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Weil die Milchquote angehoben, somit das Angebot erhöht
wurde, erhalten die Bauern weniger Geld für die von ihnen erzeugte Milch. Von dem, was
die Milch im Laden kostet, geht nicht einmal die Hälfte an die Bauern. Den Rest streicht
der Handel ein.
In den letzten Monaten sind
die Milchpreise wieder drastisch gefallen. Bei den Discountern kostet der Liter Milch derzeit
0,48 Euro. Vor ein paar Monaten waren es noch 0,55 Euro. Das steht in keinem Verhältnis
zum Bedarf der ErzeugerInnen: Sie erhalten teilweise nur 0,19 bis 0,20 Euro je kg Milch. Zum
Überleben brauchen die LandwirtInnen jedoch Preise von 0,38 bis 0,40 Euro je kg. Da
stellt sich die Frage: Wo bleibt der Rest vom Geld, und wer profitiert von den niedrigen
Preisen?
Der Preis, der an die
LandwirtInnen gezahlt wird, ist abhängig von der Qualität der Milch. Eine wichtige
Rolle dafür spielen der Eiweiß- und Fettgehalt sowie die Keimzahl (die Anzahl der
Bakterien) und die Zellzahl (die Anzahl der Blutzellen; der Wert erlaubt einen
Rückschluss auf die Gesundheit des Euters). Die derzeitigen 0,19 bis 0,20 Euro pro kg
Milch sind der Grundpreis bei einem Fettanteil von 3,7%, einem Eiweißanteil von 3,4%
sowie einer Keimzahl von 100000 Einheiten pro Milliliter Milch und einer Anzahl somatischer
Zellen von 400000 pro Milliliter Milch.
Es wird immer ein hoher
Eiweiß- und Fettanteil sowie eine niedrige Keim- und Zellzahl angestrebt. Dementsprechend
gibt es einen Zu- bzw. einen Abschlag. Die Werte für die Keim- und die Zellzahl
dürfen jedoch einmal in zwei aufeinander folgenden Monaten überschritten werden.
Entscheidend für den
Milchpreis sind aber auch Angebot und Nachfrage. Derzeit ist die Nachfrage eher niedrig. Das
Angebot wird durch die Erhöhung der Milchquote noch künstlich erhöht. Um
möglichst hohe Einnahmen zu haben, produzieren die BäuerInnen mehr Milch, um die
neue Milchquote auch auszunutzen. Dadurch werden die Preise noch weiter sinken, und die
Bäuerinnen und Bauern erhalten noch weniger Geld für ihr Produkt. Mit der
Abschaffung der Milchquote bis zum Jahr 2015 wird sich die Situation noch verschärfen.
Dann werden die Bauern versuchen, mit den vorhandenen Produktionsmitteln (Kuh, Futter,
Geräte, Arbeitskraft usw.) soviel qualitativ hochwertige Milch aus der Kuh zu bekommen,
wie nur irgend möglich ist, um ihre Einnahmen zu steigern.
Das ist natürlich mit
gesundheitlichen Risiken und anderen negativen Auswirkungen verbunden. Um viel Fett in die
Milch zu bekommen, braucht die Kuh besonders reichhaltiges Futter. Entweder führt dies zu
höheren Futterkosten, die die Bäuerinnen nicht zahlen können, oder es wird
vermehrt Billigfutter aus den Ausland, vornehmlich sojareiches Futter, eingesetzt. Dadurch
verschärfen sich die bekannten Probleme im Süden. Um die Keim- und Zellzahl
möglichst gering zuhalten, werden vermehrt Antibiotika eingesetzt. Bis die Milch in
Verkehr gebracht wird, ist zwar eine vom Produkt abhängige Wartezeit einzuhalten, aber
negative gesundheitliche Auswirkungen durch die Rückstände sind dennoch zu erwarten.
Außerdem haben die Melker Lohneinbußen zu befürchten. Schon jetzt wird EU-weit
zu viel Milch produziert. Durch die Abschaffung der Milchquote wird sich die Situation noch
verschärfen. Die überschüssige Milch wird in Form von Milchpulver mit Hilfe von
Exportsubventionen in die Länder des Südens exportiert, macht die einheimischen
Preise kaputt und nimmt den BäuerInnen die Lebensgrundlage.
Es ist falsch, den Molkereien
die alleinige Schuld für die niedrigen Preise zu geben. Es lässt sich zwar nicht
recherchieren, wie viel von dem Preis, den die KundInnen den Discountern zahlen müssen,
an die Molkereien geht, und wieviel bei den Discountern bleibt. Sicher ist aber, dass Letztere
den Preis diktieren und die Molkereien geringen Einfluss darauf haben. Das gilt für die
genossenschaftlich organisierten Molkereien. Private Molkereien wie Bauer oder Müller
haben gar keine Lieferverträge mit den Bäuerinnen, denen sind die Milchpreise immer
noch zu hoch. Die privaten Molkereien werden von den genossenschaftlichen Molkereien
beliefert.
Dennoch haben auch die
Molkereien eine Mitschuld. Sie müssen teilweise enorme Abfindungen an ehemalige
Mitarbeitern von übernommenen kleineren Molkereien zahlen. Diese Kosten werden an die
BäuerInnen in Form von niedrigeren Milchpreisen weitergegeben. Auch wird in Regionen, wo
noch Konkurrenz unter den Molkereien besteht, um 0,01 bis 0,02 Euro je Kilogramm Milch mehr
gezahlt als dort, wo eine Molkerei eine Monopolposition innehat. Es ist zu befürchten,
dass durch ein weiteres Zusammengehen von Molkereien der Faktor der Marktbeherrschung bei der
Preisgestaltung weiter zunimmt.
Nachdem in Frankreich die
Milchbauern in einen Lieferstopp getreten sind, haben sich ihnen Bauern aus Belgien,
Österreich, der Schweiz und auch aus Deutschland angeschlossen. Am 15.September
versammelten sich Milchbauern vor deutschen Molkereien zu einer Kundgebung unter dem Motto
„Macht eure Milch selbst” und luden wertvolles Grünfutter ab. Am selben Tag
erklärten auch größere Betriebe mit 700 bis 1100 Kühen in Ostdeutschland,
sich an einem Lieferstopp zu beteiligen. In Frankreich sind derzeit mindestens 50% der
Betriebe im Lieferstopp. Die Bauern verdienen jegliche Unterstützung in ihrem Kampf um
faire Milchpreise.
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