SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2009, Seite 17

Falsche Freunde

Der Streit um Felicia Langer und der Antisemitismus

von Peter Nowak

Am 16.Juli wurde der Menschenrechtsanwältin und engagierte Kämpferin für die Rechte der Palästinenser, Felicia Langer, das Bundesverdienstkreuz überreicht. Seitdem sieht sie sich einer Hasskampagne von Seiten rechter Israelverteidiger ausgesetzt, in der PETER NOWAK eine „antisemitische Grundierung” erkennt.
"Zum ersten Mal seit 1945 wurde in Deutschland wieder ein Orden für besonders engagiertes Vorgehen gegen Juden verliehen”, heißt es auf dem rechtskonservativen Internetportal Politically Incorrect. Gleich darunter gibt es Betätigungsmöglichkeiten: „Wer dem Bundespräsidialamt zur ersten antijüdischen Verdienstkreuzverleihung seit Kriegsende NICHT gratulieren möchte”, kann eine Mail schreiben.
Der Kommentarbereich dieser Seite wurde allerdings schon nach 24 Stunden geschlossen. Denn dort tobte sich die Wut über diejenige, die Gegenstand der Kritik war, in nicht mehr zitierfähigen Beschimpfungen aus. Es war die Person Felicia Langer, die angegriffen wurde: die Jüdin, die nur knapp der Vernichtung im Nationalsozialismus entkommen war, die Kommunistin, die bis Ende der 80er Jahre Mitglied des Zentralkomitees der israelischen KP war, und die selbstbewusste Frau, die sich auf keine Nation und kein Vaterland festlegen lässt. Diese Kombination: Jüdin, Kommunistin, Antinationalistin und emanzipierte Frau ließ Rosa Luxemburg schon zur Hassfigur der deutschen Rechten werden. Ihre dümmsten Nachfolger schwadronieren nach wie vor vom Weltjudentum und sind in ihrem Antisemitismus auch bereit, mit Islamisten zu paktieren, wenn sie sich nur nicht in Deutschland ansiedeln.
Die schlaueren Epigonen der Rechten scheinen die Lektion aus der Geschichte gelernt zu haben. Sie respektieren Juden, wenn sie in Israel wohnen und die israelische Politik verteidigen. Ihr antisemitisches Mütchen kühlen sie dann an den Jüdinnen und Juden, die Israel nicht als ihre Heimat ansehen. Im Umfeld von Politically Incorrect gibt es diese Sorte von Rechten. Während Israel dort außerhalb jeder Kritik steht, ist jeder Jude, der nicht gleichzeitig stolzer israelischer Staatsbürger ist, zum verbalen Abschuss freigegeben.
Felicia Langer bietet sich für sie besonders als Feindbild an. Sie hat nämlich etwas gemacht, was den deutschen Rechten besonders verwerflich erscheint: Sie hat sich in Deutschland angesiedelt. Der schlaue Rechte hat gelernt: Da die Juden doch jetzt einen eigenen Staat haben, sollen sie auch dort leben. Felicia Langer aber lässt sich auf kein Heimat- und Vaterland festschreiben. Sie steht damit in einer kosmopolitisch-jüdischen Tradition, die von den Nazis und ihren Verbündeten weitgehend zerstört wurde. Die falschen Freunde Israels haben auf Versuche, diese Tradition wieder zu beleben, immer mit besonderer Aversion reagiert. Die Juden sollen gefälligst in Israel bleiben. Für den rechten Israelkritiker ist die Verteidigung Israels oft ein Ticket, mit dem er belegen will, gar kein Antisemit sein zu können. Das konnten wir in Deutschland schon in den späten 60er Jahre erleben, als sich NS-Täter und Mitläufer als besonders laute Israel-Verteidiger aufspielten. Die damalige Konkret-Publizistin Ulrike Meinhof hat damals in ihrer Kolumne Die falschen Freunde Israels die richtigen Worte dazu gefunden.
Doch davon scheint heute wenig übrig geblieben. Denn die Kampagne der rechten Israel-Verteidiger fand keine adäquate linke Antwort. Es gab einige Solidaritätserklärungen für Felicia Langer. Doch die ließen sich in der Regel inhaltlich ein und verteidigten die vehemente Israelkritik der Ausgezeichneten. Doch genau darum geht es mir nicht. Ich verteidige weder Langers Erklärungen zu Israel noch ihre manchmal fragwürdige Bündnispolitik, die sie sogar dazu brachte, einen Jürgen Möllemann vor dem Vorwurf des Antisemitismus zu verteidigen. Ich verteidige das Recht einer linken Jüdin im Jahr 2009, in Deutschland zu leben und hier ihre Meinung zu vertreten. Ich verteidige das Recht von Frau Langer, sich nicht auf einen Verhaltungscodex gegenüber Israel festlegen zu lassen und sich für ihre Haltung nicht rechtfertigen zu müssen. Das gilt natürlich auch Anhänger der israelischen Politik. Henryk M. Broder hat genau so das Recht, seine Lesart des Nahostkonflikts zu verbreiten, ohne einer Kampagne ausgesetzt zu sein. Es ist völlig normal, dass unter in Deutschland lebenden Juden auch zur israelischen Politik unterschiedliche Ansichten bestehen. Ein auch polemisch ausgetragener Streit darum ist das Normalste auf der Welt. Antisemitische Töne bekommt die Auseinandersetzung erst, wenn den Personen ihr Judentum vorgehalten oder abgesprochen wird.
In Teilen der deutschen Linken ist es üblich, sich ihre Kritik an der israelischen Politik durch jüdische Stimmen beglaubigen zu lassen. Die Kritik daran war berechtigt. Genau so vehement muss aber der Versuch von Israel-Verteidigern zurück gewiesen werden, gegen Juden vorzugehen, die eine andere Sicht auf Israel haben. Genau diese Haltung vermisse ich gerade auch von einer israelsolidarischen Linken.
In den letzten Jahren wurde viel über eine Israelkritik diskutiert, in der antisemitische Elemente enthalten sind. Dabei stellte sich natürlich zwangläufig die Frage, wann Israelkritik antisemitisch wird. Jetzt wäre es an der Zeit, eine Israelverteidigung mit antisemitischer Grundierung einer genau so schonungslosen Kritik zu unterziehen. Dabei müsste auch die Frage gestellt werden, wann die Israelverteidigung mit antisemitischen Stereotypen einhergeht. Im Fall von Felicia Langer ist diese Grenze überschritten worden.
Ein Argument von israelkritischer Seite wird am Beispiel von Felicia Langer gestärkt. Israel ist tatsächlich eine Schutzmacht für Juden. Diejenigen Juden, die sich wie Langer nicht unter israelischen Schutz stellen, sind dafür Hass und Hetze umso stärker ausgesetzt. Das ist ein Grund, einen Antisemitismusbegriff stark zu machen, der den Schutz aller jüdischen Menschen, auch den von Frau Langer beinhaltet.


Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo

  Sozialistische Hefte 17   Sozialistische Hefte
für Theorie und Praxis

Sonderausgabe der SoZ
42 Seiten, 5 Euro,

Der Stand der Dinge
Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge   Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken   Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus   Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus   Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden   Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität





zum Anfang