SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2009, Seite 21

Filmtipp

Mit einem Lächeln auf den Lippen,

Dokumentarfilm, Deutschland 2008, Regie: Anne Frisius

Die Regisseurin Anne Frisius beweist Mut in mehrfacher Hinsicht. Mut, ein Thema aufzugreifen, das kaum in der Öffentlichkeit präsent ist, Mut, einen ungerechten, komplexen Sachverhalt aufzurollen und zu vermitteln, ohne auf herkömmliche Gestaltungsmittel im Dokumentarfilm zurückgreifen zu können. Denn zu ihrem Schutz muss die Protagonistin für den Zuschauer unkenntlich bleiben, und die Geschichte, um die es eigentlich geht, liegt in der Vergangenheit. Ana S. heißt die Protagonistin. Vor wenigen Jahren kam sie als Au-pair-Mädchen aus Lateinamerika nach Deutschland, obwohl sie selbst schon Mutter ist. Dass sie weggehen musste, ihre Kinder bei ihren Eltern zurücklassen musste, um Geld zu verdienen, ist normal für sie, es muss normal sein, denn nur so kann sie ihren Kindern einen ausreichenden Lebensunterhalt garantieren. Doch ihre Stimme stockt und man spürt ihren tiefen Schmerz, als sie vom letzten Abschied von ihren Kindern erzählt.
Da die Regisseurin Ana S. natürlich nicht in ihrer Zeit bei der betuchten Hamburger Familie von morgens bis abends begleiten und filmen konnte, erfahren wir davon im Interview. Ihr Gesicht ist verfremdet, doch sehr lebhaft und nachvollziehbar schildert sie, wie sehr sie Teil dieser Familie wurde, von morgens 6.30 Uhr bis abends, nachdem beide Kinder eingeschlafen waren, war sie auf den Beinen. Keine körperliche Schwerstarbeit, aber doch immer zur Verfügung stehen, nie endende Arbeit im Haushalt und mit den Kindern. Sie liebt diese Kinder, immer wieder betont sie, wie sehr sie ein Ersatz für die Eigenen werden. Ein Jahr ist sie offiziell Au pair, 500 Dollar im Monat, die der Arbeitgeber, abgesehen von einem kleinen Taschengeld, auf ein Sparbuch einzahlt. Dann überredet sie ihr Arbeitgeber zu bleiben, obwohl sie dann illegal ist — es wäre unverantwortlich den Kindern gegenüber. Freunde hat sie lange Zeit keine, dass es eine Latino-Gemeinde auch in Hamburg gibt, weiß sie lange Zeit nicht. Durch Zufall trifft sie im Park eine Peruanerin und freundet sich mit ihr an. Diese Freundin verstärkt die Zweifel an ihrer Arbeitgeberfamilie, wie kann das sein, dass du so wenig verdienst?
Das Wagnis der Regisseurin Anne Frisius, den langen Weg zu zeigen, den Ana S. beschreitet, um ihr Recht einzufordern, gelingt. Schön, wie sie durch eine Tänzerin Bewegung in den Film bringt und ihn auf gelungene Weise einrahmt. Erfreulich ist auch, dass die verschiedenen Vertreter von NGOs und der Gewerkschaft sehr sachlich und schlüssig und vor allem, ohne sich in den Vordergrund zu drängen, von Ana S.‘ Arbeitskampf erzählen. Dieser ist wahrlich bemerkenswert und ein Präzedenzfall, denn zum ersten Mal akzeptierte Ver.di eine Arbeiterin ohne Aufenthaltsstatus als Mitglied und gab ihr tatkräftige juristische Unterstützung, um ihr rechtmäßiges Gehalt einzuklagen. Hilfe bekommt Ana S. von mehreren Seiten, so findet sie eine Wohnung, Arbeit und vor allem auch immer mehr Freunde. Ein Fall, der Mut machen soll, und ein Film, der hoffentlich ebenso fähige Nachahmer findet.

Angela Huemer

Der Film kann unter bestellung@kiezfilme.de für 25 Euro plus Versand erworben werden.


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