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Die LINKE in Deutschland gehört nicht zu den Verliererinnen der Wahl zum Europäischen
Parlament vom 7. Juni 2009. Sie hat ihr Stimmenergebnis gegenüber dem Ergebnis der PDS bei der
Europawahl 2004 um 400000 Stimmen auf 1,97 Millionen verbessert. Sie hat mit 8 Mandaten ein
zusätzliches Mandat im EU-Parlament gewonnen. Dennoch werden der Wahlkampf und das Ergebnis in
der Mitgliedschaft, der Anhängerschaft und in der veröffentlichten Meinung als
unbefriedigend und hinter den Erwartungen zurückgeblieben bewertet...
Das überragende politische
Ergebnis der Europawahl ist die Bestätigung der großen Legitimationsdefizite dieses
zentralen Projekts der herrschenden kapitalistischen Klasse in Europa bei ihrem Versuch, sich im
weltweiten Konkurrenzkampf zu behaupten. Fast 60% der Wahlberechtigten boykottierten die Wahl. Ein
Viertel der verbliebenen 40% stimmte zudem für Gegner der EU-Verträge. Es bleibt also die
für immer mehr kapitalistische Projekte typische Eindrittelunterstützung bei der
Bevölkerung. Würde sich dies in einem der von der bürgerlichen Klasse verteufelten
Staaten ereignen, wäre in den Medien von Wahlfarce und Schlag ins Gesicht der Herrschenden die
Rede, was in der Bild-Schlagzeile des Nachwahltags immerhin auch angedeutet wurde. Das Europa des
Kapitals und des Lissabonner Vertrags wird fast nur noch von einem Teil „der Alten und der
Gebildeten” angenommen, wie es der ARD-Moderator am Wahlabend zusammenfasste. Die EU-
Propaganda greift offensichtlich nur bei den Besserverdienenden, die zweifellos auch nur zu den
Gewinnern in der EU zählen.
Die konservativen und
bürgerlichen Parteien haben ihre politische Dominanz in Europa ausbauen können. Allerdings
mit einer Stärkung des nationalistischen und extrem rechten Flügels in ihren Reihen oder
an ihrem Rand. Das reflektiert die schon beim Krisenmanagement der EU-Regierungen in den letzten
Monaten aufbrechenden Meinungsverschiedenheiten der nationalen Einzelregierungen innerhalb der EU.
Wenn etwas bei dieser Wahl mobilisierend war, und zwar auf der rechten wie auf der linken Seite,
dann der mehr oder weniger konkretisierte „Euro-Skeptizismus”
Die europäische
Sozialdemokratie stürzt weiter ab. Zehn Jahre nach der in der Geschichte der Sozialdemokratie
größten politischen Zustimmung bei Wahlen und Regierungsführung in fast allen EU-
Staaten befinden sich die Parteien der Sozialistischen Internationale, insbesondere in ihren
Stammländern, im Sturzflug. Sie haben offensichtlich für lange Zeit ihre Hauptfunktion
erfüllt und die Staaten erfolgreich in das prokapitalistische und militaristische EU-Projekt
und in die aktuelle Austeritätspolitik geführt. Aber selbst in der größten Krise
vergisst Franz Müntefering, Vorsitzender der SPD, nicht auch noch die zweite große Aufgabe
der Sozialdemokratie: Sein zweiter Satz in jedem Kommentar am Wahlabend nach dem Jammern über
das eigene Abschneiden lautete: „Wir haben erfolgreich verhindert, dass die LINKE weiteren
Zulauf erhält.” Dieses schräge Selbstbewusstsein mag belächelt werden, aber
niemand sollte sich Illusionen machen: Die antikapitalistische Linke und namentlich die Partei DIE
LINKE zu bekämpfen, bleibt erklärte historische Aufgabe der SPD.
Die antikapitalistische Linke konnte ihren politischen Einfluss über die EU-Wahlen nicht
vergrößern. Die Fraktion GUE-NGL wird von 41 auf 33 Mitglieder aus 11 Staaten schrumpfen.
Die stärkste Gruppierung darin ist DIE LINKE mit ihren 8 Abgeordneten...
Gewonnen haben die Linken neben
nationalen Themen vor allem aus einer deutlichen Ablehnung des Lissabonner Vertrags.
Die LINKE verpasste
Mobilisierungserfolge aus dem Lager der Nichtwähler und mobilisierte nur die Hälfte der
Stimmen, die sie bei der Bundestagswahl 2005 erzielte — erreichte also gut 2 Millionen
Wähler nicht mehr. In den Westbundesländern steigerte sie ihre Stimmen gegenüber der
EU-Wahl 2004 um mehr als das Doppelte, in den Ostbundesländern verlor sie 100000 Stimmen. Wie
bei allen Wahlen wurde die LINKE auch diesmal überdurchschnittlich von Erwerbslosen und von
Männern im Alter zwischen 50 und 65 Jahren gewählt. Der Anteil derjenigen, die schon bei
den letzten Wahlen die LINKE gewählt haben ist hoch, höher als bei den anderen Parteien.
Die LINKE hat somit schon fast eine lokalisierbare Stammwählerschaft. Darin fehlen allerdings,
wie auch in der Mitgliedschaft, die Frauen. Die Charakterisierung als
„Protestwählerpartei” ist demnach falsch, im Gegenteil, es ist DER LINKEN nicht
gelungen, bei der EU-Wahl ein solches Image aufzubauen und damit Stimmen zu mobilisieren.
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