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Bei der Aufführung von Luigi Nonos „azione scenica”
Al gran sole carico damore (Unter der großen, von Liebe erfüllten Sonne) über
revolutionäre Frauen finden Schönheit, Revolution und Utopie zu einer wunderbaren
Synthese.
Die Salzburger Festspiele sind nicht
gerade für Revolutionäres bekannt, das Klischee elitär und teuer muss da schon eher
herhalten. Doch auch wenn die Festspiele immer schon unkonventioneller waren als ihr Ruf, ist die
Aufführung von Luigi Nonos Oper Al gran sole carico damore eine besondere Erfahrung. Das
Ambiente ist von einmaliger Schönheit: Vor dem Hintergrund der Festung und dem Panorama der
alten Barockstadt befindet sich die sog. Felsenreitschule. Diese war 1693 von den Erzbischöfen,
die Salzburg bis 1804 regierten, als Sommerreitschule errichtet worden. Im Felsen des
Mönchsbergs sind Zuschauerarkaden eingebettet, davor ist heute die 40 Meter breite Bühne,
die der ungeheuer komplexen „azione scenica” den besten Rahmen bietet.
Wie andere Opern und Singspiele ist
das Werk höchst emotional, es folgt jedoch ganz und gar nicht der herkömmlichen
Operndramaturgie. Das Libretto ist eine Collage von Texten — Karl Marx, Lenin, Louise Michel,
Maxim Gorki, Bertolt Brecht, Tania Bunke, um nur einige zu nennen. Die „azione scenica”
besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil verbindet die Ereignisse der Pariser Kommune mit den
Geschehnissen rund um die kubanische Revolution, in deren Mittelpunkt die Figur von Tania Bunke
steht, der Guerillera und Weggefährtin Che Guevaras, die in Argentinien geboren und in der DDR
aufgewachsen ist. Am 31.August 1967 starb sie in einem Hinterhalt bolivianischer Soldaten am Rio
Grande. Der zweite Teil ist vielfältiger: die kubanische Revolution, Russland 1905, Vietnam,
Turin Anfang der 50er Jahre. Fiktiv-literarische Figuren stehen im Vordergrund: die Mutter —
nach Maxim Gorkis und Bertolt Brechts gleichnamigen Stücken; die Prostituierte Deola im Turin
der 40er Jahre; und eine Mutter in Turin, die mit ihrem Sohn und Mann die Fiat-Streiks durchlebt
— beide Figuren basieren auf Texten Cesare Paveses.
Auf der linken Seite der Bühne
reihen sich wie Waben kleine Zimmer. Darin spielen sich kleine Szenen ab: Louise Michel, die
Mitstreiterin der Pariser Kommune, verfasst einen Brief; im Turin der 50er Jahre färbt eine
Mutter Stofffetzen rot, damit sie als Fahnen benutzt werden können; Tania Bunke versteckt
Mikrofilme und schreibt in einem Abschiedsbrief an ihre Mutter: „Wird mein Name eines Tages
nichts sein?” All diese Szenen werden gefilmt und live auf die große Leinwand projiziert,
die den gesamten rechten Bereich der Bühne einnimmt. Die Leinwand ist mit grau-weißen
Farben überzogen, so erhalten die projizierten Szenen Patina. Unter der Leinwand stehen der
Chor und die Solo-Sängerinnen. Eine Glasvitrine steht vor den Sängerinnen, darin sind
Artefakte der teils fiktiven, teils realen Figuren.
Die englische Regisseurin Katie
Mitchell bettet das Geschehen in eine filmisch präsentierte Rahmenhandlung ein: Eine junge Frau
erkundet die Vitrinen eines Revolutionsmuseums, sie betrachtet einzelne Objekte, nimmt einige an
sich. Sie begleitet den Zuschauer auf einer Zeitreise durch revolutionäre Erfahrungen,
Erfahrungen die meist tragisch sind und bisweilen blutig enden. So mancher Kritiker nennt die Oper
deshalb „Requiem”
So stringent und logisch und
meisterhaft diese Inszenierung ist, birgt sie doch die Gefahr, mitunter von der Musik abzulenken.
Die Wiener Philharmoniker sind über den Raum verteilt. Neben den Sängern, dem Chor und dem
Orchester gibt es auch Tonbandeinspielungen. André Richard, der die Klangregie gemacht hat,
betreute für die Salzburger Aufführung die umfassende Restaurierung der
Originaltonbänder der Oper. Der Klang kommt von überall her, wobei die hinteren
Plätze einen wesentlich höheren Hörgenuss haben. Am beeindruckendsten sind die
außergewöhnlichen Sopranstimmen, rein und klar und eindringlich tragen sie — neben
dem Chor — am meisten dazu bei, die Zuhörer in Bann zu ziehen. Die Musik ist dramatisch,
komplex und sehr emotional.
Am Schluss setzte der Applaus zu
früh ein, gerne hätte man einige Minuten der Stille gehabt, um das Gesehene und
Gehörte wirken zu lassen. Das Publikum ist begeistert, heftiger Applaus und viele Bravo-Rufe.
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