SoZ - Sozialistische Zeitung |
Ein Gesetzentwurf des Wirtschaftsministers sieht die
„Zwangsverwaltung” maroder Banken vor. Die geplanten Maßnahmen greifen zu
spät und kommen den Banken weit entgegen.
In der einschlägigen
Medienlandschaft scheint es eine der wichtigsten Fragen überhaupt zu sein, welche
Position welcher Politiker in irgendwelchen Beliebtheitsumfragen einnimmt. Und weil nun mal
viele Medienkonsumenten zumeist das als „wichtig” empfinden, was in den Medien
berichtet wird, ist es nicht weiter verwunderlich, dass ein Politiker einfach aus dem Grund
„beliebt” ist, weil ihm dies von den Medien bescheinigt wird.
So verhält es sich mit
Wirtschaftsminister Karl-Theodor Guttenberg (CSU). Bei all den Allgemeinplätzen, die
dieser Minister mit seriöser Miene in jedes hingehaltene Mikrofon salbadert, vergisst der
Reporter oft danach zu fragen, wofür er politisch eigentlich steht und wie es um seine
Kompetenz bestellt ist.
Eine gute Gelegenheit, sich
über diese Fragen Gedanken zu machen, bietet das von seinem Ministerium geschickt unters
Volk gebrachte vermeintliche Vorhaben, angeschlagene Banken unter „Zwangsaufsicht”
stellen zu wollen.
Die Frage nach der fachlichen
Kompetenz ist schnell beantwortet: Guttenberg und seine Leute haben anscheinend keine. Warum
sonst trägt der Gesetzentwurf das Logo der internationalen Kanzlei Linklaters? Nicht,
dass diese Kanzlei lediglich als Ratgeber fungiert hätte — nein, aus ihrer Feder
stammt der gesamte Entwurf. Wer über diesen Beweis der Unzulänglichkeiten im
Guttenberg-Ministerium den Kopf schüttelt, sollte allerdings nicht vergessen, dass die
Kollegen aus dem Finanzministerium ihre Gesetze zur Bankenrettung von der Kanzlei Freshfields
Bruckhaus Deringer haben mitentwickeln lassen.
Dieses flächendeckende
Outsourcing der Gesetzgebung wirft zwar ein tiefgreifendes Demokratieproblem auf — aber
so lange Herr Guttenberg so beliebt und die Kanzlerin so sympathisch ist, scheint dies nicht
weiter zu kümmern.
Der Entwurf aus dem Hause
Linklaters trägt den Titel „Gesetz zur Ergänzung des
Kreditwesengesetzes” und ist ein lauwarmer Aufguss verschiedener Maßnahmen, denen
allen eines gemeinsam ist: Im Fall des Falles greifen sie zu spät. Der Gesetzentwurf kann
somit nur als ein an die Banken gerichtetes ministerielles „Weiter so!” gewertet
werden.
Zupackende Eingriffe des
Staates, wie sie zum Beispiel Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) vorhatte, als er die
Aktionäre der Hypo Real Estate (HRE) enteignen wollte, scheut der christsoziale
Guttenberg wie der Teufel das Weihwasser — weswegen den HRE-Aktionären ihre
Schrottaktien schließlich vom Staat abgekauft wurden, auch wenn das neoliberale Milieu
dies wiederum als „Enteignung” zu brandmarken versuchte.
Mit dem nun vorgelegten
Gesetzentwurf soll der staatliche Einfluss nun so weit wie möglich aus maroden Banken
herausgehalten werden. Die Möglichkeit einer Verstaatlichung von Banken sieht der Entwurf
ausdrücklich nicht vor. Stattdessen soll sich die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in die Geschäftsführung der betroffenen Bank
einschalten, sobald ihr ein interministerieller Ausschuss aus Wirtschafts-, Justiz- und
Finanzministerium sowie Kanzleramt, den Auftrag dazu erteilt hat. Die BaFin darf dann
Weisungen erteilen und sogar den Vorstand abberufen und neu bestellen. Die Bankenaufsicht wird
damit in die Geschäftspolitik eingebunden. Dies soll der Stabilisierung und
Restrukturierung einer auf die Pleite zusteuernden Bank dienen.
Unter der
„Restrukturierungsverwaltung” der BaFin soll dann ein Plan ausgearbeitet werden,
wie die Pleite der betroffenen Bank doch noch abgewehrt und ihre Existenz gesichert werden
kann. Wenn die Bank staatliche Hilfen in Anspruch genommen hat, soll ein Rückzahlungsplan
entworfen werden. Freundlicherweise gesteht der Gesetzentwurf den Banken zu, solch einen Plan
selbst, ohne staatliche Hilfe, zu erarbeiten.
Der Entwurf hat auch noch eine
ganz innovative Idee zu bieten: Während der Restrukturierungsphase kann es für die
betroffene Bank in Betracht kommen, bestimmte Risiken zu verkleinern oder ihren
Geschäftsumfang zu reduzieren. Es sollen demnach also genau die Dinge in Angriff genommen
werden, die viele Banken in den letzten Monaten in Schwierigkeiten brachten. Wenn allerdings
Banken einer vorsichtig eingreifenden staatlichen Aufsicht bedürfen, um auf die Idee zu
kommen, dass sie ihr Geschäftsmodell ändern müssen, weil sonst die Pleite
droht, dann ist bei ihnen ohnehin Hopfen und Malz verloren, und sie haben nichts anderes als
ihre Pleite verdient.
Bei all dem Entgegenkommen
wundert es nicht, dass der Bundesverband deutscher Banken den Gesetzentwurf in den
höchsten Tönen lobt. Denn im Kern bedeutet er, dass die Banken weiterwurschteln
können wie bisher; erst wenn sie so gut wie gegen die Wand gefahren sind, darf die
staatliche Bankenaufsicht kommen und bei der Restrukturierung helfen.
In dieser Legislaturperiode
wird der Entwurf nicht mehr umgesetzt werden können. Da man aber jetzt schon mit zwei
unangenehmen Gegebenheiten rechnen muss: CDU/CSU und FDP bilden die Regierung und Guttenberg
bleibt Wirtschaftsminister, hat der Entwurf eine Chance, nach der Bundestagswahl verwirklicht
zu werden. All jene, die gehofft haben, die Zuständigen hätten irgendetwas aus der
Finanzmarktkrise gelernt, sehen sich hoffentlich eines Besseren belehrt: Es geht weiter wie
gehabt.
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten
und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo
Sozialistische Hefte für Theorie und Praxis Sonderausgabe der SoZ 42 Seiten, 5 Euro, |
||||
Der Stand der Dinge Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität |