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"Denkst du nie an die Zeit im Libanon? Nein. Eigentlich
nicht. Wirklich nicht? Nein. Beirut, Sabra und Shatila? Sabra und Shatila? Du bist doch nur
einhundert Meter vom Massaker entfernt gewesen. Das stimmt nicht. Das waren mindestens,
äh, zwei-, dreihundert Meter. Ehrlich gesagt, ich weiß davon nichts mehr. Ich
habs nicht im System.
Dieses längere Zitat aus
der Eingangssequenz von Waltz with Bashir führt direkt in das Thema des Films. Ari
Folmann, 1982 als Wehrpflichtiger in der israelischen Armee und Teilnehmer am damaligen
Libanonfeldzug, versucht seine lange verdrängten Kriegserinnerungen zu rekonstruieren.
Dazu bemüht er neben einem Psychologen mehrere Gleichaltrige, die mit ihm zusammen in der
Armee waren. Er interviewt sie und setzt ihre Erinnerungen in Filmsequenzen um. Das ist der
Film Waltz with Bashir, der erste Dokumentartrickfilm der Filmgeschichte.
Mit Bashir ist Bashir Gemayel
gemeint, ein Politiker der libanesischen christlichen Phalange-Partei (arabisch:
Kataib), der 1982 als gewählter Präsident des Libanon ermordet wurde. Der Mord
wurde der PLO in die Schuhe geschoben, die israelische Armee besetzte daraufhin das
muslimische West-Beirut, wo die Milizen der Phalange sich mit einem Massaker an
palästinensischen Zivilisten im Flüchtlingslager Sabra und Shatila für die
Ermordung ihres Idols Bashir Gemayel rächten. Abgesehen davon, dass die Verantwortung der
PLO für den Mord nie nachgewiesen werden konnte, waren die bewaffneten
palästinensischen Kämpfer zum Zeitpunkt des Massakers längst nach Tunis
abgezogen.
Die Phalangisten verübten
ihre Morde unter den Augen der israelischen Armee. Ari Folmann: „Eines ist jedenfalls
sicher: Die christlichen Milizen der Phalangisten sind für das Massaker voll
verantwortlich. Die israelischen Soldaten hatten nichts damit zu tun. Was die israelische
Regierung anbetrifft — nur sie kennt das volle Ausmaß ihrer
Verantwortlichkeit."
Nach Aussage des Regisseurs
sollte es von Anfang an ein Animationsfilm werden. Ein klassischer Dokumentarfilm mit Talking
Heads vor schwarzem Hintergrund ohne Archivmaterial wäre nach Folmanns Ansicht langweilig
geworden. „Krieg ist so surreal, und unsere Erinnerung ist so trickreich, dass ich
[Folmann] dachte, es wäre besser, diese Reise in die Erinnerung mit der Hilfe
hervorragender Illustratoren anzutreten.” Die hat er in der Tat gefunden. Damit wurde
der animierte Dokumentarfilm erfunden.
Es wurde zunächst ein
Drehbuch geschrieben und mit realen Personen und den Interviews in einem Studio verfilmt.
Aufgrund dieses Videofilms wurde ein Storyboard gezeichnet, das gefilmt zu einem Videoboard
wurde. Aufgrund dieses Videoboards oder Animatic entstanden die Illustrationen, die
schließlich animiert wurden.
Herausgekommen ist einer der
beeindruckendsten Antikriegsfilme der Filmgeschichte. Denn durch die Animation werden die
Geschichten intensiver und eindrucksvoller. Da man keine Rücksicht auf die
Leistungsfähigkeit von Schauspielern und Stuntmen zu nehmen braucht, wird die Darstellung
des Krieges gewissermaßen realistischer — so weit, wie das in einem Film
möglich ist.
Der Film wurde mit Preisen
überhäuft. Einige verübelten es dem Regisseur, dass er sich nicht eindeutig zu
dem jüngsten Feldzug der israelischen Armee in Gaza geäußert hat. Vielleicht
denkt er, dass sein Film für sich spricht und als Kritik an allen Kriegen überall
eine eindeutige Sprache spricht. In einem Interview antwortete er auf die Frage „Und wie
stehen Sie zum Krieg?": „Krieg ist so unglaublich unnütz."
Der Film lief im Herbst 2008
in den deutschen Kinos. Im Mai 2009 ist er auf DVD erschienen. Die Anschaffung fürs
Pantoffelkino lohnt sich, da man sich diesen Film auch mehrmals anschauen kann. Man entdeckt
immer wieder etwas Neues.
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