SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2009, Seite 21

1989

telegraph, Ostdeutsche Zeitschrift, Berlin

Die Meinungsmacher von Politik, Wirtschaft und Medien werden nicht müde, „Mauerfall”, „Freiheit” „Wiedervereinigung”, „sanfte Revolution”, „Runder Tisch” und ähnliches zu feiern. Dabei haben nicht wir, sondern nur sie Anlass dazu.
Der telegraph, hervorgegangen aus den regimekritischen Umweltblättern der DDR ist eine ostdeutsche Zeitschrift geblieben, mit einer dezidiert linken, nicht staatstragenden, Kritik an der Wende.
Seine jüngste Ausgabe thematisiert das Scheitern von Revolten und Revolutionen. Vordergründig geht es um den 20.Jahrestag der gescheiterten Aktionen in DDR und Mittel-Osteuropa und die gegenwärtige große Krise des kapitalistischen Systems — beide haben weder zu Revolten noch zu Revolutionen geführt. Dann aber spannt sich der Bogen über 1848 zu 1918 mit einem Aufsatz von Rosa Luxemburg, und zu den 68er Jahren in Ost und West mit zwei Beiträgen von Thomas Klein. Polens Versuche mit der Arbeiterselbstverwaltung kommen ebenso in den Blick (in einem Gespräch mit Karol Modzelewski) wie die neuen Hoffnungen in Lateinamerika am Beispiel von Chávez (Malte Daniljuk). Hintergründe und Ziele der damaligen Bewegungen werden mit viel Sachkenntnis dargestellt; Zeitzeugen und Aktivisten kommen zu Wort.
Andreas Schreier macht in seinem Artikel „Die Geschichte der Revolution” deutlich, wie sich ehemalige DDR- Dissidenten oder auch Möchtegern-Dissidenten das Vokabular der Sieger zu eigen machen. Sie sprechen davon, dass die friedliche Revolution in der DDR hätte dazu geführt, dass wir in Frieden, Freiheit und Demokratie — NATO und EU — angekommen wären. Seitens der Bonzen in der DDR war die Maueröffnung aber ein Akt der Gegenrevolution. (Der Verfasser dieser Besprechung meinte am 10.November 1989: „...jetzt müssen wir 10, eher 100 Jahre auf die nächste Revolution warten.")
Frau und Mann möge sich ausrechnen, was für Folgen ein Gelingen des Aufbruchs in der DDR für den Westen gehabt hätte. Aber die Weichen waren schon vorher gestellt. Polen ging uns revolutionär voran, aber auch die Gegenrevolution mit dem Konglomerat aus Parteikadern und Verrätern aus den eigenen Reihen gingen voran. Das lässt sich hier alles nachlesen.
Tadeusz Kowalik beschreibt „Polens dornigen Weg in den Kapitalismus” Schließlich wollte die 1.Solidarnosc die Staatsbetriebe nicht privatisieren, sondern vergesellschaften — Arbeiterräte und andere demokratische Formen waren angedacht. Und das nicht erst 1980; das geistige Fundament wurde bereits bei den Studentenunruhen im März 1968 gelegt.
Kamil Majczak die Formen, durch die der Osten kolonisiert wurde. Auch hier zieht sich wie ein roter Faden die Tatsache durch, dass die Geschichte von den Siegern und Kollaborateuren geschrieben wird.
Tomasz Konicz schließlich geht der Frage nach, ob eine Revolution unmittelbar bevorsteht und unterzieht die gegenwärtige Situation des kapitalistischen Systems einer gründlichen Analyse. Abschließend stellt er die Frage, ob wir uns gegeneinander aufhetzen lassen, oder ob wir den Weg zum solidarischen Handeln finden werden...

Norbert Kollenda


Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo

  Sozialistische Hefte 17   Sozialistische Hefte
für Theorie und Praxis

Sonderausgabe der SoZ
42 Seiten, 5 Euro,

Der Stand der Dinge
Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge   Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken   Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus   Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus   Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden   Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität





zum Anfang