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Auch die Europawahlen im Juni haben der Partei der
kommunistischen Neugründung (Partito della Rifondazione Comunista — PRC) (oder dem,
was von ihr übrig geblieben ist) den Einzug in ein Parlament verwehrt.
Bei den Parlamentswahlen im
April 2008, zu denen die PRC zusammen mit den Grünen und der PdCI (Partei der
italienischen Kommunisten) im Wahlbündnis Sinistra Arcobaleno (Regenbogenlinke)
angetreten war, musste die PRC eine deutliche Niederlage einstecken — sie erhielt nur
3,5% der Stimmen; damit wurde erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs werde ein
Kommunist noch ein Sozialist zum Abgeordneten gewählt.
Auf dem außerordentlichen
Parteitag einen Monat später erhielt die Strömung, die sich auf den damaligen
Parteisekretär Fausto Bertinotti bezog, mit 47,3% die relative Mehrheit der
Delegiertenstimmen, wurde damit aber in die Opposition geschickt, weil die anderen drei
Strömungen, angeführt vom jetzigen Sekretär der Partei, Paolo Ferrero, ein
Abkommen schlossen. Ferrero war Minister in der Regierung Prodi gewesen.
Am 24./25.Januar 2009
beschloss die Bertinotti-Strömung, die PRC zu verlassen. Dabei nahm sie etwa ein Viertel
der über 80000 Mitglieder mit und gründete die „Bewegung für die
Linke” (Movimento per la sinistra); zusammen mit den Grünen trat sie bei der
Europawahl mit der Liste Sinistra e Libertà (Linke und Freiheit) an. Die Grünen
haben sich anlässlich der Spaltung von Rifondazione auf die Seite Bertinottis geschlagen.
Bei den Europawahlen konnten
beide Listen, Sinistra e Libertà und Lista anticapitalista (PRC und PdCI), die
Sperrklausel von 4% nicht überwinden. Angesichts dieses Desasters bleibt nur die Frage:
Wie konnte dies kommen?
Entstanden war die PRC 1991 durch den Zusammenschluss der Minderheit der Italienischen
Kommunistischen Partei (PCI) mit den Resten der Neuen Linken der 70er Jahre um Democrazia
Proletaria. Vorangegangen war die Spaltung der PCI auf dem Kongress in Bologna 1991: Die
Minderheit der Partei war nicht bereit, den langen Weg mitzugehen, der die Führungsgruppe
der PCI schließlich in die Demokratische Partei (PD) führen würde. Diese
Transformation einer KP in eine liberale Partei war international ein beispielloser Prozess.
Wo die PRC landen würde,
war nicht vorher bestimmt. Ihr ruhmloses Ende ist zugleich das Ergebnis einer Reihe
struktureller Mängel, einer objektiven, breiteren Dynamik, wie auch politischer
Entscheidungen, die nicht unvermeidlich waren.
Zu den Faktoren, die die
Entwicklung der PRC beeinflusst haben, zählt die lange Phase von Niederlagen der
Arbeiterbewegung seit dem Ende der 70er Jahre. Das war eine Periode, in der die Arbeiterklasse
einen großen Teil ihrer zuvor erkämpften Errungenschaften durch frontale Angriffe,
Sparpolitik und eine stillschweigende, aber fortgesetzte Erosion wieder einbüßte,
weil die Bourgeoisie immer weniger zu Zugeständnissen bereit war. Als Fausto Bertinotti
anlässlich des Bruchs der PRC mit der ersten Regierung Prodi (1998) und auf dem
darauffolgenden Parteitag sagte, in der derzeitigen Phase der kapitalistischen Globalisierung
gebe es keine Spielräume mehr für Reformismus, hätte er gut daran getan, ein
wenig ernster zu nehmen, was er vielleicht instinktiv gewittert hatte. Dass die
Spielräume des Reformismus verschwanden, hat der italienische Kapitalismus mit sozialen
Konterreformen und Angriffen zu verstehen gegeben, auf die nicht einmal die
globalisierungskritische Bewegung bei all ihrer Lebendigkeit eine angemessene Antwort gefunden
hat.
Es ist nicht ausgemacht, dass
man dem Aufbau einer antikapitalistischen Linken dauerhaft die Stange halten kann, wenn man
ständig gegen den Strom schwimmen muss. Gewiss hat diese allgemeine Situation die interne
Dynamik der PRC beeinflusst. Und doch reicht sie nicht aus, ihre Regression zu erklären.
Es lassen sich zumindest drei Elemente ausmachen, die zu dem Ergebnis geführt haben.
Erstens: Vor dem Hintergrund
wiederholter Niederlagen und dem Ausbleiben selbst von Teilerfolgen war Rifondazione nie in
der Lage — ihre Führungsgruppe schon gar nicht — sich gut innerhalb der
Arbeiterklasse zu verankern. Die Intervention der PRC in die sozialen Bewegungen und ihre
Verankerung darin lässt sich als Parabel zeichnen, deren Scheitelpunkt die zwei bis drei
Jahre Engagement in der globalisierungskritischen Bewegung war. Danach stürzte sie rasant
ab — bis zur dramatischen Loslösung der Partei von der Arbeiterklasse, die auch ihr
miserables Wahlergebnis zuletzt zur Folge hatte.
Auch in den besseren Jahren,
2001 und vor dem Parteitag 2002 mit seiner Hinwendung zu den Bewegungen, war die Führung
von Rifondazione nie in der Lage, eine kohärente Strategie für die eigene
gesellschaftliche Verankerung zu entwickeln, die die Partei befähigt hätte, bei
Wahrung der notwendigen Autonomie der sozialen Bewegungen auf unsektiererische Weise eine
klare politische Linie zu verfolgen. So hat sie ständig geschwankt zwischen dem Druck der
Bewegungen — was oft in ihre unkritische Anbetung und die Fetischisierung ihrer
„spontanen Weisheit” mündete, die die Entwicklung eines politischen Projekts
und einer politischen Führung überflüssig zu machen schien — und dem
spiegelbildlichen Gegenstück, nämlich der Tendenz, Politik völlig
unabhängig von den Regungen in der Gesellschaft zu betreiben und ihre Ziele dabei
losgelöst vom Entwicklungsrhythmus der sozialen Bewegungen zu verfolgen.
Das vielleicht eklatanteste
Beispiel für das Fehlen einer kohärenten Strategie der sozialen Verankerung war die
Intervention der PRC in den Gewerkschaften: In all den Jahren war die Partei nicht in der
Lage, ausgehend von der Herstellung einer Einheit der linken Gewerkschaftsströmungen von
unten, den Wiederaufbau einer klassenkämpferischen Gewerkschaft zu betreiben.
Zweitens: In den 18 Jahren
ihres Bestehens hat die PRC nie wirklich mit den bürokratischen Traditionen der
Togliatti-PCI gebrochen. In erster Linie betrifft dies die interne Demokratie und den Aufbau
des Kaders. Die Erneuerungsversuche, vom Parteitag 2002 an die große Glocke gehängt,
erwiesen sich als Seifenblase. In der PRC hat sich ein Organisationsmodell durchgesetzt, das
das organisationsinterne Tendenzrecht leugnete — die parteiinternen Strömungen
waren lange Zeit verboten, man durfte nur ein Dokument auf dem Parteitag vorstellen und sich
darum herum organisieren, das war alles. Auf vielen Parteitagen hatte man nicht das Recht,
Änderungsanträge zu einem Dokument zu stellen; wer nicht einverstanden war, musste
ein komplettes Gegendokument vortragen. Und die Führungsgruppe wurde vorwiegend durch
Kooptation erneuert — und das eher auf der Basis von Willfährigkeit und
Zuverlässigkeit als auf der Basis realer Fähigkeiten. Dadurch hat die PRC eine
Führungsgruppe hervorgebracht, die eine gewisse Neigung zum Opportunismus hatte und an
den eigenen Privilegien klebte.
Das Fehlen eines wirklichen
Bruchs mit den Traditionen der Togliatti-PCI führt drittens zur Frage des Programms. Die
PRC hat die für die PCI charakteristische reformistische Konzeption der
gesellschaftlichen Transformation fortgesetzt.
Hauptursache dafür war
vielleicht ihr kurzes Gedächtnis, anders gesagt ihre Unfähigkeit, die Geschichte der
Arbeiterbewegung aufzuarbeiten, mit allen Strömungen der Arbeiterbewegung eine offene und
umfassende Debatte über die Vergangenheit und Zukunft zu führen und eine reale
programmatische Grundsatzdebatte anzustoßen, die dazu beigetragen hätte, der Partei
eine Identität zu geben. Von Parteitag zu Parteitag hat vor allem die Frage des
Verhältnisses zur sozialliberalen „Linken” eine Rolle gespielt; sie hat
größere interne Erschütterungen ausgelöst und die tiefsten Wunden
gerissen.
Dennoch hat die PRC ihr
Verhältnis zum Sozialliberalismus im Kern nie programmatisch geklärt. Ständig
pendelte sie zwischen Bewegungslinken und Regierungsbeteiligung. So verlor die PRC nach links
und nach rechts Mitglieder, Aktivisten, Energien und auch Glaubwürdigkeit.
Dem wurde in den letzten
Jahren noch die Krone aufgesetzt mit einer regelrechten historischen und theoretischen
Revision, die alles in einen Topf geworfen hat: die Oktoberrevolution zusammen mit dem
Stalinismus, die herausragendsten Beispiele von Arbeitermacht zusammen mit ihrer
bürokratische Entartung, die Selbstverteidigung der Revolution zusammen mit der
militaristischen Degeneration von Bewegungen.
Wenn dies die strukturellen und nie überwundenen Grenzen von Rifondazione waren, war
das Ergebnis dann absehbar? Keineswegs. Es war vor allem nicht absehbar, dass der Teil des
Führungskerns, der aus der Neuen Linken und insbesondere aus Democrazia Proletaria (DP)
stammte, die Wende zur Regierungsbeteiligung mitvollziehen würde, indem sie Paolo Ferrero
ins Ministeramt schickte. Die kommunistische Linke aus der Togliatti-Tradition hätte sich
reformieren müssen, stattdessen hat sich der aus DP stammende Teil ihr angepasst und
dabei nicht nur ihre organisatorischen Formen übernommen, sondern auch das alte Lied von
der Partei des Kampfes und der Regierung gesungen.
Wäre die Geschichte
anders ausgegangen, wenn dieser Führungskern stattdessen beschlossen hätte, eine
starke parteiinterne Linke aufzubauen? Wahrscheinlich ja.
Bei all ihren
Beschränkungen hat die globalisierungskritische Bewegung es für einen kurzen
Zeitraum ermöglicht, dass sich die Partei positiv verändert und einen Sprung nach
vorne macht in Richtung einer starken antagonistischen Linken. Eine neue Generation war
aufgetaucht, die sich in Demonstrationen, auf den Sozialforen politisierte und in vielen
Formen organisiert war.
Diese Bewegung verlieh der
Partei, die immer noch die größte auf der radikalen Linken in Europa war, neuen
Schwung; dadurch schien sich eine neue Debatte zu eröffnen. Dass diese Phase so traurig
enden würde, stand einmal mehr nicht von vornherein fest. Die politischen Wendungen
werden von Menschen mit Vor- und Zunamen getragen, und die Wende von 2003 bleibt mit dem Namen
von Fausto Bertinotti und der Führungsgruppe verbunden, die Rifondazione widerstandslos
in die Arme der Mitte-Links-Koalition geführt hat.
Nochmal: Selbst vor dem
Hintergrund der schwierigen objektiven Bedingungen, der Last der Niederlagen und der
strukturellen Beschränkungen von Rifondazione blieb ein Restspielraum, in dem es die
subjektiven Entscheidungen waren, die für den Fortgang der Dinge den Ausschlag gaben.
(Übersetzung: Hans-Günter Mull)
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