SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2009, Seite 25

Waltz with Bashir, Israel 2008

Buch, Produktion, Regie: Ari Folmann, Art Director/Illustrator: David Polonsky, DVD, Pandora Film

von Andreas Bodden

"Denkst du nie an die Zeit im Libanon? Nein. Eigentlich nicht. Wirklich nicht? Nein. Beirut, Sabra und Shatila? Sabra und Shatila? Du bist doch nur einhundert Meter vom Massaker entfernt gewesen. Das stimmt nicht. Das waren mindestens, äh, zwei-, dreihundert Meter. Ehrlich gesagt, ich weiß davon nichts mehr. Ich hab‘s nicht im System.
Dieses längere Zitat aus der Eingangssequenz von Waltz with Bashir führt direkt in das Thema des Films. Ari Folmann, 1982 als Wehrpflichtiger in der israelischen Armee und Teilnehmer am damaligen Libanonfeldzug, versucht seine lange verdrängten Kriegserinnerungen zu rekonstruieren. Dazu bemüht er neben einem Psychologen mehrere Gleichaltrige, die mit ihm zusammen in der Armee waren. Er interviewt sie und setzt ihre Erinnerungen in Filmsequenzen um. Das ist der Film Waltz with Bashir, der erste Dokumentartrickfilm der Filmgeschichte.
Mit Bashir ist Bashir Gemayel gemeint, ein Politiker der libanesischen christlichen Phalange-Partei (arabisch: Kata‘ib), der 1982 als gewählter Präsident des Libanon ermordet wurde. Der Mord wurde der PLO in die Schuhe geschoben, die israelische Armee besetzte daraufhin das muslimische West-Beirut, wo die Milizen der Phalange sich mit einem Massaker an palästinensischen Zivilisten im Flüchtlingslager Sabra und Shatila für die Ermordung ihres Idols Bashir Gemayel rächten. Abgesehen davon, dass die Verantwortung der PLO für den Mord nie nachgewiesen werden konnte, waren die bewaffneten palästinensischen Kämpfer zum Zeitpunkt des Massakers längst nach Tunis abgezogen.
Die Phalangisten verübten ihre Morde unter den Augen der israelischen Armee. Ari Folmann: „Eines ist jedenfalls sicher: Die christlichen Milizen der Phalangisten sind für das Massaker voll verantwortlich. Die israelischen Soldaten hatten nichts damit zu tun. Was die israelische Regierung anbetrifft — nur sie kennt das volle Ausmaß ihrer Verantwortlichkeit."
Nach Aussage des Regisseurs sollte es von Anfang an ein Animationsfilm werden. Ein klassischer Dokumentarfilm mit Talking Heads vor schwarzem Hintergrund ohne Archivmaterial wäre nach Folmanns Ansicht langweilig geworden. „Krieg ist so surreal, und unsere Erinnerung ist so trickreich, dass ich [Folmann] dachte, es wäre besser, diese Reise in die Erinnerung mit der Hilfe hervorragender Illustratoren anzutreten.” Die hat er in der Tat gefunden. Damit wurde der animierte Dokumentarfilm erfunden.
Es wurde zunächst ein Drehbuch geschrieben und mit realen Personen und den Interviews in einem Studio verfilmt. Aufgrund dieses Videofilms wurde ein Storyboard gezeichnet, das gefilmt zu einem Videoboard wurde. Aufgrund dieses Videoboards oder Animatic entstanden die Illustrationen, die schließlich animiert wurden.
Herausgekommen ist einer der beeindruckendsten Antikriegsfilme der Filmgeschichte. Denn durch die Animation werden die Geschichten intensiver und eindrucksvoller. Da man keine Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit von Schauspielern und Stuntmen zu nehmen braucht, wird die Darstellung des Krieges gewissermaßen realistischer — so weit, wie das in einem Film möglich ist.
Der Film wurde mit Preisen überhäuft. Einige verübelten es dem Regisseur, dass er sich nicht eindeutig zu dem jüngsten Feldzug der israelischen Armee in Gaza geäußert hat. Vielleicht denkt er, dass sein Film für sich spricht und als Kritik an allen Kriegen überall eine eindeutige Sprache spricht. In einem Interview antwortete er auf die Frage „Und wie stehen Sie zum Krieg?": „Krieg ist so unglaublich unnütz."
Der Film lief im Herbst 2008 in den deutschen Kinos. Im Mai 2009 ist er auf DVD erschienen. Die Anschaffung fürs Pantoffelkino lohnt sich, da man sich diesen Film auch mehrmals anschauen kann. Man entdeckt immer wieder etwas Neues.


Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo

  Sozialistische Hefte 17   Sozialistische Hefte
für Theorie und Praxis

Sonderausgabe der SoZ
42 Seiten, 5 Euro,

Der Stand der Dinge
Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge   Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken   Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus   Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus   Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden   Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität





zum Anfang