SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2009, Seite 05

Nach der Wahl und in der Krise

Für einen offensiven Machtanspruch

von Thomas Goes

Der Autor ist Mitglied der Partei DIE LINKE im Kreisvorstand Kassel

In Deutschland steht es etwa 50:50. Das bürgerliche Lager hat nur einen hauchdünnen Vorsprung vor dem linken Wählerlager — wenngleich diesem die zugehörigen wirklich linken Parteien fehlen. Es bleibt aber, dass die Zustimmung zu irgendwie gewünschter linker Politik bei knapp 46% liegt. Wahr ist aber auch, dass 30% der möglichen Wähler lieber gleich Zuhause blieben — die Legitimationskrise des politischen Systems lässt grüßen. Soweit der Spielstand.
Diese Regierung ist alles andere als allmächtig: Die Wirtschaftskrise wird zu weiteren Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt führen. Der Atomkonflikt ist vorprogrammiert. Merkel und Co. werden die bisher verursachten Kosten durch Ausgabensenkung und/oder allgemeine Steuererhöhungen zu decken versuchen. Dass die FDP breitbrüstig den dogmatischen Marktflügel der Koalition gibt, könnte selbst zur Instabilität der Regierung, mindestens aber zu Spannungen führen: Immerhin muss die CDU versuchen, ihren eigenen christlich-sozialen Flügel zu integrieren. Und auch in den Gewerkschaftszentralen wird man wissen: Ohne Mobilisierung wird gegen Regierung und Kapital wenig zu holen sein.
Die Losung ist klar: Die Linke muss der kämpferischste Teil der Opposition sein! Nur: Sie sollte Opposition nicht gleichsetzen mit Parlamentsopposition. Die ist wichtig, wenn sie politische Alternativen sichtbar macht und der gesellschaftlichen Linken außerhalb des Parlaments Luft zum Atmen gibt. Gesellschaftliche Opposition aber ist die LINKE nicht einfach, sie kann sie höchstens mit aufbauen. Dazu muss sie sich tatsächlich in die sozialen und politischen Auseinandersetzungen einmischen. Die finden bekanntlich aber nicht irgendwo, sondern vor unserer Haustür statt. Neben den globalen erwartbaren Angriffen auf unsere sozialen Interessen, auf die die Partei mit Kampagnen- und mobilisierender Bündnisarbeit antworten muss, sind das die lokalen Auswirkungen der Krisenpolitik. Die Sparpolitik wird in den Städten und Kommunen zu geringeren Ausgaben bei sozialen und kulturellen Dienstleistungen führen. Und der Anstieg der Erwerbslosigkeit trifft wirkliche Menschen. An deren Seite ist unser Platz. Wenn die LINKE eine Funktion hat, dann die, mit den Betroffenen gemeinsam darüber nachzudenken, wie sie sich wehren können.
Das simple Ziel muss sein, im ersten Regierungsjahr mindestens eins der „Reform"projekte scheitern zu lassen. Mit durchdachten Parlamentsanträgen wird das nicht gelingen. Es müssen breite Aktionsbündnisse gebildet werden — übrigens auch mit Sozialdemokraten, wo sie für die Verteidigung der sozialen und politischen Interessen der Bevölkerung kämpfen und Proteste nicht instrumentalisieren wollen. Sollen sie doch Farbe bekennen! Plenarsitzungsverliebte Parlamentsriesen werden dazu kaum einen Beitrag leisten.
Beides muss getan werden: den politischen Machtanspruch stellen und gesellschaftliche Opposition mit aufbauen. Macht ist nicht gleich Macht. Die Rechte kann ohne eine auf Selbsttätigkeit zielende politische Mobilisierung der Bevölkerung regieren. Linke Inhalte sind gegen Konzerne und Staatsbürokratie nur durchzusetzen, wenn sie von sozialen Kämpfen getragen werden. Und auch Politik ist nicht gleich Politik. Bürgerliche Politik gewinnt ihre Kraft dadurch, dass institutionell und alltäglich die Bevölkerungsmehrheit aus der Politik ausgeschlossen wird. Linke Politik muss sich davon unterscheiden. Sie braucht — das ist ihre einzige Hoffnung — den Einbruch der Bevölkerung in die Politik. Eine linke Regierung hätte im Bündnis mit ihr nur eine Aufgabe: Das Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten zu verschieben, aus der Regierung heraus zu mobilisieren.
Wir müssen alles tun, um Lust und Mut der Menschen zur Eigentätigkeit zu fördern. Könnten wir das durch Regierungsbeteiligungen in Bund, Ländern oder Kommunen erreichen, dann sollten wir das tun. Das würde allerdings einiges voraussetzen, nicht zuletzt einen Umschwung im gesellschaftlichen Kräfteverhältnis. Ohne Bewegung ist im kapitalistischen Staat nichts zu holen — und selbst dann wird es nicht einfach.
Die Alternativen heißen aber auch heute schon nicht: Regierung oder Opposition?, sondern angepasstes Mitregieren à la Berlin oder eine Regierung im Bündnis mit den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen — eine Regierung, die Bewegungen nicht kleinregieren, sondern ihnen Gestaltungsraum geben will. Die dann auszugebende Losung wäre: Die Linke in die Regierung, die Bewegungen an die Macht!


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