SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2009, Seite 14

Finanzkrise: Wer kontrolliert die Banken?

Was es mit der sog. Verstaatlichung der Banken auf sich hat

von Benedict Ugarte Chacón

Private Wirtschaftsprüfer machen die Kontrolle und private Kanzleien machen die Gesetze. Wie der Staat sich von seiner Funktion als Gesetzgeber verabschiedet.
Das Bankenrettungspaket hat den Bock zum Gärtner gemacht. Schon beim Rettungspersonal der Bundesregierung wird dies ersichtlich. Die Geschäftspolitik der „Finanzmarktstabilisierungsanstalt”, die zusammen mit dem „Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung” (SoFFin) das Resultat des Bankenrettungspakets ist, wird von einem Lenkungsausschuss bestimmt. Dieser wird vom Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Jörg Asmussen, geleitet. Asmussen war in seiner Zeit als Ministerialdirektor in diesem Ministerium ein großer Werber für ABS-Produkte — also jener forderungsbesicherten Wertpapiere, die die gegenwärtig zerplatzende Blase des Finanzmarktes verursacht haben und in der Folge zahlreiche Banken ins Taumeln brachten.
In einem Aufsatz verwies Asmussen 2006 auf ein Gutachten der Boston Consulting Group (BCG), das diese bereits 2004 im Auftrag des Finanzministeriums erstellt hatte. Darin ist zu lesen, das Finanzministerium sei an der Förderung des deutschen ABS-Marktes interessiert und bediene sich dafür der Hilfe der Unternehmensberater. Die von der BCG angeregten rechtlichen Lockerungen wurden nach und nach umgesetzt. Dennoch warnte Asmussen noch 2006 vor „unnötigen Prüf- und Dokumentationspflichten” Als Mitglied im Gesellschafterbeirat der Lobbyorganisation True Sale International warb er ebenfalls für die Ausweitung des ABS-Marktes. Und als zeitweises Mitglied im Aufsichtsrat der Mittelstandsbank IKB hätte er eigentlich mitbekommen müssen, was passiert, wenn man unvorsichtig mit solchen Papieren spekuliert.
Nichtsdestotrotz gilt Asmussen heute als einer der großen Lenker bei der „Stabilisierung” des Finanzmarkts.

Blind und taub

Nicht nur Asmussen ist ein Beweis dafür, dass die staatlichen Akteure an der jetzigen Bankenkrise mitschuldig sind. Eine Figur, die bei jeder Bankenpleite der letzten Jahre in Erscheinung tritt, deren Position jedoch nie in Frage gestellt wurde, ist Jochen Sanio, Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und damit oberster Bankenaufseher der Republik. Sanio und seine BaFin zeichnen sich in ihrer Aufsichtstätigkeit dadurch aus, dass sie entweder nichts mitbekommen oder zu spät kommen und dann tunlichst die Klappe halten, um den Finanzmarkt nicht aufzuschrecken. Wie genau die BaFin arbeitet, weiß nur sie selbst, da sie größten Wert auf Verschwiegenheit legt.
Es kommt aber hin und wieder vor, dass das Versagen der BaFin öffentlich thematisiert wird. So zum Beispiel im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Bankgesellschaft Berlin. Diese hat seinerzeit den größten deutschen Bankenskandal verursacht. Zwar haben die ermittelnden Abgeordneten regelmäßig damit zu kämpfen, dass die Mitarbeiter der BaFin keine Aussagegenehmigung vom Bundesfinanzministerium bekommen und wenn doch, dann nur in nicht öffentlichen Sitzungen. Dennoch lässt sich aus den kargen Informationen herauslesen, wie sträflich naiv die BaFin ihre Aufgabe schon immer verstand.
So sagte die Mitarbeiterin der BaFin, Carmen Koberstein-Windpassinger, in ihrer Vernehmung vor dem Berliner Untersuchungsausschuss Bankgesellschaft am 21.Juni 2002: Die Voraussetzung dafür, dass die staatliche Bankenaufsicht eingehender tätig wird, seien Hinweise der Wirtschaftsprüfer. Wirtschaftsprüfer testieren die Jahresabschlüsse der Banken und sind verpflichtet, auf eventuelle Risiken hinzuweisen. Das setzt voraus, dass sie ihre Berichte kompetent und vollständig abfassen.
Dass dies bei der Bankgesellschaft Berlin nicht der Fall war, beklagte Frau Koberstein-Windpassinger jedoch erst in nicht öffentlicher Sitzung. Dabei stellte sich auch heraus, dass die BaFin seit Ende der 90er Jahre über mögliche sich anbahnende Probleme bei der Bankgesellschaft informiert war. Als diese 2001 gegen die Wand gefahren war, reiste Sanio nach Berlin und verlangte deren Rettung.
Ein ähnliches Spiel trieb Sanio bei der Hypo Real Estate (HRE). Dass der Immobilienfinanzierer in Schwierigkeiten steckte, war schon Monate vor seinem Zusammenbruch im Herbst 2008 ersichtlich. Die BaFin schwieg bis zuletzt, und als die HRE am Boden lag, schrieb sie einen Brandbrief an den Finanzminister und verlangte ihre schnelle Rettung.
Bei der SachsenLB hatte die BaFin zwar Sonderprüfungen eingeleitet, dummerweise ließ sie die Geschäfte der irischen Tochtergesellschaften nicht prüfen. Diese sorgten 2007 für den Beinahezusammenbruch der Bank.

Rolle der Wirtschaftsprüfer

In §43 der Wirtschaftsprüferordnung ist nachzulesen, dass der Prüfer seine Aufgabe „unabhängig, gewissenhaft, verschwiegen und eigenverantwortlich” auszuüben habe. Die deutschen Bankhäuser vertrauen die Prüfung ihrer Jahresabschlüsse zumeist großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften an. Als die vier relevantesten gelten KPMG, PricewaterhouseCoopers (PWC), Ernst & Young und Deloitte Touche Tohmatsu.
Und so kann die kurze Geschichte der aktuellen Bankenkrise auch als Geschichte des Versagens der großen deutschen Wirtschaftsprüfer gesehen werden. In ihrem Bestätigungsvermerk für den Jahresabschluss 2006 der SachsenLB vom 21.März 2007 schrieben die Prüfer von PWC: „Unsere Prüfung hat zu keinen Einwendungen geführt.” Im August des Jahres musste ein Notverkauf der SachsenLB an die Landesbank Baden-Württemberg eingeleitet werden, um eine Insolvenz zu vermeiden.
Bei der HRE bestätigten die Prüfer der KPMG noch im August 2008, dass alles in Ordnung sei. Im September 2008 stand die HRE vor der Pleite.
Bei der Mittelstandsbank IKB, die als eine der ersten deutschen Banken in eine Schieflage geriet, prüfte ebenfalls die KPMG. Mit der Sonderprüfung der IKB wurde danach die PWC beauftragt, die zuvor bei der SachsenLB kläglich versagt hatte — ein Treppenwitz. Schon in die Vorgänge um die Bankgesellschaft Berlin war PWC verwickelt und wurde im Nachhinein von der BaFin gerüffelt.
Wirtschaftsprüfer werden von den Unternehmen bezahlt, die sie prüfen. So liegt der Verdacht nahe, dass so mancher Prüfer nicht immer ganz genau hinschaut und sich im einen oder anderen Fall mit allzu kritischen Feststellungen zurückhält. Denn welches Unternehmen würde einen Folgeauftrag an einen Prüfer vergeben, der einem andauernd die Geschäftspolitik madig macht?

Die Kanzlei Freshfields

Die Wirtschaftsprüfer sind nicht die einzigen privaten Akteure, derer sich der Staat in der Bankenkrise bedient bzw. die sich des Staates bedienen. Kanzleien spielen ebenfalls eine herausragende Rolle — wie die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer.
Freshfields beschäftigt weltweit nach eigenen Angaben 2700 Anwälte im Nahen Osten, den USA, Europa und Asien. Als besondere Referenz gibt die Kanzlei an, 2005 am Zusammenschluss der italienischen Unicredit mit der HypoVereinsbank beteiligt gewesen zu sein. Zuvor war das schwächelnde Immobiliengeschäft der HypoVereinsbank in eine rechtlich selbständige Aktiengesellschaft namens Hypo Real Estate eingebracht worden.
Freshfields wirkte im Auftrag der Bundesregierung an der Formulierung des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes mit und beriet diese nach eigenen Angaben auch bei der Einrichtung des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin), also der Geldausgabestelle für notleidende Banken.
Freshfields-Anwalt Benedikt Wolfers, früher tätig bei der Treuhandanstalt, gilt in seinem Milieu als ausgewiesener Experte im Sparkassenrecht und ist zudem auf juristische Fragen bei der Privatisierung öffentlicher Unternehmen spezialisiert. So war er bspw. an der Konstruktion der teilprivatisierten Berliner Wasserbetriebe beteiligt.
Das Handelsblatt feierte ihn unlängst als den „Anwalt der Finanzkrise”, der die „Rechtsgeschichte fortgeschrieben” habe. Wolfers hat nämlich nicht nur am Finanzmarktstabilisierungsgesetz mitgearbeitet, sondern auch am Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz — besser bekannt als das auf die HRE zugeschnittene „Enteignungsgesetz” Mittlerweile gilt er als enger Berater im Dunstkreis von Bundesfinanzministerium und Kanzleramt.
Dass die Kanzlei an der Formulierung der Gesetze mitwirkte, sichert ihr nun so manchen Folgeauftrag. So gab sie Anfang dieses Jahres bekannt, sie berate die strauchelnde HSH Nordbank „umfassend zu Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz” Hierzu gehöre auch die „Begleitung gegenüber dem Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung”
Zu ihren Klienten, die sich bei den Verhandlungen mit dem SoFFin beraten lassen, gehört auch die BayernLB. Hier wurde Freshfields- Anwalt Wolfers tätig. Zuvor beriet die Kanzlei die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen bei der Abschirmung der bei der WestLB angehäuften Risiken. Hieraus resultierte ein EU-rechtliches Beihilfeverfahren: Die EU-Kommission gab im Mai 2009 bekannt, dass sie die Beihilfen für die WestLB zwar genehmige, jedoch eine Veräußerung bis 2011 verlange. Es ist davon auszugehen, dass bei diesem Veräußerungsverfahren wiederum Freshfields beratend tätig sein wird.

Immer dabei

Es geht aber auch andersherum: Der SoFFin ließ sich schon 2008 von Freshfields im Zuge der Abstützung der Commerzbank beraten. Auch hier war — wen wundert‘s — Wolfers Mitglied im Beratungsteam.
Dass Freshfields über eine gute Sensorik bei der Akquise einträglicher Aufträge verfügt, zeigt ihr Wirken als Berater des Berliner Senats. Hier zog die Kanzlei einen dicken Auftrag samt Folgeaufträgen an Land. Schon als die überwiegend landeseigene Bankgesellschaft Berlin AG (BGB) 1998 mit der NordLB fusioniert werden sollte, ließ sich der Berliner Senat von einem Anwalt der Kanzlei beraten. Die Fusion platzte schließlich, der NordLB soll die Bankgesellschaft mit ihren Risiken aus dem Immobiliendienstleistungsgeschäft nicht geheuer gewesen sein. Als die Bankgesellschaft Anfang 2001 wegen dieser Geschäfte vor dem Abgrund stand und der Senat sich für deren hektische Rettung entschied, schrieben die Anwälte von Freshfields einen wegweisenden Text mit dem Titel Gründe für die Abschirmung des Konzerns BGB AG.
Die „Risikoabschirmung” in einer veranschlagten Höhe bis zu 21,6 Milliarden Euro, die das Abgeordnetenhaus von Berlin mit den Stimmen von SPD und der damaligen PDS durchwinkte, zog ein Beihilfeverfahren der EU- Kommission nach sich. Auch in diesem Verfahren beriet Freshfields den Berliner Senat.
Als die EU-Kommission die Beihilfen für die Bankgesellschaft genehmigte, aber zur Auflage machte, dass das Land Berlin seine Anteile an derselbigen verkaufen müsse, kam wiederum Freshfields zum Zug. Hier gelang der Kanzlei ein historischer Coup. Durch ein neuartiges Sparkassengesetz wurde es möglich, die öffentlich-rechtliche Berliner Sparkasse, die stets ein Teil der Bankgesellschaft war, als öffentlich-rechtliche Anstalt an einen privaten Investor zu verkaufen. Ohne Berliner Sparkasse wäre die Bankgesellschaft wahrscheinlich nicht viel wert gewesen. Dass die Sparkasse nicht tatsächlich privatisiert wurde, ist dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband zu verdanken, der einen horrenden Kaufpreis hinblätterte, für welchen er sich allerdings durch die Hintertür vom Land Berlin entschädigen ließ.
Laut Medienberichten berät Freshfields auch die Privatbankenlobby, der öffentlich-rechtliche Sparkassen seit langem ein Dorn im Auge sind.
Der Einsatz in Berlin zahlte sich für Freshfields aus. Die CDU-geführte Landesregierung in Hessen zog sie bei der Novellierung des Hessischen Sparkassengesetzes zu Rate. Das Gesetz ermöglicht den Trägern der Sparkassen die Bildung von übertragbarem Stammkapital und ist damit ein erster Schritt zur Beteiligung privater Investoren an öffentlich-rechtlichen Sparkassen.
Ihr Wirken in Berlin und Hessen könnte für Freshfields massenweise Berateraufträge zur Folge haben. Denn bei den deutschen Landesbanken geht es augenblicklich hoch her. Sie sollen bundesweit neu geordnet und müssen teilweise konsolidiert werden. Einige stehen schon in Verhandlungen mit der EU- Wettbewerbskommission. Diese sieht im Berliner Modell — verkleinern, Risiken auf die Öffentlichkeit abwälzen, privatisieren — einen gangbaren Weg.
Auch hier zeigt sich, dass sich der Staat von einer seiner elementarsten Funktionen, nämlich Regeln in Form von Gesetzen vorzugeben, zugunsten privater Dienstleister längst verabschiedet hat.
Private Wirtschaftsprüfer machen die Kontrolle und private Kanzleien machen die Gesetze — indem er dies zuließ, hat sich der angeblich souveräne Staat selbst entstaatlicht. Und dadurch, dass der Staat willfährig und auf Zuruf Gelder an marode Bankhäuser verteilt, macht er sich zum Ausschuss einer überschaubaren Kaste, die lediglich qua Definition als „systemrelevant” verstanden wird.

Zuerst erschienen in Junge Welt, 8.6.2009 (www.jungewelt.de).




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