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Sie prangt auf Litfasssäulen, elektronischen Roll-Ups und
Plakatwänden — die Kampagne der IG Metall „Deine Stimme für ein gutes
Leben” Nach Angaben aus Frankfurt wird hier das Ergebnis der größten Befragung
verkündet, die Gewerkschaften je durchgeführt hätten. 450000 Gewerkschafter im
Organisationsbereich der IG Metall haben einen Fragebogen ausgefüllt, in dem danach
gefragt wurde, was für sie gutes Leben ist. Den Befragen waren 27 Fragen vorgegeben, die
auf einer Skala von „sehr wichtig” bis „unwichtig” zu bewerten waren.
Ob es also wichtig sei, einen sicheren Arbeitsplatz zu haben, Arbeit und Leben miteinander
verbinden zu können, vom Einkommen gut zu leben, für die Zukunft abgesichert zu
sein, nicht durch Arbeit zu erkranken...
Wer hätte das gedacht?
Die befragten IG-Metall-Mitglieder kreuzten an, dass ihnen all diese Fragen wichtig sind. War
denn anzunehmen, dass sie es voll geil finden, wenn der Arbeitsplatz immer auf der Kippe
steht, oder dass sie es schade finden, wenn sie noch im Hellen zu Partnern und Kindern nach
Hause dürfen?
Solcherart Umfragen sind
vertane Zeit. Die zu ermittelnden Ergebnisse sind bereits bekannt, bürgerliche Zeitungen
haben sie veröffentlicht. Wir stehen voraussichtlich vor den größten
Massenentlassungen in der Geschichte der Bundesrepublik und vor fundamentalen Angriffen auf
den Sozialstaat. Und was macht der IG-Metall-Vorstand? Er lässt seine Mitglieder
Selbstverständlichkeiten ankreuzen und organisiert zum Abschluss der Kampagne am
5.September ein großes Event in der Frankfurter Arena, bei dem die aus 164
Verwaltungsstellen angereisten Mitglieder Bertold Huber, Detlef Wetzel und Regina Görner
wie Popgrößen erleben dürfen.
Die zentrale Botschaft der
IGM-Kampagne an die Parteien lautet: „Hört auf die Menschen!” Nicht auf die
Hauskatzen oder die Fledermäuse. Vor dem geistigen Auge erscheint einem der Papst, der
seine segnende Hand ausstreckt und eine heiligende Wirkung verspricht. Bekommen wir in der
Krise aber nicht aufs Eindrucksvollste vorgeführt, dass „die Menschen” im
gegenwärtigen Kapitalismus sehr Entgegengesetztes als vernünftig ansehen? Wäre
es da nicht hilfreich zu sagen, für welche und gegen welche Menschen eine Gewerkschaft
Partei ergreifen will, statt noch das salbungsvolle Gedröhn der Kanzlerin zu
überbieten?
Hoch bezahlte
Gewerkschaftsangestellte empfehlen sich hier als harmoniebewusste Krisenmanager. So heißt
es im offiziellen Begleittext der Kampagne: „Wir stellen die Forderungen nicht als
politische Gegner, sondern als starke Gewerkschaft, die jeden Tag mit den realen
Verhältnissen konfrontiert ist und die das Votum ihrer Mitglieder und Beschäftigten
hat. Wir erwarten jetzt, dass die Meinungen und Anforderungen in praktische Politik zugunsten
der Mehrheit der Menschen umgesetzt werden.” Erwartet man von der wohl bevorstehenden
schwarz-gelben Koalition Reue und ein plötzliches Herz für gewerkschaftliche
Anliegen?
Für mich ist nicht
erkennbar, dass die Kampagne etwas bewegen kann. Denn nicht Wunschzettel an den
Weihnachtsmann, sondern die reale Fähigkeit, die Lohnabhängigen gegen die realen
sozialen und politischen Gegner zu mobilisieren, wird darüber entscheiden, ob das gute
Leben ein Stück greifbarer wird oder eine Fata Morgana bleibt. Bewegt wurden bisher nur
Millionen von Beitragsgeldern, die für sinnvollere Zwecke nicht mehr zur Verfügung
stehen.
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