SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2009, Seite 09

Contra Conti

Vom unterschiedlichen Umgang mit Bedrohungen

Die Continental AG ist ein Konzern mit über 330000 Beschäftigten, der in 200 Werken in 36 Ländern arbeiten lässt. Im Vergleich zu den Konkurrenten Goodyear, Bridgestone und Michelin ist das vom Reifenhersteller zum Autozulieferer mutierte Unternehmen eher klein, doch ist es dies nicht, weil sein Management weniger rücksichtslos wäre als die Marktführer. Das Management hat davon in den letzten Jahren deutliche Kostproben hinterlassen. Die Produktion in Ländern mit attraktiven Investitionsbedingungen, vor allem mit geringen Löhnen und langen Arbeitszeiten, wurde ausgeweitet, und nun werden wegen Überproduktion Zug um Zug die Fabriken zum Abschuss freigegeben, in denen es noch — nach neoliberalen Maßstäben anachronistische — Sozialstandards gibt. Doch gestaltet sich dieser Abschied von alten Zeiten mitunter schwieriger als erwartet.
In Mexiko haben Conti-Arbeiter nach einem dreijährigen Kampf erreicht, dass der Betrieb weitergeführt wird. In Frankreich wurden Manager mit Eiern beworfen. Die Fabrik wurde besetzt. Hunderte der von Entlassung bedrohten französischen Conti-Kollegen fuhren auch zu ihren deutschen Kollegen, denen trotz aller Zugeständnisse ihrer Gewerkschaft mit der Schließung des Stammwerks gedroht wurde.Wir zitieren im folgenden Ausschnitte aus drei Reden, zwei von Kollegen der IG BCE und eine von einem Vertreter der CGT, die ein Kollege auf der gemeinsamen Kundgebung in Hannover am 23.4. mitgeschnitten hat (komplett unter labournet.de/branchen/chemie/conti/). Ein Vergleich der deutschen und der französischen Sicht der Dinge zeigt anschaulich, wie wenig Gewerkschaftsvertreter hierzulande begriffen haben, was Kapitalismus ist. Es ist die Hilf- und Ratlosigkeit, die ins Auge fällt, vergleicht man sie mit der viel realitätstüchtigeren Wahrnehmung des Kollegen aus dem Nachbarland.
Am Beispiel Mexiko lässt sich studieren, wie ein erfolgreicher Arbeitskampf auf der Höhe der Zeit aussehen kann.


Michael Deister, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender Conti, Hannover-Stöcken
"Liebe Freunde, wir sind hier heute zusammengekommen, um dem Conti-Vorstand klarzumachen, dass er das tun muss, wofür er auch fürstlich bezahlt wird, nämlich Verantwortung zu übernehmen, Verantwortung für das Unternehmen und gleichzeitig auch für die Menschen, die zum Erfolg der Continental beigetragen haben. Nicht umsonst heißt es im Grundgesetz der Bundesrepublik, Eigentum verpflichtet. Dabei sind Manager nur die Sachwalter der Eigentümer, und wenn sie versagen, dann sind die Eigentümer verpflichtet, diese Manager zu entlassen. Einerseits sollen lauter Kollegen auf die Straße gesetzt werden, andererseits werden Millionen für das Sponsoring von Fußball ausgegeben. Wo bleibt da der Sportsgeist. Ist das Fairplay? Liebe Freunde, eigentlich sitzen wir doch alle in einem Boot, die Führungskräfte und wir, die wir durch Lohnverzicht zu den Gewinnen beigetragen haben. Jetzt geht es darum, wer den Kurs bestimmt: dieses verantwortungslose Management oder wir, die wir uns hier versammelt haben?"

Werner Bischoff, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der IG BCE
"Kolleginnen und Kollegen, ginge es nach dem Vorstand, würden an beiden Standorten zum Jahresende 1900 Arbeitsplätze vernichtet werden. Dazu sagen wir Nein, das ist unwirtschaftlich, wirtschaftlich falsch und eine sozialpolitische Bankrotterklärung des Vorstands. Die Vorstände, liebe Kolleginnen und Kollegen, verdienen gutes Geld, dafür erwarten wir angesichts der krisenbedingten schwierigen Lage auf dem Reifenmarkt konzeptionell mehr als nur Trost und phantasielose Reaktionen, dafür werden diese Manager zu gut bezahlt, als uns solch ein Schlamassel vorzulegen ... Und ich frage, warum ist dieser Vorstand so beratungsresistent? Wir wollen den Vorstand in der heutigen Aufsichtsratssitzung von seiner Geisterfahrt abhalten. Dem Vorstand rufen wir zu: Handelt verantwortlich und sozial, kehrt zu Wegen der Vernunft zurück."

Xavier Mathieu, CGT-Kollege aus dem Werk Clairoix
"Aber heute sind wir hier in Hannover versammelt und zeigen damit, dass sie uns mit ihren Lügen nicht mehr reinlegen können. Unsere Bosse und Aktionäre stehen zusammen wie die Nullen auf 500 Euroscheinen, aber wir sind vereint wie die Finger einer Hand, um zusammen zurückzuschlagen und unser Recht auf Leben zu verteidigen. Das Los, das uns die reichen Aktionäre zugedacht haben, ist kein unabwendbares Schicksal. Wir müssen gemeinsam handeln, entschlossen alle Hindernisse überwinden, zu allem bereit sein, um unsere Zukunft und die unserer Familien zu garantieren. So können wir ihre Pläne durchkreuzen und das Blatt wenden. Die Milliarden, mit denen heute die Familie Schaeffler spielt, wurden durch unsere eigene Arbeit geschaffen. Ohne uns sind die Bosse und die Reichen nichts. Die Bosse und ihre Diener, und in erster Linie die Regierungen in Deutschland wie in Frankreich faseln von Wettbewerbsfähigkeit, von Konkurrenz, vom Marktzwang, das wäre das unausweichliche Schicksal, das die bedauernswerten Bosse zwingt, Fabriken zu schließen, Tausende Arbeitsplätze zu streichen, ganze Regionen in den Ruin zu treiben. Was auch immer geschehen wird, wir können die Steine, die man uns in den Weg legen wird, überwinden."


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