SoZ - Sozialistische Zeitung |
Die Regisseurin Anne Frisius beweist Mut in mehrfacher Hinsicht.
Mut, ein Thema aufzugreifen, das kaum in der Öffentlichkeit präsent ist, Mut, einen
ungerechten, komplexen Sachverhalt aufzurollen und zu vermitteln, ohne auf herkömmliche
Gestaltungsmittel im Dokumentarfilm zurückgreifen zu können. Denn zu ihrem Schutz
muss die Protagonistin für den Zuschauer unkenntlich bleiben, und die Geschichte, um die
es eigentlich geht, liegt in der Vergangenheit. Ana S. heißt die Protagonistin. Vor
wenigen Jahren kam sie als Au-pair-Mädchen aus Lateinamerika nach Deutschland, obwohl sie
selbst schon Mutter ist. Dass sie weggehen musste, ihre Kinder bei ihren Eltern
zurücklassen musste, um Geld zu verdienen, ist normal für sie, es muss normal sein,
denn nur so kann sie ihren Kindern einen ausreichenden Lebensunterhalt garantieren. Doch ihre
Stimme stockt und man spürt ihren tiefen Schmerz, als sie vom letzten Abschied von ihren
Kindern erzählt.
Da die Regisseurin Ana S.
natürlich nicht in ihrer Zeit bei der betuchten Hamburger Familie von morgens bis abends
begleiten und filmen konnte, erfahren wir davon im Interview. Ihr Gesicht ist verfremdet, doch
sehr lebhaft und nachvollziehbar schildert sie, wie sehr sie Teil dieser Familie wurde, von
morgens 6.30 Uhr bis abends, nachdem beide Kinder eingeschlafen waren, war sie auf den Beinen.
Keine körperliche Schwerstarbeit, aber doch immer zur Verfügung stehen, nie endende
Arbeit im Haushalt und mit den Kindern. Sie liebt diese Kinder, immer wieder betont sie, wie
sehr sie ein Ersatz für die Eigenen werden. Ein Jahr ist sie offiziell Au pair, 500
Dollar im Monat, die der Arbeitgeber, abgesehen von einem kleinen Taschengeld, auf ein
Sparbuch einzahlt. Dann überredet sie ihr Arbeitgeber zu bleiben, obwohl sie dann illegal
ist — es wäre unverantwortlich den Kindern gegenüber. Freunde hat sie lange
Zeit keine, dass es eine Latino-Gemeinde auch in Hamburg gibt, weiß sie lange Zeit nicht.
Durch Zufall trifft sie im Park eine Peruanerin und freundet sich mit ihr an. Diese Freundin
verstärkt die Zweifel an ihrer Arbeitgeberfamilie, wie kann das sein, dass du so wenig
verdienst?
Das Wagnis der Regisseurin
Anne Frisius, den langen Weg zu zeigen, den Ana S. beschreitet, um ihr Recht einzufordern,
gelingt. Schön, wie sie durch eine Tänzerin Bewegung in den Film bringt und ihn auf
gelungene Weise einrahmt. Erfreulich ist auch, dass die verschiedenen Vertreter von NGOs und
der Gewerkschaft sehr sachlich und schlüssig und vor allem, ohne sich in den Vordergrund
zu drängen, von Ana S. Arbeitskampf erzählen. Dieser ist wahrlich
bemerkenswert und ein Präzedenzfall, denn zum ersten Mal akzeptierte Ver.di eine
Arbeiterin ohne Aufenthaltsstatus als Mitglied und gab ihr tatkräftige juristische
Unterstützung, um ihr rechtmäßiges Gehalt einzuklagen. Hilfe bekommt Ana S. von
mehreren Seiten, so findet sie eine Wohnung, Arbeit und vor allem auch immer mehr Freunde. Ein
Fall, der Mut machen soll, und ein Film, der hoffentlich ebenso fähige Nachahmer findet.
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