SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2009, Seite 26

Mord & Todschlag

Stieg Larsson, Vergebung, München: Heyne, 2009, 861 S., 9,95 uro.

Deon Meyer, Der Atem des Jägers, Berlin: Aufbau, 2009, 428 S., 9,95 Euro.

Robert Wilson, Die Masken des BösenMünchen: Goldmann, 2009, 640 S., 9,95 Euro. ,

John Farrow, Eishauch, München: Knaur, 2009, 587 S., 8,95 Euro.

von Udo Bonn

Wer mit dem Auto in den Urlaub fahren sollte und vergessen hat, sich ausreichend spannende Urlaubslektüre einzupacken, wird in dem ansonsten miesen Buchangebot der Autobahnraststätten und Tankstellen Stieg Larssons Vergebung als Taschenbuchausgabe finden und diejenigen glücklich machen, die schon von den beiden Vorgängerromanen begeistert waren. Vergebung führt die Geschichte von Verdammnis unmittelbar fort, Lisbeth Salander und ihr Vater werden schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht, nur ein Flur trennt die sich aufs Blut hassenden Todfeinde, die bei ihrer langsamen Erholung ständig darauf sinnen, sich gegenseitig umzubringen. Währenddessen arbeitet der Journalist Mikael Blomkvist an einem Hintergrundbuch über die Verstrickungen der Sicherheitspolizei in die Affäre um den russischen Spion und Überläufer Alexander Zalatschenko, Lisbeth Salanders Vater. Doch die alten Herrschaften der SiPo, die in Zeiten des Kalten Krieges eine irreguläre Abteilung gegründet hatten, bereiten ihre Verteidigung durch Mord, Intrigen und Fälschung vor: Lisbeth Salander soll mit allen Mitteln wieder in die geschlossene Anstalt gebracht werden, um sie als gerichtlich bestätigte Irre auf Dauer mundtod zu machen.

Ins Sommer-Lesepaket sollte man unbedingt auch Deon Meyers Roman Der Atem des Jägers packen, das zweite Buch um den ehemaligen südafrikanischen Freiheitskämpfer Thobela, dessen Hoffnung auf ein selbstbestimmtes Leben auf einem Stückchen Land in dem Moment zerstört wird, wo sein Stiefsohn Pakamile während eines Tankstellenüberfalls von flüchtenden Kleinkriminellen erschossen wird. Die Wut über deren Freilassung macht Thobela wieder zum Jäger, diesmal sind es nicht die Stützen des alten Apartheidregimes sondern Kinderschänder, die mit ihrem Leben für ihre Verbrechen zahlen sollen. Thobelas Gegenspieler ist Detective Griessel, dessen Frau ihn wegen unkontrollierbarer Alkoholsucht rausgeschmissen hat und der nur langsam begreift, dass er nur noch eine Chance hat, sich und seine Familie zu retten.

Eine fürchterliche Bombenexplosion hat Sevilla erschüttert und alle deuten ihn als einen Akt islamischen Terrorismus. Davon ist Inspektor Javier Falcon nicht überzeugt, nicht zuletzt, weil in einem der Gebäude eine Moschee untergebracht war. Einfach machen die unterschiedlichen Geheimdienste seine Arbeit nicht, zu sehr sind sie darauf erpicht, Spuren nach politischen Vorgaben zu verfolgen. Während Falcons Ermittlungen bricht sein nahes und entfernteres Umfeld zusammen, die alltägliche Gewalt und Verkommenheit steht in ihrer Dynamik auf gleicher Augenhöhe mit den großen Verbrechen. Was Robert Wilsons jetzt als Taschenbuch erschienenen Roman Die Masken des Bösen von den meisten (in der Mehrzahl angelsächsischen) Krimis unterscheidet, die sich mit Islamismus und daraus abgeleitetem Terror beschäftigen, ist seine differenzierte Betrachtungsweise, die Suche nach Unterscheidungen und die strikte Vermeidung von Schuldzuweisungen.

Nach der Empfehlung von drei bekannten Autoren hier jemand neues: John Farrow hat Eishauch geschrieben, der Orginaltitel City of Ice kommt der Atmosphäre im Montreal der 90er Jahre noch näher. Der frankokanadische Detective Emil Cinq-Mars ist ein Musterbulle, er braucht nur am Telefonhörer zu sitzen und auf Informantentips zu warten und schon kommt es wieder zu Verhaftungen und Verurteilungen. Dies zieht Neider im ganzen Revier nach sich. Doch mit dieser Erfolgsgeschichte ist an Heiligabend Schluss, als einer seiner wichtigsten Informanten ermordet aufgefunden wird. War es ein Racheakt von Seiten seiner Kollegen oder die Aktion einer der rivalisierenden Motorradbanden? Cinq-Mars hatte sich damals geweigert, sich der polizeilichen Sondertruppe Wolverines anzuschliessen, die alarmiert durch den Zuzug von Hells Angels in die Montrealer Innenstadt einen Bandenkrieg befürchteten. Aber wahrscheinlich muss er sich jetzt mit ihnen und ihren neuen Hintermännern auseinandersetzen, die nicht mehr in italienischen Restaurants residieren sondern von russischen Frachtern aus zu operieren scheinen. In die Quere kommt Cinq-Mars ein ausländischer Agent, der eine junge Frau in die Bikerszene einschleusen will — und um deren Leben es jetzt geht. Exzellent und hoch spannend.


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