SoZ - Sozialistische Zeitung |
Als Danny Boyles Film Slumdog Millionaire im Frühjahr in
Indiens Kinos anlief, fiel er nicht nur beim ansonsten filmbegeisterten Publikum durch. Das
lag nicht nur an der ungewohnten Kürze des Streifens — unter drei Stunden ist eine
normaler Bollywoodproduktion nicht zu haben — und an seinen wenigen Tanz- und
Songelementen. Dem Publikum und erst recht dem Filmestablishment war die harte Darstellung des
Überlebenskampfes von Kindern in den Slums der Millionenstädte fremd. Man
fühlte sich als Kulturnation diskriminiert durch die einseitige Kritik von Polizeigewalt,
Korruption und Missbrauch. Nicht anders würde es einer Verfilmung des Romans von Vikram
Chandra Der Pate von Bombay gehen, der noch drastischer die Verflechtungen von Politik,
organisiertem Verbrechen, Religion und Vernichtungs- und Erlösungsfantasien beschreibt.
Sartaj Singh, einer der
wenigen Sikh-Inspektoren in Mumbai, ist ein aufrechter Polizist. Doch so ganz kann er dem
Vorbild seines Vaters nicht folgen. Selbst unkorrumpiert, treibt er für seinen Boss
Gelder ein, die nach einem ausgeklügelten System bis in die oberste Polizeispitze
verteilt werden — ein alltäglicher Teil seiner Arbeit, die sich ansonsten mit der
üblichen Alltagskriminalität befasst und auch nicht bei dem Tod eines
Schoßhunds Halt macht. Durchkreuzt wird die übliche Frustration durch den Hinweis
auf das Wiederauftauchen eines der großen Gangsterbosse der Stadt: Ganesh Gaitonde, einer
der rivalisierenden Dons Mumbais, soll aus seinem Exil wieder aufgetaucht sein. Singh findet
das Haus und bevor er sich mit einem Bulldozer Zugang verschaffen kann, kommt es über die
Sprechanlage zu einer kurzen Unterhaltung zwischen beiden. Es sind Gaitondes letzte Worte,
denn als die Festung eingenommen wird, findet die Polizei nur seine Leiche und die einer
attraktiven Frau.
Kurze Zeit später taucht
der Geheimdienst auf und Singh wird um Mithilfe gebeten: Er soll herausbekommen, wieso
Gaitonde nach Indien zurückgekehrt ist, wo doch sowohl die Polizei wie auch
rivalisierende Organisationen hinter ihm her sind.
Während Singh nach Spuren
sucht, erzählt der Gansterboss seine Lebensgeschichte, seinen Aufstieg vom
Kleinkriminellen zum Paten, der seine Finger in allen Geschäften hat, Wohnsiedlungen
anlegen lässt und Slums räumt, um Investoren Platz zu machen, der sich vom
weltlichen Verbrecher zum Handlanger hindunationalistischer Politiker wandelt, und der die
Dreckarbeit für bestimmte Abteilungen des indischen Geheimdienstes macht.
Auf nahezu 1400 Seiten wird
ein Panoptikum der neueren indischen Geschichte ausgebreitet, von der brutalen Teilung des
Staates, den zerstörerischen Einflüssen der Religionen, den idyllezaubernden Songs
aus Bollywood-Filmen, den Kämpfen der Mütter um die Zukunft ihrer Kinder bis zu
apokalyptischen Gurus. Ein wuchtiger Roman.
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