staat aus der Opel-Nummer wider Erwarten doch noch ganz herauskommt."
Man kann es dem
Gesamtbetriebsratsvorsitzenden nicht absprechen: Unermüdlich arbeitet Klaus Franz seit Wochen daran,
einen Investor zu finden, der den Opelbetrieb als Automarke weiterführt. Aber: hat das Zukunft? Drei
Einwände wären zumindest zu berücksichtigen:
— Den Opelarbeitern werden teure
Zugeständnisse abverlangt: Drei Tage unbezahlte Arbeit leisten sie im Mai und Juni — gegen das
vage Versprechen, sie sich im Dezember wieder holen zu können; 2500 Arbeitsplätze stehen
günstigstenfalls auf dem Spiel; und die Magna-Lösung sieht zudem vor, dass die Opelaner 10% der
Anteile übernehmen. Wovon werden die bezahlt? Durch weitere Lohnsenkungen? Opel gilt als
Sanierungsfall: Eine Milliarde Euro müssen eingespart werden: Wer ist dafür verantwortlich und wer
zahlt die Zeche?
— Haben die Kapitalisten nicht recht,
wenn sie sagen: Alles muss raus? Opel ist zuviel, mit seinen 1,1 Mio. produzierten Einheiten zu klein, um
auf dem Markt bestehen zu können. Überlebensfähig ist nur, wer mindestens 3—4 Millionen
Einheiten produziert.
— Der russische Markt? Russland lebt
seit der Wende von der Verscherbelung seines Staatsvermögens und seiner Rohstoffe. Es hat Oligarchen
hervorgebracht, keine zahlungskräftige breite Mittelklasse. Die russischen Staatsfinanzen sind von der
Krise gebeutelt, die Rohstoffpreise stark gesunken.
Bei aller Notwendigkeit, vorrangig die Arbeitsplätze zu retten: Zweifel sind angebracht, dass die
Rettung von Opel als Autobetrieb dafür der richtige Weg ist. Klaus Franz springt zu kurz: Er sucht
einen Kapitalisten, der Opel weiter führt, aber das Gesetz des Kapitalismus — Kapitalvernichtung
nach Überproduktion — nicht anwendet. Das funktioniert nicht. Für Magna mag sich das Konzept
ja rechnen, weil Opel dem Autozulieferer wenigstens zeitweise die Ausfälle von GM und Chrysler
ausgleichen kann. Für Opel aber scheint es ein Tod auf Raten zu werden.
Eine Zukunftsperspektive ergibt sich, wenn
man den Mut aufbringt, ganz anderes zu denken: Opel nicht als Autobetrieb, sondern als
Schlüsselunternehmen für den Aufbau einer energiearmen Mobilität. Allein das Vorhaben, das
europäische Eisenbahnschienennetz auf den Stand von 1970 zu bringen, würde 1,5 Millionen
Arbeitsplätze schaffen! Das reicht für mehr als eine Autobelegschaft.
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