SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2009, Seite 06

CO2-Deponien

vorerst auf Eis gelegt

von Wolfgang Pomrehn

In einigen entlegenen Ecken der Republik geschehen in diesen Wochen ganz außerordentliche Dinge. Versammlungssäle kleiner Städte platzen aus allen Nähten, langjährige CDU-Mitglieder geben empört ihre Parteibücher zurück, fast täglich finden auf den Dörfern Protestversammlungen statt, zu denen Hunderte kommen, und an den Kirchen wehen große Banner mit unfreundlichen Botschaften an Energiekonzerne. Einer dieser aufsässigen Winkel ist der Südosten Brandenburgs, zwei andere liegen in Schleswig-Holstein, und zwar in Ostholstein sowie auf der Geest an der dänischen Grenze.
Wohl selten haben sich Konzerne und Regierungsparteien so verrechnet. Da wollten sie noch vor der Bundestagswahl in aller Eile und möglichst unbemerkt ein Gesetz durchbringen, das den rechtlichen Rahmen für die Abscheidung und Einlagerung des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) regeln sollte. CCS heißt diese noch weitgehend unerprobte Technik im Fachjargon, was eine Abkürzung für die englische Beschreibung des Vorgangs ist: Carbon Capture and Storage (Kohle einfangen und lagern).
Doch aus der Sache wurde nichts. In den für die CO2-Deponien vorgesehenen Regionen verbreitete sich die Nachricht in Windeseile. Der Unmut wuchs innerhalb weniger Wochen so sehr an, dass erst die örtlichen Bundestagsabgeordneten und schließlich auch die Parteizentrale der Union kalte Füße bekam. Selbst die CSU wurde über den Bauernverband unter Druck gesetzt, sodass der Gesetzentwurf von der Tagesordnung genommen werden musste. Die SPD behauptet seitdem, die Union habe damit den Klimaschutz verhindert.
Verlogener geht es kaum, denn CCS ist nichts als ein faules Ei, das den Umwelt- und Klimaschützern ins Nest gelegt werden soll. Obwohl noch weit von der kommerziellen Einsatzfähigkeit entfernt — elf Jahre wird es nach den Worten der Stromkonzerne noch dauern, also vielleicht eher 20 — wird sie schon jetzt als Argument für neue Kohlekraftwerke ins Feld geführt. Mit CCS würden diese künftig klimafreundlich. Doch die Logik ist äußerst zweifelhaft. Vor eineinhalb Jahren wurde Vattenfall gerichtlich verboten, seine kleine CCS- Versuchsanlage am Standort „Schwarze Pumpe” CO2-frei zu nennen. Die Abtrennung ist nämlich keinesfalls vollständig, außerdem muss Energie für Transport und Speicherung aufgewendet werden, die ebenfalls aus fossilen Quellen stammt und daher mit Emissionen verbunden ist. Schließlich ist auch mit Leckagen zu rechnen. Unterm Strich würden vermutlich nur 70—80% der CO2-Emissionen aus dem Verkehr gezogen.
Dafür würde aber erstens der Kohleverbrauch pro gewonnener elektrischer Energie deutlich erhöht. Es würde zweitens der Ausbau der erneuerbaren Energieträger massiv behindert, denn Kohlekraftwerke sind für die neuen Anforderungen viel zu unflexibel und zu träge. Und drittens müssten die Anwohner von Pipelines und Deponien in der ständigen Angst vor Unfällen leben, denn CO2 wirkt in höheren Konzentrationen tödlich.
Der Widerstand der örtlichen Bevölkerungen ist also allemal berechtigt und verdient bundesweite Unterstützung, zumal der Gesetzentwurf nach der Bundestagswahl mit Sicherheit wieder aus der Schublade geholt wird.


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