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Die Wanderausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten
Weltkrieg”, die erstmals im September in den Uferhallen in Berlin-Wedding gezeigt wurde,
basiert auf einem Buch mit dem gleichnamigen Titel. Sie dokumentiert den Einsatz der Soldaten
aus den Kolonien im Krieg gegen Hitler. Teil der Ausstellung sind auch Tafeln, die die
Kollaboration mit den Nazis zeigen. Beides zusammen hat zu einer heftigen Kontroverse
geführt.
"Jetzt sind sie selbst einen furchtbaren Tod gestorben —
durch Feuer und Schwert.
Sie starben in ihren Häusern,
sie starben in ihrer Stadt,
und vielleicht ist es besser so.
Denn sonst hätte ihnen der Tod das Herz gebrochen."
Mit diesen Zeilen hat der philippinische Schriftsteller Nick Joaquin an die
Zerstörung Manilas durch das japanische Militär erinnert. Über eine Million
Menschen sind dabei gestorben. In Deutschland ist davon nichts bekannt.
Darüber informiert die
Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg” auf 96 Schautafeln, die in den
nächsten Monaten in verschiedenen deutschen Städten zu sehen sind. Grundlage der
Ausstellung ist das von dem Kölner Journalisten Karl Rössel herausgegebene Buch
Unsere Opfer zählen nicht, das im Verlag Assoziation A herausgegeben wurde. Dort
erzählen Rössel und andere Autoren den Zweiten Weltkrieg aus einer afrikanischen,
südamerikanischen, asiatischen und ozeanischen Perspektive.
Sehr eindrucksvoll ist der
knapp 10-minütige Film Der Freund aus den Kolonien, den der algerische Regisseur Rachid
Bouchareb gedreht hat. Er zeigt wie afrikanische Soldaten auf der Seite der Franzosen gegen
das NS-Regime kämpfen mussten. Sie starben auf den Schlachtfeldern, kamen in
Gefangenschaft und wurden als Afrikaner von den Nazis und ihren Helfershelfern besonderer
Grausamkeit ausgesetzt. Als der Krieg zu Ende wurden sie aus der Armee entlassen, der Sold
wurde ihnen verweigert und als sie dagegen rebellierten, haben französische Offiziere auf
sie geschossen. Denn in der französischen Armee fanden sich genug Rassisten und heimliche
Bewunderer von Hitler und seinem französischen Helfer Petain.
Die Informationstafeln
berichten über ein Massaker, das französische Truppen am 8.Mai 1945 in Algerien
anrichteten. Während überall in Europa die Freude über die Niederlage des NS-
Regimes groß war, starben 3000 algerische Soldaten im Kugelhagel der französischen
Armee. Die Armee dankte ihnen ihren Einsatz im Kampf gegen die Nazis mit Kugeln und mit
Gefangenschaft und Terror für die Überlebenden. Der 8.Mai 1945 hat sich in Algerien
und vielen nordafrikanischen Ländern nicht als Tag des Sieges über das NS-Regime
sondern als Tag des Massakers ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. An diesem Tag wurden
die Grundlagen gelegt für den algerischen Unabhängigkeitskampf.
Auch für die Menschen in
Ozeanien war der Krieg im Mai 1945 nicht zu Ende. Im Kalten Krieg wurden die Inseln für
Atombombenversuche genutzt. Die Anzahl der Menschen, die dabei gestorben sind oder irreparable
gesundheitliche Schäden davon getragen haben, ist bis heute nicht bekannt. Denn auch
heute noch zählt das Leben eines Menschen in Ozeanien, Afrika und Asien weniger als das
Leben eines Europäers. Rössel hat das große Verdienst, mit seinem Buch und der
Ausstellung endlich die vergessenen Befreier vorgestellt zu haben.
Leider war der Beginn der
Ausstellung mit einem Streit belastet, der wohl vor allem auf Missverständnissen und
Empfindlichkeiten beruht. Die Premiere sollte eigentlich in der Neuköllner
„Werkstatt der Kulturen” stattfinden. Aber deren Leiterin Philippa Ebéné
weigerte sich kurzfristig, die Räumlichkeiten wie geplant zur Verfügung zu stellen
— angeblich, weil auf einigen Tafel auch die Kollaboration mit den Nazis dargestellt
wird, die besonders für den arabischen Raum, aber auch für Indien, Thailand und
Argentinien dokumentiert ist. Natürlich bestreiten auch die Kritiker der Ausstellung
nicht, dass es diese Kollaboration gegeben hat. Sie wollen nur die beiden Sachverhalte: die
Kollaboration mit den Nazis und den Einsatz in den Reihen der Alliierten Streitkräfte,
getrennt dokumentiert wissen. Tatsächlich würden beide Themenkomplexe eine eigene
Ausstellung verdienen. Aber da eine solche Exposition natürlich auch finanziert werden
muss, können solche Vorstellungen oft nicht umgesetzt werden.
Rössel betonte, es sei
ihm nicht darum gegangen wäre, eine Hommage für die People of Colour zu inszenieren.
Das ist natürlich auch nicht der Anspruch einer wissenschaftlichen Ausstellung.
Einrichtungen wie die
Werkstatt der Kulturen der Welt hingegen, die von vielen Menschen aus der Dritten Welt besucht
wird, sehen in der Ausstellung über die vergessenen Befreier die längst fällige
Rehabilitierung. Sie leugnen nicht, dass es auf allen Kontinenten Nazihandlanger gab, in
Europa, in Asien, Afrika und Lateinamerika. Aber sie wollen diese historischen Sachverhalte
getrennt dokumentiert sehen. Man kann hierin eine Überempfindlichkeit erkennen. Man kann
aber auch einfach dieses Ansinnen akzeptieren.
In den 90er Jahren gab es eine
ähnliche Auseinandersetzung, anlässlich der Herausgabe der deutschsprachigen Ausgabe
der Malcolm-X-Biografie im Bremer Atlantik-Verlag. Stein des Anstoßes war damals das
Vorwort des Hamburger Publizisten Günther Jacob, der sich in einem Vorwort kritisch mit
der politischen Biografie von Malcolm-X auseinandersetzte. Der Übersetzer Yonas Endaras
kritisierte nicht den Inhalt, aber die Tatsache, dass die Leser, bevor sie überhaupt eine
Zeile der Biografie gelesen haben, schon mit einer Wertung konfrontiert sind. Es gab dann den
Kompromiss, den Text als Nachwort zu drucken.
Die Beteiligten haben die
Auseinandersetzung im Nachhinein als fruchtbare Diskussion gewertet. Es wäre zu hoffen,
dass die Kontroverse um die Ausstellung auch in eine fruchtbare Debatte mündet. Zumal
sich mit dem Neurechten Clemens Henni auch schon Leute zur Wort gemeldet haben, die eine
Beschäftigung mit den vergessenen Befreiern als antiwestlich, antiamerikanisch und
antisemitisch diffamiert hat. Die Ausstellung beschäftige sich nicht mit der Shoah und
sei arabophil. Die Jüdische Gemeinde wiederum wirft der Leiterin der Werkstatt der
Kulturen der Welt indirekt Antisemitismus vor, weil sie sich weigere, die Geschichte der
Kollaboration mit dem NS-System zu zeigen. Eine Sprecherin der Antonio-Amadeus-Stiftung, die
sich seit vielen Jahren sowohl gegen Rassismus wie auch gegen Antisemitismus engagiert,
erklärte dazu: „In Deutschland hat es bis heute keine wirkliche Auseinandersetzung
mit dem Thema Kolonialismus gegeben."
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