SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2009, Seite 04

Die Presse ist schuld

DIE LINKE und die Medien

von Thies Gleiss

Die LINKE hadert mit den Medien. Die Wahlergebnisse, die sie seit ihrem großen Anfangserfolg von 2005 eingefahren hat, besagen fast alle, dass die neue Partei DIE LINKE ihre damalige Wählermobilisierung nicht wiederholen kann. Schlimmer noch: Der LINKEN wird in allen Analysen mittlerweile der größte Anteil an Stammwähler zugeschrieben, und trotzdem ist sie gleichermaßen, wenn nicht gar überdurchschnittlich von Wahlenthaltung betroffen. Den abgewirtschafteten Regierungsparteien scheint es ein Leichtes, der LINKEN die sozialen Themen, die sie groß gemacht haben, zu stehlen und sich mit kleinsten Korrekturen und neuer Rhetorik zurück zu melden.
Einfachen Erklärungen zuneigende Parteistrategen haben die Ursachen schnell geklärt: Die Medien sind schuld. Die großen Zeitungskonzerne, private wie öffentliche Fernsehanstalten und Meinungsforscher würden die LINKE und ihre Spitzenleute boykottieren, falsch darstellen und gezielt diffamieren. Sie würden den naturgemäß unaufhaltsamen Erfolgskurs der LINKEN stören und manipulieren. Das ist sicherlich richtig. Das herrschende Bewusstsein ist das Bewusstsein der Herrschenden — kommt das für Linke überraschend? Wir wissen aus vielen Analysen von Marx bis Bourdieu, dass das Personal in den großen Medienimperien im Regelfall keiner Zensurbehörde bedarf. Ein langer Selektionsprozess, Konkurrenzkampf um Karrieren und notfalls eine Dienstanordnung sorgen meist geräuschlos für ideologische Sauberkeit und die berühmte Schere im Kopf. Und bei den öffentlichen Medienanstalten paart sich in einer Weise schnödes Karrieredenken mit wohl unausrottbarer deutscher Obrigkeitstreue, dass sich der daraus resultierende Mangel an unabhängigen Intellektuellen, Freigeistern und Querdenkern schon zu einem weltweit diagnostizierten Kulturdilemma Deutschlands ausgewachsen hat.
Aber die LINKE setzt dieser simplen Erkenntnis keine Strategie der Schaffung einer eigenen Öffentlichkeit entgegen. Wie keine andere Partei richtet sich die LINKE nach den herrschenden Medien aus. Sie reduziert die eigene Parteidebatte und das Parteitagsleben nach den Wünschen der Medien. Sie lässt sich beliebig in ihr Parteileben hineinregieren, einschließlich der Nominierung von Kandidaten. Der innerparteiliche Konkurrenzkampf um Mandate und Posten wird fast ausschließlich über die Medien durchgeführt. Wer was in der LINKEN werden will, der benötigt vor allem einen Anwalt, um die internen Intrigen zu überleben, und gute Kontakte zu Mikrofonen.
Die LINKE leistet sich einen Vorsitzenden, der die Partei kaum kennt, der nur selten an Sitzungen teilnimmt und sein „Regime” fast nur über Medienauftritte organisiert. Wer wundert sich da, dass die bürgerlichen Medien dieses Angebot sofort aufgreifen und die Partei abzuschießen versuchen, indem sie den Vorsitzenden diffamieren? In ihrem Wahn, nicht unangenehm bei den Medien aufzufallen, kopiert die LINKE die Selektionsmechanismen der anderen Parteien und Medien, bis auch der letzte Rebell und unabhängige Kritikerkopf der Radikalität der Durchschnittlichkeit geopfert wurde.


Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo

  Sozialistische Hefte 17   Sozialistische Hefte
für Theorie und Praxis

Sonderausgabe der SoZ
42 Seiten, 5 Euro,

Der Stand der Dinge
Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge   Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken   Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus   Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus   Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden   Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität





zum Anfang