SoZ - Sozialistische Zeitung |
Wer mit dem Auto in den Urlaub fahren sollte und vergessen hat, sich ausreichend spannende
Urlaubslektüre einzupacken, wird in dem ansonsten miesen Buchangebot der
Autobahnraststätten und Tankstellen Stieg Larssons Vergebung als Taschenbuchausgabe finden und
diejenigen glücklich machen, die schon von den beiden Vorgängerromanen begeistert waren.
Vergebung führt die Geschichte von Verdammnis unmittelbar fort, Lisbeth Salander und ihr Vater
werden schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht, nur ein Flur trennt die sich aufs Blut hassenden
Todfeinde, die bei ihrer langsamen Erholung ständig darauf sinnen, sich gegenseitig
umzubringen. Währenddessen arbeitet der Journalist Mikael Blomkvist an einem Hintergrundbuch
über die Verstrickungen der Sicherheitspolizei in die Affäre um den russischen Spion und
Überläufer Alexander Zalatschenko, Lisbeth Salanders Vater. Doch die alten Herrschaften
der SiPo, die in Zeiten des Kalten Krieges eine irreguläre Abteilung gegründet hatten,
bereiten ihre Verteidigung durch Mord, Intrigen und Fälschung vor: Lisbeth Salander soll mit
allen Mitteln wieder in die geschlossene Anstalt gebracht werden, um sie als gerichtlich
bestätigte Irre auf Dauer mundtod zu machen.
Ins Sommer-Lesepaket sollte man unbedingt auch Deon Meyers Roman Der Atem des Jägers
packen, das zweite Buch um den ehemaligen südafrikanischen Freiheitskämpfer Thobela,
dessen Hoffnung auf ein selbstbestimmtes Leben auf einem Stückchen Land in dem Moment
zerstört wird, wo sein Stiefsohn Pakamile während eines Tankstellenüberfalls von
flüchtenden Kleinkriminellen erschossen wird. Die Wut über deren Freilassung macht Thobela
wieder zum Jäger, diesmal sind es nicht die Stützen des alten Apartheidregimes sondern
Kinderschänder, die mit ihrem Leben für ihre Verbrechen zahlen sollen. Thobelas
Gegenspieler ist Detective Griessel, dessen Frau ihn wegen unkontrollierbarer Alkoholsucht
rausgeschmissen hat und der nur langsam begreift, dass er nur noch eine Chance hat, sich und seine
Familie zu retten.
Eine fürchterliche Bombenexplosion hat Sevilla erschüttert und alle deuten ihn als
einen Akt islamischen Terrorismus. Davon ist Inspektor Javier Falcon nicht überzeugt, nicht
zuletzt, weil in einem der Gebäude eine Moschee untergebracht war. Einfach machen die
unterschiedlichen Geheimdienste seine Arbeit nicht, zu sehr sind sie darauf erpicht, Spuren nach
politischen Vorgaben zu verfolgen. Während Falcons Ermittlungen bricht sein nahes und
entfernteres Umfeld zusammen, die alltägliche Gewalt und Verkommenheit steht in ihrer Dynamik
auf gleicher Augenhöhe mit den großen Verbrechen. Was Robert Wilsons jetzt als Taschenbuch
erschienenen Roman Die Masken des Bösen von den meisten (in der Mehrzahl angelsächsischen)
Krimis unterscheidet, die sich mit Islamismus und daraus abgeleitetem Terror beschäftigen, ist
seine differenzierte Betrachtungsweise, die Suche nach Unterscheidungen und die strikte Vermeidung
von Schuldzuweisungen.
Nach der Empfehlung von drei bekannten Autoren hier jemand neues: John Farrow hat Eishauch
geschrieben, der Orginaltitel City of Ice kommt der Atmosphäre im Montreal der 90er Jahre noch
näher. Der frankokanadische Detective Emil Cinq-Mars ist ein Musterbulle, er braucht nur am
Telefonhörer zu sitzen und auf Informantentips zu warten und schon kommt es wieder zu
Verhaftungen und Verurteilungen. Dies zieht Neider im ganzen Revier nach sich. Doch mit dieser
Erfolgsgeschichte ist an Heiligabend Schluss, als einer seiner wichtigsten Informanten ermordet
aufgefunden wird. War es ein Racheakt von Seiten seiner Kollegen oder die Aktion einer der
rivalisierenden Motorradbanden? Cinq-Mars hatte sich damals geweigert, sich der polizeilichen
Sondertruppe Wolverines anzuschliessen, die alarmiert durch den Zuzug von Hells Angels in die
Montrealer Innenstadt einen Bandenkrieg befürchteten. Aber wahrscheinlich muss er sich jetzt
mit ihnen und ihren neuen Hintermännern auseinandersetzen, die nicht mehr in italienischen
Restaurants residieren sondern von russischen Frachtern aus zu operieren scheinen. In die Quere
kommt Cinq-Mars ein ausländischer Agent, der eine junge Frau in die Bikerszene einschleusen
will — und um deren Leben es jetzt geht. Exzellent und hoch spannend.
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