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Ein Boot voller Touristen gleitet den Amazonas entlang, es wird
langsamer, am Ufer stehen Eingeborene, Gesichter und Körper bemalt, Pfeil und Bogen in
der Hand. Die Touristen und die Menschen am Ufer blicken einander an. So langsam, wie das Boot
am ursprünglichen Urwaldleben vorbei gleitet, gleiten wir in den Film hinein.
Bald merken wir, dass das, was
die Touristen sehen, nur inszeniertes Begleitprogramm ihres Ausflugs auf dem Fluss war, die
Indios wurden angeheuert, sie leben im Reservat, an den Rand gedrängt, Statisten in einer
Welt, die einst die ihre war. Zwei der jugendlichen Indios gehen jagen und finden zwei junge
Mädchen erhängt an einem Baum. Nahe ihrem Fundort werden sie beerdigt, die Mutter
eines der Mädchen wirft Handy und Kleider ins Grab ihrer Tochter, moderne Grabbeigaben.
Eine Gruppe von Indios vom Stamm der Guaraní-Kaiowa verlässt das Reservat,
durchquert eine moderne Stadt auf ihrem Pferdekarren, Autos fahren vorbei, mit ihnen
Tonfetzen, Andeutungen des modernen Brasilien - der Film spielt im Bundesstaat Mato Grosso do
Sul.
In Brasilien leben noch etwa
46000 Angehörige des Volkes der Guaraní, in Paraguay etwa 42000; dort ist ihre
Sprache neben Spanisch auch Landessprache. Sie waren eines der ersten Völker, mit denen
die europäischen Eroberer vor rund 500 Jahren in Kontakt kamen. In ihrer Religion steht
die Beziehung zu ihrem Land im Mittelpunkt, Land ist der Ursprung allen Lebens und ein
Geschenk des „Großen Vaters”
Im Film wird das klar, als die
kleine Gruppe Guaraní Land besetzt, wo ihre Ahnen liegen, Tekoha, ein Brachland neben
einem großen Ackerland. Nach und nach nehmen sie es in Besitz. Ihr Anführer ist
Nadio. Auf dem Feld lässt sich in einem schäbig aussehenden Wohnwagen ein
„Cowboy” nieder, angeheuert vom Besitzer des Feldes (auf dem, wie wir aus dem
Presseheft erfahren, genmanipulierte Pflanzen wachsen), um den Besitz zu überwachen. Der
Besitzer wohnt nicht weit entfernt in einem komfortablen, kolonialen Landhaus, gemeinsam mit
den Touristen, die vor allem hierher kommen, um Vögel zu beobachten.
Ganz langsam entwickeln sich
die Dinge; während der „Kolonialherr” auch legal nichts gegen die
„Eindringlinge” unternehmen kann, ist seine Tochter einfach neugierig, sie
verliebt sich in einen der jungen Indios.
Der Versuch des Neuanfangs
außerhalb des Reservats ist schwierig, Nadio will nicht, dass jemand von der Gruppe
für die Weißen arbeitet, der Wald soll sie ernähren. Doch die Frauen
rebellieren, im Wald ist nichts mehr, nur Angues, der böse Geist.
Der Film bezieht klar
Stellung, malt aber nicht schwarz-weiß. Nadio ist keineswegs nur der stolze,
unbestrittene Anführer seiner Gruppe, seine Schwäche wird vor allem im Kontrast zu
den bestimmenden Frauen der Gruppe deutlich. Das tut dem Film gut, auch die Tatsache, dass der
Regisseur Marco Bechis sich auf Bilder verlässt und auf die Stärke seiner
Darsteller.
Brasilien ist neues Terrain
für den Regisseur Marco Bechis, er hat jedoch Erfahrung mit politisch engagierten Filmen.
Seit Beginn der 1980er lebt er in Mailand, er wurde aber in Chile als Sohn einer Chilenin und
eines Italieners geboren. Später zog die Familie nach Buenos Aires, wo Bechis als junger
Grundschullehrer mit der Militärdiktatur in Konflikt geriet. Er wurde verhaftet und war
sogar einige Tage in einem Folterlager — erst auf Druck seiner Eltern wurde er in ein
normales Gefängnis verlegt. Wenig später emigrierte er nach Italien.
Seine eigenen Erfahrungen in
Argentinien mündeten in seinen erfolgreichsten Film, Junta. Eine junge Studentin wird von
der Militärpolizei verhaftet und findet im Gefängnis ihren schüchternen, in sie
verliebten Mitbewohner wieder — als einen der Verhörspezialisten.
Während Junta sehr
konkret und beklemmend ist, ist Birdwatchers. Das Land der roten Menschen eine Parabel. Marco
Bechis nimmt hier die Perspektive der Guaraní ein, sie sind die Hauptfiguren. Bechis
vermeidet konkrete Informationen während des Films, doch er führt uns sachte und
klug in eine ganz fremde Welt hinein und erzeugt den Wunsch, viel mehr darüber zu
erfahren.
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