SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2009, Seite 04

Karl-Theodor Guttenberg

Der Baron der Banker

von Benedict Ugarte Chacón

Ein Gesetzentwurf des Wirtschaftsministers sieht die „Zwangsverwaltung” maroder Banken vor. Die geplanten Maßnahmen greifen zu spät und kommen den Banken weit entgegen.
In der einschlägigen Medienlandschaft scheint es eine der wichtigsten Fragen überhaupt zu sein, welche Position welcher Politiker in irgendwelchen Beliebtheitsumfragen einnimmt. Und weil nun mal viele Medienkonsumenten zumeist das als „wichtig” empfinden, was in den Medien berichtet wird, ist es nicht weiter verwunderlich, dass ein Politiker einfach aus dem Grund „beliebt” ist, weil ihm dies von den Medien bescheinigt wird.
So verhält es sich mit Wirtschaftsminister Karl-Theodor Guttenberg (CSU). Bei all den Allgemeinplätzen, die dieser Minister mit seriöser Miene in jedes hingehaltene Mikrofon salbadert, vergisst der Reporter oft danach zu fragen, wofür er politisch eigentlich steht und wie es um seine Kompetenz bestellt ist.
Eine gute Gelegenheit, sich über diese Fragen Gedanken zu machen, bietet das von seinem Ministerium geschickt unters Volk gebrachte vermeintliche Vorhaben, angeschlagene Banken unter „Zwangsaufsicht” stellen zu wollen.
Die Frage nach der fachlichen Kompetenz ist schnell beantwortet: Guttenberg und seine Leute haben anscheinend keine. Warum sonst trägt der Gesetzentwurf das Logo der internationalen Kanzlei Linklaters? Nicht, dass diese Kanzlei lediglich als Ratgeber fungiert hätte — nein, aus ihrer Feder stammt der gesamte Entwurf. Wer über diesen Beweis der Unzulänglichkeiten im Guttenberg-Ministerium den Kopf schüttelt, sollte allerdings nicht vergessen, dass die Kollegen aus dem Finanzministerium ihre Gesetze zur Bankenrettung von der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer haben mitentwickeln lassen.
Dieses flächendeckende Outsourcing der Gesetzgebung wirft zwar ein tiefgreifendes Demokratieproblem auf — aber so lange Herr Guttenberg so beliebt und die Kanzlerin so sympathisch ist, scheint dies nicht weiter zu kümmern.
Der Entwurf aus dem Hause Linklaters trägt den Titel „Gesetz zur Ergänzung des Kreditwesengesetzes” und ist ein lauwarmer Aufguss verschiedener Maßnahmen, denen allen eines gemeinsam ist: Im Fall des Falles greifen sie zu spät. Der Gesetzentwurf kann somit nur als ein an die Banken gerichtetes ministerielles „Weiter so!” gewertet werden.
Zupackende Eingriffe des Staates, wie sie zum Beispiel Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) vorhatte, als er die Aktionäre der Hypo Real Estate (HRE) enteignen wollte, scheut der christsoziale Guttenberg wie der Teufel das Weihwasser — weswegen den HRE-Aktionären ihre Schrottaktien schließlich vom Staat abgekauft wurden, auch wenn das neoliberale Milieu dies wiederum als „Enteignung” zu brandmarken versuchte.
Mit dem nun vorgelegten Gesetzentwurf soll der staatliche Einfluss nun so weit wie möglich aus maroden Banken herausgehalten werden. Die Möglichkeit einer Verstaatlichung von Banken sieht der Entwurf ausdrücklich nicht vor. Stattdessen soll sich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in die Geschäftsführung der betroffenen Bank einschalten, sobald ihr ein interministerieller Ausschuss aus Wirtschafts-, Justiz- und Finanzministerium sowie Kanzleramt, den Auftrag dazu erteilt hat. Die BaFin darf dann Weisungen erteilen und sogar den Vorstand abberufen und neu bestellen. Die Bankenaufsicht wird damit in die Geschäftspolitik eingebunden. Dies soll der Stabilisierung und Restrukturierung einer auf die Pleite zusteuernden Bank dienen.
Unter der „Restrukturierungsverwaltung” der BaFin soll dann ein Plan ausgearbeitet werden, wie die Pleite der betroffenen Bank doch noch abgewehrt und ihre Existenz gesichert werden kann. Wenn die Bank staatliche Hilfen in Anspruch genommen hat, soll ein Rückzahlungsplan entworfen werden. Freundlicherweise gesteht der Gesetzentwurf den Banken zu, solch einen Plan selbst, ohne staatliche Hilfe, zu erarbeiten.
Der Entwurf hat auch noch eine ganz innovative Idee zu bieten: Während der Restrukturierungsphase kann es für die betroffene Bank in Betracht kommen, bestimmte Risiken zu verkleinern oder ihren Geschäftsumfang zu reduzieren. Es sollen demnach also genau die Dinge in Angriff genommen werden, die viele Banken in den letzten Monaten in Schwierigkeiten brachten. Wenn allerdings Banken einer vorsichtig eingreifenden staatlichen Aufsicht bedürfen, um auf die Idee zu kommen, dass sie ihr Geschäftsmodell ändern müssen, weil sonst die Pleite droht, dann ist bei ihnen ohnehin Hopfen und Malz verloren, und sie haben nichts anderes als ihre Pleite verdient.
Bei all dem Entgegenkommen wundert es nicht, dass der Bundesverband deutscher Banken den Gesetzentwurf in den höchsten Tönen lobt. Denn im Kern bedeutet er, dass die Banken weiterwurschteln können wie bisher; erst wenn sie so gut wie gegen die Wand gefahren sind, darf die staatliche Bankenaufsicht kommen und bei der Restrukturierung helfen.
In dieser Legislaturperiode wird der Entwurf nicht mehr umgesetzt werden können. Da man aber jetzt schon mit zwei unangenehmen Gegebenheiten rechnen muss: CDU/CSU und FDP bilden die Regierung und Guttenberg bleibt Wirtschaftsminister, hat der Entwurf eine Chance, nach der Bundestagswahl verwirklicht zu werden. All jene, die gehofft haben, die Zuständigen hätten irgendetwas aus der Finanzmarktkrise gelernt, sehen sich hoffentlich eines Besseren belehrt: Es geht weiter wie gehabt.


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