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Private Wirtschaftsprüfer machen die Kontrolle und private
Kanzleien machen die Gesetze. Wie der Staat sich von seiner Funktion als Gesetzgeber verabschiedet.
Das Bankenrettungspaket hat den Bock
zum Gärtner gemacht. Schon beim Rettungspersonal der Bundesregierung wird dies ersichtlich. Die
Geschäftspolitik der „Finanzmarktstabilisierungsanstalt”, die zusammen mit dem
„Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung” (SoFFin) das Resultat des Bankenrettungspakets
ist, wird von einem Lenkungsausschuss bestimmt. Dieser wird vom Staatssekretär im
Bundesfinanzministerium, Jörg Asmussen, geleitet. Asmussen war in seiner Zeit als
Ministerialdirektor in diesem Ministerium ein großer Werber für ABS-Produkte — also
jener forderungsbesicherten Wertpapiere, die die gegenwärtig zerplatzende Blase des
Finanzmarktes verursacht haben und in der Folge zahlreiche Banken ins Taumeln brachten.
In einem Aufsatz verwies Asmussen
2006 auf ein Gutachten der Boston Consulting Group (BCG), das diese bereits 2004 im Auftrag des
Finanzministeriums erstellt hatte. Darin ist zu lesen, das Finanzministerium sei an der
Förderung des deutschen ABS-Marktes interessiert und bediene sich dafür der Hilfe der
Unternehmensberater. Die von der BCG angeregten rechtlichen Lockerungen wurden nach und nach
umgesetzt. Dennoch warnte Asmussen noch 2006 vor „unnötigen Prüf- und
Dokumentationspflichten” Als Mitglied im Gesellschafterbeirat der Lobbyorganisation True Sale
International warb er ebenfalls für die Ausweitung des ABS-Marktes. Und als zeitweises Mitglied
im Aufsichtsrat der Mittelstandsbank IKB hätte er eigentlich mitbekommen müssen, was
passiert, wenn man unvorsichtig mit solchen Papieren spekuliert.
Nichtsdestotrotz gilt Asmussen heute
als einer der großen Lenker bei der „Stabilisierung” des Finanzmarkts.
Nicht nur Asmussen ist ein Beweis dafür, dass die staatlichen Akteure an der jetzigen
Bankenkrise mitschuldig sind. Eine Figur, die bei jeder Bankenpleite der letzten Jahre in
Erscheinung tritt, deren Position jedoch nie in Frage gestellt wurde, ist Jochen Sanio, Chef der
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und damit oberster Bankenaufseher der
Republik. Sanio und seine BaFin zeichnen sich in ihrer Aufsichtstätigkeit dadurch aus, dass sie
entweder nichts mitbekommen oder zu spät kommen und dann tunlichst die Klappe halten, um den
Finanzmarkt nicht aufzuschrecken. Wie genau die BaFin arbeitet, weiß nur sie selbst, da sie
größten Wert auf Verschwiegenheit legt.
Es kommt aber hin und wieder vor,
dass das Versagen der BaFin öffentlich thematisiert wird. So zum Beispiel im parlamentarischen
Untersuchungsausschuss zur Bankgesellschaft Berlin. Diese hat seinerzeit den größten
deutschen Bankenskandal verursacht. Zwar haben die ermittelnden Abgeordneten regelmäßig
damit zu kämpfen, dass die Mitarbeiter der BaFin keine Aussagegenehmigung vom
Bundesfinanzministerium bekommen und wenn doch, dann nur in nicht öffentlichen Sitzungen.
Dennoch lässt sich aus den kargen Informationen herauslesen, wie sträflich naiv die BaFin
ihre Aufgabe schon immer verstand.
So sagte die Mitarbeiterin der
BaFin, Carmen Koberstein-Windpassinger, in ihrer Vernehmung vor dem Berliner Untersuchungsausschuss
Bankgesellschaft am 21.Juni 2002: Die Voraussetzung dafür, dass die staatliche Bankenaufsicht
eingehender tätig wird, seien Hinweise der Wirtschaftsprüfer. Wirtschaftsprüfer
testieren die Jahresabschlüsse der Banken und sind verpflichtet, auf eventuelle Risiken
hinzuweisen. Das setzt voraus, dass sie ihre Berichte kompetent und vollständig abfassen.
Dass dies bei der Bankgesellschaft
Berlin nicht der Fall war, beklagte Frau Koberstein-Windpassinger jedoch erst in nicht
öffentlicher Sitzung. Dabei stellte sich auch heraus, dass die BaFin seit Ende der 90er Jahre
über mögliche sich anbahnende Probleme bei der Bankgesellschaft informiert war. Als diese
2001 gegen die Wand gefahren war, reiste Sanio nach Berlin und verlangte deren Rettung.
Ein ähnliches Spiel trieb Sanio
bei der Hypo Real Estate (HRE). Dass der Immobilienfinanzierer in Schwierigkeiten steckte, war schon
Monate vor seinem Zusammenbruch im Herbst 2008 ersichtlich. Die BaFin schwieg bis zuletzt, und als
die HRE am Boden lag, schrieb sie einen Brandbrief an den Finanzminister und verlangte ihre schnelle
Rettung.
Bei der SachsenLB hatte die BaFin
zwar Sonderprüfungen eingeleitet, dummerweise ließ sie die Geschäfte der irischen
Tochtergesellschaften nicht prüfen. Diese sorgten 2007 für den Beinahezusammenbruch der
Bank.
In §43 der Wirtschaftsprüferordnung ist nachzulesen, dass der Prüfer seine Aufgabe
„unabhängig, gewissenhaft, verschwiegen und eigenverantwortlich” auszuüben
habe. Die deutschen Bankhäuser vertrauen die Prüfung ihrer Jahresabschlüsse zumeist
großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften an. Als die vier relevantesten gelten KPMG,
PricewaterhouseCoopers (PWC), Ernst & Young und Deloitte Touche Tohmatsu.
Und so kann die kurze Geschichte der
aktuellen Bankenkrise auch als Geschichte des Versagens der großen deutschen
Wirtschaftsprüfer gesehen werden. In ihrem Bestätigungsvermerk für den
Jahresabschluss 2006 der SachsenLB vom 21.März 2007 schrieben die Prüfer von PWC:
„Unsere Prüfung hat zu keinen Einwendungen geführt.” Im August des Jahres
musste ein Notverkauf der SachsenLB an die Landesbank Baden-Württemberg eingeleitet werden, um
eine Insolvenz zu vermeiden.
Bei der HRE bestätigten die
Prüfer der KPMG noch im August 2008, dass alles in Ordnung sei. Im September 2008 stand die HRE
vor der Pleite.
Bei der Mittelstandsbank IKB, die
als eine der ersten deutschen Banken in eine Schieflage geriet, prüfte ebenfalls die KPMG. Mit
der Sonderprüfung der IKB wurde danach die PWC beauftragt, die zuvor bei der SachsenLB
kläglich versagt hatte — ein Treppenwitz. Schon in die Vorgänge um die
Bankgesellschaft Berlin war PWC verwickelt und wurde im Nachhinein von der BaFin gerüffelt.
Wirtschaftsprüfer werden von
den Unternehmen bezahlt, die sie prüfen. So liegt der Verdacht nahe, dass so mancher
Prüfer nicht immer ganz genau hinschaut und sich im einen oder anderen Fall mit allzu
kritischen Feststellungen zurückhält. Denn welches Unternehmen würde einen
Folgeauftrag an einen Prüfer vergeben, der einem andauernd die Geschäftspolitik madig
macht?
Die Wirtschaftsprüfer sind nicht die einzigen privaten Akteure, derer sich der Staat in der
Bankenkrise bedient bzw. die sich des Staates bedienen. Kanzleien spielen ebenfalls eine
herausragende Rolle — wie die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer.
Freshfields beschäftigt
weltweit nach eigenen Angaben 2700 Anwälte im Nahen Osten, den USA, Europa und Asien. Als
besondere Referenz gibt die Kanzlei an, 2005 am Zusammenschluss der italienischen Unicredit mit der
HypoVereinsbank beteiligt gewesen zu sein. Zuvor war das schwächelnde Immobiliengeschäft
der HypoVereinsbank in eine rechtlich selbständige Aktiengesellschaft namens Hypo Real Estate
eingebracht worden.
Freshfields wirkte im Auftrag der
Bundesregierung an der Formulierung des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes mit und beriet diese nach
eigenen Angaben auch bei der Einrichtung des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin), also
der Geldausgabestelle für notleidende Banken.
Freshfields-Anwalt Benedikt Wolfers,
früher tätig bei der Treuhandanstalt, gilt in seinem Milieu als ausgewiesener Experte im
Sparkassenrecht und ist zudem auf juristische Fragen bei der Privatisierung öffentlicher
Unternehmen spezialisiert. So war er bspw. an der Konstruktion der teilprivatisierten Berliner
Wasserbetriebe beteiligt.
Das Handelsblatt feierte ihn
unlängst als den „Anwalt der Finanzkrise”, der die „Rechtsgeschichte
fortgeschrieben” habe. Wolfers hat nämlich nicht nur am Finanzmarktstabilisierungsgesetz
mitgearbeitet, sondern auch am Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz — besser
bekannt als das auf die HRE zugeschnittene „Enteignungsgesetz” Mittlerweile gilt er als
enger Berater im Dunstkreis von Bundesfinanzministerium und Kanzleramt.
Dass die Kanzlei an der Formulierung
der Gesetze mitwirkte, sichert ihr nun so manchen Folgeauftrag. So gab sie Anfang dieses Jahres
bekannt, sie berate die strauchelnde HSH Nordbank „umfassend zu Rechtsfragen im Zusammenhang
mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz” Hierzu gehöre auch die „Begleitung
gegenüber dem Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung”
Zu ihren Klienten, die sich bei den
Verhandlungen mit dem SoFFin beraten lassen, gehört auch die BayernLB. Hier wurde Freshfields-
Anwalt Wolfers tätig. Zuvor beriet die Kanzlei die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen bei
der Abschirmung der bei der WestLB angehäuften Risiken. Hieraus resultierte ein EU-rechtliches
Beihilfeverfahren: Die EU-Kommission gab im Mai 2009 bekannt, dass sie die Beihilfen für die
WestLB zwar genehmige, jedoch eine Veräußerung bis 2011 verlange. Es ist davon auszugehen,
dass bei diesem Veräußerungsverfahren wiederum Freshfields beratend tätig sein wird.
Es geht aber auch andersherum: Der SoFFin ließ sich schon 2008 von Freshfields im Zuge der
Abstützung der Commerzbank beraten. Auch hier war — wen wunderts — Wolfers
Mitglied im Beratungsteam.
Dass Freshfields über eine gute
Sensorik bei der Akquise einträglicher Aufträge verfügt, zeigt ihr Wirken als Berater
des Berliner Senats. Hier zog die Kanzlei einen dicken Auftrag samt Folgeaufträgen an Land.
Schon als die überwiegend landeseigene Bankgesellschaft Berlin AG (BGB) 1998 mit der NordLB
fusioniert werden sollte, ließ sich der Berliner Senat von einem Anwalt der Kanzlei beraten.
Die Fusion platzte schließlich, der NordLB soll die Bankgesellschaft mit ihren Risiken aus dem
Immobiliendienstleistungsgeschäft nicht geheuer gewesen sein. Als die Bankgesellschaft Anfang
2001 wegen dieser Geschäfte vor dem Abgrund stand und der Senat sich für deren hektische
Rettung entschied, schrieben die Anwälte von Freshfields einen wegweisenden Text mit dem Titel
Gründe für die Abschirmung des Konzerns BGB AG.
Die „Risikoabschirmung”
in einer veranschlagten Höhe bis zu 21,6 Milliarden Euro, die das Abgeordnetenhaus von Berlin
mit den Stimmen von SPD und der damaligen PDS durchwinkte, zog ein Beihilfeverfahren der EU-
Kommission nach sich. Auch in diesem Verfahren beriet Freshfields den Berliner Senat.
Als die EU-Kommission die Beihilfen
für die Bankgesellschaft genehmigte, aber zur Auflage machte, dass das Land Berlin seine
Anteile an derselbigen verkaufen müsse, kam wiederum Freshfields zum Zug. Hier gelang der
Kanzlei ein historischer Coup. Durch ein neuartiges Sparkassengesetz wurde es möglich, die
öffentlich-rechtliche Berliner Sparkasse, die stets ein Teil der Bankgesellschaft war, als
öffentlich-rechtliche Anstalt an einen privaten Investor zu verkaufen. Ohne Berliner Sparkasse
wäre die Bankgesellschaft wahrscheinlich nicht viel wert gewesen. Dass die Sparkasse nicht
tatsächlich privatisiert wurde, ist dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband zu verdanken, der
einen horrenden Kaufpreis hinblätterte, für welchen er sich allerdings durch die
Hintertür vom Land Berlin entschädigen ließ.
Laut Medienberichten berät
Freshfields auch die Privatbankenlobby, der öffentlich-rechtliche Sparkassen seit langem ein
Dorn im Auge sind.
Der Einsatz in Berlin zahlte sich
für Freshfields aus. Die CDU-geführte Landesregierung in Hessen zog sie bei der
Novellierung des Hessischen Sparkassengesetzes zu Rate. Das Gesetz ermöglicht den Trägern
der Sparkassen die Bildung von übertragbarem Stammkapital und ist damit ein erster Schritt zur
Beteiligung privater Investoren an öffentlich-rechtlichen Sparkassen.
Ihr Wirken in Berlin und Hessen
könnte für Freshfields massenweise Berateraufträge zur Folge haben. Denn bei den
deutschen Landesbanken geht es augenblicklich hoch her. Sie sollen bundesweit neu geordnet und
müssen teilweise konsolidiert werden. Einige stehen schon in Verhandlungen mit der EU-
Wettbewerbskommission. Diese sieht im Berliner Modell — verkleinern, Risiken auf die
Öffentlichkeit abwälzen, privatisieren — einen gangbaren Weg.
Auch hier zeigt sich, dass sich der
Staat von einer seiner elementarsten Funktionen, nämlich Regeln in Form von Gesetzen
vorzugeben, zugunsten privater Dienstleister längst verabschiedet hat.
Private Wirtschaftsprüfer
machen die Kontrolle und private Kanzleien machen die Gesetze — indem er dies zuließ, hat
sich der angeblich souveräne Staat selbst entstaatlicht. Und dadurch, dass der Staat
willfährig und auf Zuruf Gelder an marode Bankhäuser verteilt, macht er sich zum Ausschuss
einer überschaubaren Kaste, die lediglich qua Definition als „systemrelevant”
verstanden wird.
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