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Am 5.August wurde Ahmadinejad, dem vorgeworfen wird, seine
zweite Amtszeit durch Wahlfälschung erreicht zu haben, vor dem Parlament für weitere
vier Jahre vereidigt. Damit schließt eine erste Phase der offenen Opposition gegen das
Regime; sie hat deutlich gemacht, dass die herrschenden Eliten im Iran tief gespalten sind. 50
der 290 Abgeordneten blieben der Zeremonie fern. Ahmadinejad muss vom Parlament noch
bestätigt werden; westlichen Meldungen zufolge kann er sich dort sicher nur auf 70
Abgeordnete stützen.
Äußerungen einiger
hochrangiger Kleriker lassen wenig Zweifel daran, dass die schiitische Republik in einer
tiefen Krise steckt.
Zunächst war da die recht
trostlose Predigt von Ayatollah Ali Akbar Rafsanjani beim Freitagsgebet am 17.Juli. Seine
Stimme klang brüchig, als er den Versammelten erzählte, dass er 60 Jahre seines
Lebens der Errichtung der Islamischen Republik gewidmet habe und nun um das Überleben des
Regimes fürchte. In seinem Aufruf zur Einheit wies er darauf hin, dass er und nur er die
bestehende Ordnung vor dem völligen Zusammenbruch retten könne. Der Mann könnte
uns beinahe leid tun — würden wir die Milliarden vergessen, die er und seine
Familie durch fragwürdige Transaktionen, gegen Sanktionen verstoßende Verträge
und schlichte Erpressung in die eigene Tasche gewirtschaftet haben.
Einige Tage später schien
selbst der oberste Führer, Ayatollah Ali Khamenei, Rafsanjanis Warnungen zu wiederholen,
und auf ihn folgte der zu den Reformern zählende ehemalige Präsident Mohammad
Khatami, dessen Aufruf zu einem Referendum (bei dem nicht klar war, zu welcher Frage es
abgehalten werden sollte) für weitere Verwirrung sorgte.
Dann kam es zu dem
vorhersehbaren Konflikt zwischen Präsident Mahmoud Ahmadinejad und konservativen
Bewahrern islamischer Grundsätze. Ahmadinejads Ernennung Esfandiar Rahim Mashaeis, des
Schwiegervaters der Tochter des Präsidenten, zum Vizepräsidenten führte zu
einem Aufschrei der Empörung seitens ultrakonservativer Kleriker und Politiker. Mashaei
hatte im Jahr 2008 den Zorn Khameneis mit der Äußerung erregt, die Iraner seien
„Freunde aller Menschen der Welt, einschließlich der Israelis” Er wurde auch
gefilmt, als er bei einem offiziellen Besuch in der Türkei einer Bauchtanzvorführung
zusah.
Es ist jetzt klar, dass
Ahmadinejad, nachdem er Khameneis kurzen Brief mit der Anweisung, Mashaei zu entlassen,
erhalten hatte, eine ganze Woche darum bemüht war, Mashaei als Vizepräsident zu
halten. Während dieser Woche verlor er die Unterstützung wichtiger Minister seines
Kabinetts, und am 26.Juli sah er sich gezwungen, einen engen Verbündeten, Ayatollah
Ejhei, zu entlassen, während der Minister für islamische Unterweisung, Saffar
Farandi, von seinem Posten zurücktrat. Als Ahmadinejad sich weigerte, den Rücktritt
zu akzeptieren, kündigte Farandi an, dass er keine weiteren Kabinettssitzungen besuchen
werde.
Tatsächlich hat
Ahmadinejad so viele Minister verloren, dass der konservative stellvertretende
Parlamentspräsident Mohammad Bahonar äußerte: „Laut Artikel 136 der
Verfassung ist, da die Hälfte der Ministerposten nicht besetzt ist, die Regierung
strenggenommen illegal.” Die konservative Zeitung Tehran Emrouz sprach von einem
„chaotischen” Tag für die Regierung, während der Abgeordnete Ali
Motahari Ahmadinejad dazu aufrief, „die Nerven zu behalten”, und ihn beschuldigte,
absichtlich Spannungen zu erzeugen.
Am 28.Juli wurde klar, dass Ahmadinejad die Unterstützung der konservativen
Parlamentsabgeordneten verloren hatte. Über 200 Ultrakonservative verurteilten den
Präsidenten in einem Brief und warnten ihn, dass ihn ein ähnliches Schicksal wie
Abolhasan Banisadr (der in Ungnade gefallene erste Präsident der Islamischen Republik,
der ins Exil gehen musste) erwarte, sollte er weiter ungehorsam gegenüber dem obersten
Führer sein.
Mittlerweile hat Khamenei, dem
Bericht einer parlamentarischen Kommission folgend, die Schließung des
Internierungslagers Kahrizak angeordnet, in dem Dutzende Gefangene nach Folterungen gestorben
sind. Außerdem wurden 140 Häftlinge freigelassen. Der Tod unter der Folter ist kein
neues Phänomen im Iran — nur dass diesmal auch Söhne und Töchter der
Funktionäre des Regimes zu den Opfern gehören.
Natürlich spiegelt diese
Krise unter den Machthabern der Islamischen Republik — und Ende Juli die Krise innerhalb
der herrschenden Fraktion — nur die fortgesetzte Rebellion und die Proteste auf den
Straßen und in den Betrieben der meisten iranischen Städte wider. Jeden Tag erfahren
junge Iraner vom Tod ihrer Angehörigen in Polizeigewahrsam und strömen Menschen zu
spontanen Demonstrationen auf die Straßen Teherans. Dutzende Leichname wurden bereits
trauernden Eltern übergeben, Hunderte Menschen befinden sich in Haft, doch die Proteste
gehen weiter, und es ist kein Ende in Sicht. Zu den Verhafteten gehören auch 36
Polizisten, die vorhatten, am 17.Juli in Uniform an einem Protestgebet teilzunehmen.
In den letzten Wochen
lässt sich eine wachsende Kluft feststellen zwischen den Losungen, Forderungen und
Bestrebungen der Protestierenden, deren Zorn die Bewegung dramatisch radikalisiert hat, und
dem beschränkten Horizont reformistischer Führer und ihrer Anhänger, von denen
einige zu den am meisten diskreditierten Teilen der iranischen Opposition gehören,
insbesondere die früher stalinistischen und dann islamistisch gewendeten
Sozialdemokraten. Während der reformerische Präsidentschaftskandidat Mirhosein
Mousavi in dem verzweifelten Versuch, das islamische Regime zu retten, weiter von
„legalen Mitteln” spricht, zeigen die Losungen der Demonstranten —
„Tod der Islamischen Republik”, „Wartet nur, bis wir bewaffnet sind”
— klar die Unterschiede zwischen den beiden.
Der Einfluss der Linken ist
noch beschränkt. Doch klare Beispiele für ihre Anstrengungen lassen sich im Juli an
den Protesten in der Teheraner Ölraffinerie ablesen oder an den fortgesetzten Aktionen
gegen den Arbeitsplatzabbau in der Textilindustrie, an Flugblättern, in denen Arbeiter
zum Generalstreik aufrufen, an der erfolgreichen Versammlung am Grab des sozialistischen
Dichters Ahmad Shamloo am 24.Juli. Bei dieser Versammlung verteilten Studenten Datteln, wie es
bei schiitischen Begräbnissen Brauch ist, um scherzhaft auf den nahen Tod des islamischen
Regimes zu verweisen. Außerdem veröffentlichten Anhänger einer Reihe
kommunistischer Organisationen im Exil (darunter Rahe Kargar und die Fedayin-Minderheit) in
Teheran eine gemeinsame Erklärung, die die Bildung der „Vereinigten
Unterstützer linker und kommunistischer Gruppen” ankündigte.
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