SoZ - Sozialistische Zeitung |
Das Ergebnis der Verhandlungen zwischen den kommunalen
Arbeitgebern und den 300 Delegierten aus dem Sozial- und Erziehungsdienst, das im August
vorgelegt wurde, ist für viele Beschäftigte sehr unbefriedigend.
Für die
Beschäftigten in den sozialen Diensten, in der Jugendarbeit, in den
Kindertagesstätten und in der Behindertenhilfe wollte Ver.di zwei Kernpunkte in einen
Tarifvertrag zur betrieblichen Gesundheitsförderung schreiben: den Rechtsanspruch, jeden
Arbeitsplatz einmal jährlich auf Gesundheitsgefährdungen untersuchen zu lassen; und
den Anspruch auf Maßnahmen zur Abschaffung der festgestellten Gefahren.
Eine Entgeltordnung konnte
nicht erstreikt werden, da bis Ende des Jahres eine Friedenspflicht besteht. Mit der Einigung
auf den TVöD (Tarifvertrag öffentlicher Dienst) 2005 hatten Ver.di und die
öffentlichen Arbeitgeber verabredet, dass bis Oktober 2007 eine neue Entgeltordnung
geschaffen werden sollte. Die Verhandlungen wurden jedoch hinausgeschoben, inzwischen sind
Übergangsregelungen Standard. So gibt es in den sozialen Diensten und in den Kitas
inzwischen zwei unterschiedlich bezahlte Gruppen: Die vor 2005 eingestellten Fachkräfte
werden nach dem bis 2005 geltenden BAT bezahlt, die nach Oktober 2005 Eingestellten sind
schlechter eingruppiert.
Gesundheitsgefährdungen
gehen sowohl von physischen als auch von psychischen Belastungen aus. Schlagworte wie
zunehmende Verarmung und Verwahrlosung von Kindern, BürgerInnen und Bürgern sind
bittere Realität. In den letzten Jahren haben sich die Fallzahlen und
Kinderschutzfälle deutlich erhöht. Die beruflichen Anforderungen für
Kinderpflegerinnen, Sozialassistenten, Einrichtungsleitungen, Erzieherinnen, Sozialarbeiter,
Sozialpädagoginnen, Heilpädagoginnen haben sich in den letzten Jahren enorm
erhöht; unter den jetzigen Rahmenbedingungen können sie ihnen nicht mehr gerecht
werden. Um darauf aufmerksam zu machen, haben die Beschäftigten in diesen Berufen
gestreikt.
Dabei ging es nicht nur um die
Kitas und die Erzieherinnen, die lassen sich nur in den Medien besser vermarkten. Es ging um
die Arbeitsbedingungen im gesamten Sozial- und Erziehungsdienst. Unter welchem Druck
Sozialarbeit stattfindet, wie man sie verbessern kann und wie die gesellschaftlichen
Bedingungen dafür geändert werden müssen, das findet in den Medien kaum
Beachtung. Kinderschutzfälle sind nur medienwirksam, wenn wieder ein Kind zu Tode
gekommen ist.
Was gibt das Ergebnis her?
Beim Gesundheitsschutz konnte das Recht auf den individuellen Anspruch auf eine
Gefährdungsanalyse vereinbart werden. Jetzt können betriebliche Kommissionen,
zeitlich befristete Gesundheitszirkel, eingerichtet werden, die Belastungen und deren Ursachen
analysieren und Lösungsansätze erarbeiten. Bei unterschiedlichen Auffassungen
über die Maßnahmen muss eine Mehrheit der Arbeitgebervertreter zustimmen. Wenn der
Arbeitgeber die Vorschläge der betrieblichen Kommission ablehnt, muss er das schriftlich
begründen.
Also nichts, was man erzwingen
könnte, nur der oft zitierte „Fuß in der Tür”
Von der neuen Eingruppierung
profitieren die Erzieherinnen, die nach Einführung des TVöD 2005 eingestellt wurden.
Das bestehende Gefüge der Tarife im TVöD wurde nicht durchbrochen — zur Freude
der Arbeitgeber. Langjährige Sozialarbeiterinnen, Erzieher, Kitaleiterinnen, die vom BAT
in den TVÖD geführt wurden, bekommen entweder nur geringe oder keine
Erhöhungen. Die große Gruppe der organisierten „Langjährigen” war
bei den Streiks die aktive, Basis. Bei den Sozialarbeitern in den sozialen Diensten wurde eine
neue Gruppe für eine höhere Bewertung eingeführt. Dies ist gekoppelt an den
Kinderschutz. Ist Sozialarbeit in der Altenhilfe weniger wert?
Dass die
„Langjährigen” streikten, war neu und äußerst günstig. Die
Forderung nach tariflich festgelegtem Gesundheitsschutz hat die Mobilisierung für den
Arbeitskampf tragfähig gemacht. Es wurde deutlich, wie viele Kolleginnen und Kollegen
unter den Arbeitsbedingungen leiden. Meist handelt es sich in dieser Berufsgruppe um Frauen,
die allgemein schlechter bezahlt werden. Sie stehen jetzt da mit einem schalen Geschmack im
Mund. Personalschlüssel und Vertretungsregelungen für Langzeiterkrankungen waren
nicht Gegenstand der Verhandlungen. Nun können sie Gesundheitszirkel gründen und
haben ein Recht auf eine schriftliche Ablehnung des Arbeitgebers bei Ablehnung von
Verbesserungsvorschlägen der Arbeitsbedingungen.
Für das Ergebnis hat nur
eine knappe Mehrheit der Delegierten gestimmt. Hinzu kommt, dass die Delegierten, die
abgestimmt haben, oftmals Urlaubsvertretungen für die Delegierten der „ersten
Stunde” und nicht von Anfang an den Verhandlungen beteiligt waren. Bei einer
Erklärungsfrist bis zum 21.August 2009 gab es keinen Zeitdruck, die Delegierten
hätten sich mit den Streikenden rückkoppeln und den Vorschlag zu diskutieren. Wir
sind in die Sommerpause gegangen im Bewusstsein, die Streiks im August bundesweit langsam
aufzunehmen, um dann im September mit voller Kraft unbefristet oder mindestens bis zur
Bundestagswahl zu streiken. Eine durchaus realistische Streikstrategie, die auch so
vorbereitet war. Anders als dargestellt ist der Vertrag keine deutliche Verbesserung der
Arbeitsbedingungen und der Bezahlung.
Der Gesundheitstarif ist
erstreikbar gewesen. Umso erstaunter waren wir nach der Sommerpause, dass es bei der
Urabstimmung auch um die Eingruppierungen ging. Wir waren für den Gesundheitsschutz und
eine Aufwertungskampagne auf die Straße gegangen. Jetzt haben wir den Eindruck, für
die Nachbesserung der in 2005 von Ver.di erzielten mangelhaften Ergebnisse bei der
Einführung des TVöD gekämpft zu haben. Zwischen Ver.di-Hauptamtlichen und uns
Streikenden wurden immer nur der Gesundheitstarif und die Aufwertungskampagne kommuniziert.
Wir haben sehr engagiert
gekämpft und sind jetzt sehr enttäuscht und frustriert. Leider haben einige in
Düsseldorf ihre ehrenamtlichen Ämter nach langjähriger Aktivität
niedergelegt.
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