SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2009, Seite 15

Die zwei Gesichter der Islamischen Republik:

Mousavi und Ahmadinejad

von Michele Basso

In der Linken hat sich anlässlich der jüngsten Ereignissen um die iranischen Wahlen eine Polemik entfaltet, wie man zu den Revolten stehen und welche Seite man unterstützen solle.

Weder Mousavi ...

Ein Teil jubelt Mousavi zu. Mousavi, einst Komplize von Reagan und Tel Aviv in der „Iran-Contra-Affäre”, wird jetzt als Führer der „grünen Revolution” recycelt. In den 80er Jahren hatte Reagan den US-Kongress ersucht, den nikaraguanischen Contras zu helfen, die er als „moralisches Äquivalent zu unseren Gründervätern” bezeichnete. Der Kongress untersagte jedoch die Bereitstellung von Mitteln zum Sturz der rechtmäßigen Regierung Nikaraguas. Die Operation erfolgte daher heimlich unter Leitung von Oberst Oliver North vom Nationalen Sicherheitsrat über ein Schweizer Konto, von dem aus 10—30 Millionen Dollar — der Erlös aus Waffenverkäufen an den Iran — zur Finanzierung an die Konterrevolution in Nikaragua gingen. Eine solche Operation müsste einen Politiker wie Mousavi in den Augen linker Aktivisten eigentlich ein für allemal diskreditieren.
Außerdem war Mousavi, zusammen mit Khomeini und Khamenei, verantwortlich für das Massaker an Tausenden Oppositionellen, die am Ende des Iran-Irak-Krieges im Gefängnis saßen. Weil die vom Krieg diktierte „heilige Allianz” nun nicht mehr nötig war, wurde diese kriminelle Operation als „Präventivmaßnahme” durchgeführt, um zu verhindern, dass die Gefangenen freigelassen würden und Kämpfe gegen das Regime führen könnten.
Mousavi ist außerdem der Schützling von Rafsanjani, der im Bauboom der 70er Jahre und durch den Pistazienhandel reich geworden ist. Von 1980 bis 1989 war er Parlamentspräsident, dann gelangte er an die Spitze der Islamischen Republik.
Und dies sollen nun die Revolutionäre sein? Wer für die Befreiung der Werktätigen und für den Sturz der Islamischen Republik kämpfen will, sollte sich vor ihnen hüten.
Das bedeutet nicht, dass die Kämpfe und Demonstrationen gegen die Islamische Republik das Werk der CIA, des Mossad oder der grün-islamischen Seite seien. Wer ruft: „Nieder mit der Islamischen Republik!” oder „Freilassung der politischen Gefangenen!”, kann kein Handlanger Mousavis sein, ebenso wenig wie die Belegschaft der Autofabrik „Iran Khodro” oder die Gewerkschaft Vahed der Busfahrer von Teheran, die im Jahr 2005 einen harten Kampf geführt haben.

... noch Ahmadinejad

Ein anderer Teil der Linken dagegen stellt sich auf die Seite von Ahmadinejad. Diese Linken scheinen vollständig vergessen zu haben, wofür die Islamische Republik steht und dass sie die Revolte der Arbeiter im Blut erstickt hat. Mousavi und Ahmadinejad sind Kinder der konterrevolutionären Republik, auch wenn sich jener als Vertreter der Demokratie und dieser als „Antiimperialist” präsentiert. Mousavi und Ahmadinejad, „Reformer” und „Radikale”, sind zwei Gesichter der Islamischen Republik. Wer im Westen für den einen oder den anderen Partei ergreift, glaubt nicht an eine autonome Politik des Proletariats.
Man wird entgegnen: Wenigstens ist die Islamische Republik gegen die USA und Israel! Wenn wir nur auf ihre Losungen sehen, zweifellos. Die reale Politik aber ändert sich entsprechend der Umstände. Neben der genannten Iran-Contra-Affäre gibt es noch weitere Fälle der Komplizenschaft mit der Regierung der USA oder Israels oder ihnen höriger Staaten. So hat die Islamische Republik als eine der ersten im Juli 2003 den Provisorischen Regierungsrat im Irak anerkannt, der unter der Ägide von Paul Bremer errichtet worden war, und in Bagdad wieder eine eigene Botschaft eröffnet.
Warum also droht Israel mit Angriffen auf iranische Nuklearanlagen? Solange es einen starken und laizistischen Irak gab — Israels erklärter Feind —, unterstützte Israel den Iran, wenngleich nicht offiziell. Mit einem besetzten, halbzerstörten und klerikalisierten Irak wird der Iran zum ersten Konkurrenten. Eine Bombardierung der Nuklearanlagen würde den Bau der Pipeline vom Kaspischen Meer zum Golf unmöglich machen.
Auch in anderer Hinsicht ist Ahmadinejad kein Gegenspieler: Er betreibt eine Politik der Privatisierung. Bis 2010 sollen, nach Auskunft des Leiters der „Bank der Islamischen Republik Iran”, Seyyed Shams Al-din Hoseini, 80% der staatlichen Industrie des Landes privatisiert werden. Kurz vor den Wahlen hat die staatliche Saderat-Bank 6% ihrer Aktien privaten Investoren angeboten. Weitere bedeutende Privatisierungen unter Ahmadinejads Regierung betrafen die Post, zwei Banken (Tejerat und Mellat) sowie, im Februar 2008, einen Anteil von 5% an den Aktien des Stahlwerks Foulad-e Mobarakeh. Insgesamt wurden seit 2005 247 Unternehmen Gegenstand von Verfahren der „Iranischen Organisation für Privatisierung”, das dem Finanz- und Wirtschaftsministerium untersteht.
Der IWF hat diesen Prozess wohlwollend aufgenommen; er beschreibt in einem Bericht 2007 die Lage im Iran als „Prozess des Übergangs zu einer Marktwirtschaft” Der iranische Wirtschafts- und Finanzminister Davoud Danesh-Jafari erklärte im letzten Jahr auf einer Versammlung der Islamischen Entwicklungsbank, dass „die direkten Auslandsinvestitionen im Iran seit 2007 um 138% gestiegen sind” Etwa 80 Projekte seien angegangen worden.
Der Schlüssel für das Eindringen von Auslandskapital in den Iran ist die Tatsache, dass der Iran 2004 die Verpflichtungen aus Artikel VIII des IWF akzeptiert hat — d.h. dass er darauf verzichtet, Einschränkungen bei den Devisentransaktionen und anderen für den Kapitalfluss wesentlichen Abläufen zu verhängen.
Die politischen Erklärungen der iranischen Führer wurden von westlichen Regierungen und Medien oft (z.T. durch falsche Übersetzungen) verfälscht. Aber die ökonomischen Fakten werden vom Westen begrüßt, er moniert höchstens, dass die Privatisierungen nicht weit genug gehen. Ahmadinejad hat die Wirtschaftspolitik Khatamis in keiner Weise geändert. Er verfolgt ein normales kapitalistisches Entwicklungsprogramm, mit besonderem Augenmerk auf den Finanzsektor — und hat dafür die volle Unterstützung der westlichen Regierungen.

Aus: www.sottolebandieredelmarxismo.it (Übersetzung: Hans-Günter Mull).


Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo

  Sozialistische Hefte 17   Sozialistische Hefte
für Theorie und Praxis

Sonderausgabe der SoZ
42 Seiten, 5 Euro,

Der Stand der Dinge
Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge   Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken   Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus   Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus   Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden   Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität





zum Anfang