SoZ - Sozialistische Zeitung |
"Wie gesagt, es war alles probiert. Erfindungen, Pläne, Kriege. Unerhörte
Verwirklichungen, Vernichtungen. Man hatte auf allen Kontinenten alle Ideen verbraucht. So stehen die Dinge, aber was kommt? Und
was ist das Wirklichgewollte?” So fragte Volker Braun im Jahre 2000.
Pessimissmus pur? Nein, so leicht, so einfach lässt der
Sozialist und große Dialektiker seine Leser und Leserinnen nicht davon kommen. „Dass einem kraft Dialektik Hören
und Sehen auch entstehen konnte und kann, das bewies und beweist Braun, der Vertreter der reinen Lehre, der Ketzer”, so
Jens Sparschuh zum 70. von Volker Braun.
Bis zum Ende war er kritischer Begleiter dieses neuen Staates,
unterzeichnete noch den Aufruf „Für unser Land” 1989 und glaubte noch an eine positive Wende hin zur
Rätedemokratie. Kurz danach erscheint dann der Abgesang unter dem Titel: „Wir befinden uns soweit wohl. Wir sind erst
einmal am Ende."
Das facettenreiche Werk Volker Brauns (nebenstehend einige
kleine Beispiele) befasst sich in weiten Teilen mit der DDR. Aber wie: „Wir feiern ihn (den Sozialismus) ... die
Errungenschaft, und vergessen, dass er in der Not angefertigt wurde, weil es nicht Besseres gab. Nur um zu was anderem zu kommen
aus der Verzweiflung. Von dem anderen ist meist keine Rede mehr, weil man beschäftigt ist mit dem Behelf."
Innerhalb der Arbeiten in und über die DDR nimmt die
kritische Beschreibung der real existieren Arbeit und Arbeitswelt eine herausragende Stellung ein.
Schon in seinem ersten Theaterstück Der Kipper geht es um
die Produktionsschlachten in der frühen DDR, im Kohletagebau. Braun hat selbst dort gearbeitet, Ende der 50er Jahre, als
Tiefbauarbeiter im Kombinat „Schwarze Pumpe” und als Maschinist für Tagebaugroßgeräte im Tagebau
Burghammer; er weiß, wovon er schreibt. Er war gerade als Dramaturg von Helene Weigel ans Berliner Ensemble geholt worden,
das Stück schrieb er zwischen 1962 und 1965. Vor, während und nach der Uraufführung, die erst 1972 in Leipzig
stattfand, befassten sich — wie auch später immer wieder — diverse Organe und Gutachter mit Brauns Arbeit. Der
Kipper, ein Stück über die „Drecksarbeit”, passte nicht in die Welt der SED, der Autor wurde auf dem
XI.Plenum des ZK der SED 1965 harsch angegriffen, weil er in dem Stück den Begriff der „Entfremdung” auf die
DDR-Verhältnisse bezogen hatte.
In den Erzählungen, die Ende der 60er, Anfang der 70er
entstanden und die im Sammelband Das ungezwungene Leben Kasts erschienen, geht es ebenfalls um das Thema Arbeit. In der
damaligen DDR wurden sie im Klappentext so angekündigt: „Um die ganze Härte und Lösbarkeit der
nichtantagonistischen Widersprüche beim Aufbau einer neuen Gesellschaftsordnung geht es in den Erzählungen von Volker
Braun.” Auch hier geht es um die Arbeit, die Arbeiter, die Beziehungen zueinander — zwischen den Arbeitern, den
Leitenden und zwischen den Brigaden. Den Konfliktstoff bildet hier oftmals die Kohle — im doppelten Wortsinn, nur
phrasenhaft und theoretisch geht es um Ideale, den großen Aufbau.
Diese reale Arbeitswelt sieht Braun mit dem Blick des kritischen
Marxisten. Er kennt seinen Marx. Wie heißt es doch in den Grundrissen: „So scheint die alte Auffassung, wo der
Mensch, in welchen bornierten nationalen, religiösen, politischen Bestimmungen auch immer, als Zweck der Produktion
erscheint, sehr erhaben zu sein gegen die moderne Welt, wo die Produktion der Zweck des Menschen und der Reichtum als Zweck der
Produktion erscheint. In fact aber, wenn die bornierte bürgerliche Form abgestreift wird, was ist der Reichtum anders, als
die im universellen Austausch erzeugte Universalität der Bedürfnisse, Fähigkeiten, Genüsse,
Produktivkräfte der Individuen?"
Universellen Austausch, Universalität der Bedürfnisse,
Fähigkeiten, Genüsse gar, davon findet der Dichter wenig, strebt aber immer dahin.
Brauns Hauptwerk über Arbeitsbeziehungen ist der Hinze-
Kunze-Roman, ein Stoff, den es auch als Stück gibt, der immer wieder auftaucht.
Es geht um den Parteifunktionär Kunze und seinen Fahrer
Hinze.
Die Personen beschreibt Volker Braun u.a. in den Berichten von
Hinze und Kunze so:
"Der Unterschied
Kunze und Hinze unterschied wenig. Das Gehalt, die
Verantwortung, die Befugnisse — und dass Kunze den Unterschied nicht für aufregend hielt."
In diesen wunderschönen Geschichten über die vertikale
Arbeitsteilung zeigt sich jetzt sehr stark die große Fähigkeit Brauns zu Ironie und Verschmitztheit, ja zu Spott auf
einen fast feudalen Sozialismus.
In weiteren Schriften über die Arbeit, etwa Verheerende
Folgen mangelnden Anscheins innerbetrieblicher Demokratie oder Die vier Werkzeugmacher, wird die Arbeitswelt bitterböse
nahezu als Arbeitermonarchie dargestellt.
Sein letztes Buch zum Thema Arbeit aus 2008 trägt den
Titel: Machwerk oder Das Schichtbuch des Flick von Lauchhammer. Es geht um den arbeitslosen 60-jährigen Flick, der als
Experte für Havarien im Bergbau gearbeitet hat, der immer zur Stelle war, wenn es irgendwo nicht rund lief, und die Arbeit
immer wieder ankurbelte. Nun hat er keine Arbeit mehr, findet auch keine, weil es die so nicht mehr gibt. Also nimmt er sich
Arbeit: Er nimmt Pause machenden Bauarbeitern die Schaufeln ab, setzt bestreikte Werkshallen in Gang, rennt gegen Windräder
an, hilft einer Frau beim Sterben...
Ein Schelmenromann in großer Tradition. Aber auch ein
kritischer Blick auf die heutige Arbeitswelt und die Zerstörungen, die die Arbeit bei Mensch und Natur erzeugt.
Volker Braun wurde am 7.Mai 70 Jahre alt. Herzlichen
Glückwunsch.
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