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In der Linken hat sich anlässlich der jüngsten
Ereignissen um die iranischen Wahlen eine Polemik entfaltet, wie man zu den Revolten stehen
und welche Seite man unterstützen solle.
Ein Teil jubelt Mousavi zu. Mousavi, einst Komplize von Reagan und Tel Aviv in der
„Iran-Contra-Affäre”, wird jetzt als Führer der „grünen
Revolution” recycelt. In den 80er Jahren hatte Reagan den US-Kongress ersucht, den
nikaraguanischen Contras zu helfen, die er als „moralisches Äquivalent zu unseren
Gründervätern” bezeichnete. Der Kongress untersagte jedoch die Bereitstellung
von Mitteln zum Sturz der rechtmäßigen Regierung Nikaraguas. Die Operation erfolgte
daher heimlich unter Leitung von Oberst Oliver North vom Nationalen Sicherheitsrat über
ein Schweizer Konto, von dem aus 10—30 Millionen Dollar — der Erlös aus
Waffenverkäufen an den Iran — zur Finanzierung an die Konterrevolution in Nikaragua
gingen. Eine solche Operation müsste einen Politiker wie Mousavi in den Augen linker
Aktivisten eigentlich ein für allemal diskreditieren.
Außerdem war Mousavi,
zusammen mit Khomeini und Khamenei, verantwortlich für das Massaker an Tausenden
Oppositionellen, die am Ende des Iran-Irak-Krieges im Gefängnis saßen. Weil die vom
Krieg diktierte „heilige Allianz” nun nicht mehr nötig war, wurde diese
kriminelle Operation als „Präventivmaßnahme” durchgeführt, um zu
verhindern, dass die Gefangenen freigelassen würden und Kämpfe gegen das Regime
führen könnten.
Mousavi ist außerdem der
Schützling von Rafsanjani, der im Bauboom der 70er Jahre und durch den Pistazienhandel
reich geworden ist. Von 1980 bis 1989 war er Parlamentspräsident, dann gelangte er an die
Spitze der Islamischen Republik.
Und dies sollen nun die
Revolutionäre sein? Wer für die Befreiung der Werktätigen und für den
Sturz der Islamischen Republik kämpfen will, sollte sich vor ihnen hüten.
Das bedeutet nicht, dass die
Kämpfe und Demonstrationen gegen die Islamische Republik das Werk der CIA, des Mossad
oder der grün-islamischen Seite seien. Wer ruft: „Nieder mit der Islamischen
Republik!” oder „Freilassung der politischen Gefangenen!”, kann kein
Handlanger Mousavis sein, ebenso wenig wie die Belegschaft der Autofabrik „Iran
Khodro” oder die Gewerkschaft Vahed der Busfahrer von Teheran, die im Jahr 2005 einen
harten Kampf geführt haben.
Ein anderer Teil der Linken dagegen stellt sich auf die Seite von Ahmadinejad. Diese Linken
scheinen vollständig vergessen zu haben, wofür die Islamische Republik steht und
dass sie die Revolte der Arbeiter im Blut erstickt hat. Mousavi und Ahmadinejad sind Kinder
der konterrevolutionären Republik, auch wenn sich jener als Vertreter der Demokratie und
dieser als „Antiimperialist” präsentiert. Mousavi und Ahmadinejad,
„Reformer” und „Radikale”, sind zwei Gesichter der Islamischen
Republik. Wer im Westen für den einen oder den anderen Partei ergreift, glaubt nicht an
eine autonome Politik des Proletariats.
Man wird entgegnen: Wenigstens
ist die Islamische Republik gegen die USA und Israel! Wenn wir nur auf ihre Losungen sehen,
zweifellos. Die reale Politik aber ändert sich entsprechend der Umstände. Neben der
genannten Iran-Contra-Affäre gibt es noch weitere Fälle der Komplizenschaft mit der
Regierung der USA oder Israels oder ihnen höriger Staaten. So hat die Islamische Republik
als eine der ersten im Juli 2003 den Provisorischen Regierungsrat im Irak anerkannt, der unter
der Ägide von Paul Bremer errichtet worden war, und in Bagdad wieder eine eigene
Botschaft eröffnet.
Warum also droht Israel mit
Angriffen auf iranische Nuklearanlagen? Solange es einen starken und laizistischen Irak gab
— Israels erklärter Feind —, unterstützte Israel den Iran, wenngleich
nicht offiziell. Mit einem besetzten, halbzerstörten und klerikalisierten Irak wird der
Iran zum ersten Konkurrenten. Eine Bombardierung der Nuklearanlagen würde den Bau der
Pipeline vom Kaspischen Meer zum Golf unmöglich machen.
Auch in anderer Hinsicht ist
Ahmadinejad kein Gegenspieler: Er betreibt eine Politik der Privatisierung. Bis 2010 sollen,
nach Auskunft des Leiters der „Bank der Islamischen Republik Iran”, Seyyed Shams
Al-din Hoseini, 80% der staatlichen Industrie des Landes privatisiert werden. Kurz vor den
Wahlen hat die staatliche Saderat-Bank 6% ihrer Aktien privaten Investoren angeboten. Weitere
bedeutende Privatisierungen unter Ahmadinejads Regierung betrafen die Post, zwei Banken
(Tejerat und Mellat) sowie, im Februar 2008, einen Anteil von 5% an den Aktien des Stahlwerks
Foulad-e Mobarakeh. Insgesamt wurden seit 2005 247 Unternehmen Gegenstand von Verfahren der
„Iranischen Organisation für Privatisierung”, das dem Finanz- und
Wirtschaftsministerium untersteht.
Der IWF hat diesen Prozess
wohlwollend aufgenommen; er beschreibt in einem Bericht 2007 die Lage im Iran als
„Prozess des Übergangs zu einer Marktwirtschaft” Der iranische Wirtschafts-
und Finanzminister Davoud Danesh-Jafari erklärte im letzten Jahr auf einer Versammlung
der Islamischen Entwicklungsbank, dass „die direkten Auslandsinvestitionen im Iran seit
2007 um 138% gestiegen sind” Etwa 80 Projekte seien angegangen worden.
Der Schlüssel für
das Eindringen von Auslandskapital in den Iran ist die Tatsache, dass der Iran 2004 die
Verpflichtungen aus Artikel VIII des IWF akzeptiert hat — d.h. dass er darauf
verzichtet, Einschränkungen bei den Devisentransaktionen und anderen für den
Kapitalfluss wesentlichen Abläufen zu verhängen.
Die politischen
Erklärungen der iranischen Führer wurden von westlichen Regierungen und Medien oft
(z.T. durch falsche Übersetzungen) verfälscht. Aber die ökonomischen Fakten
werden vom Westen begrüßt, er moniert höchstens, dass die Privatisierungen
nicht weit genug gehen. Ahmadinejad hat die Wirtschaftspolitik Khatamis in keiner Weise
geändert. Er verfolgt ein normales kapitalistisches Entwicklungsprogramm, mit besonderem
Augenmerk auf den Finanzsektor — und hat dafür die volle Unterstützung der
westlichen Regierungen.
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