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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2009, Seite 08

Bremerhaven: Hafenarbeiter gehen an die Öffentlichkeit

"Wir sind die GHB"

von Jochen Gester

Schon Monate vor der Bundestagswahl ist die Weltwirtschaftskrise in den Häfen angekommen. Nicht nur die Existenz der Werften steht auf dem Spiel. Auch viele Hafenbetriebe stecken auf Grund des Frachtrückgangs um bis zu 50% vor der Frage, wie sie sich unkalkulierte Mehrkosten möglichst vom Hals halten können.
Über den vom Hafen-Personaldienstleister GHB (Gesamthafenbetriebsverein) in Bremerhaven gewählten Weg gibt es nun einen offenen Konflikt. Ver.di und der Gesamtbetriebsrat hatten einem Sozialplan zugestimmt, um eine drohende Insolvenz abzuwenden. Seine Eckpunkte haben die Belegschaft, die noch vor einigen Jahren erfolgreich an der Bekämpfung der Port Package II (der EU-Hafenrichtlinie) teilgenommen hatte, jedoch gespalten.
Der Sozialplan sieht Entlassungen bzw. Änderungskündigungen mit massiven Verschlechterungen für insgesamt 1300 der bisher 2700 Beschäftigten vor. Nach den neuen Beschäftigungsbedingungen werden die Löhne von 15 auf gut 8 Euro gesenkt, weitere tarifliche Leistungen werden eingeschränkt, und der Arbeitgeber kann die Schichtzeiten bei Bedarf auf vier Stunden verkürzen.
Gegen diese krasse Prekarisierung und gegen eine Personalauswahl, bei der sich ein Teil der älteren KollegInnen benachteiligt sieht, hat sich ein Komitee der betroffenen Arbeiter gebildet, das unter dem Namen Wir sind der GHB öffentlich auftritt und die Solidarität mit anderen Lohnabhängigen sucht. Die Aktivisten haben eine Unterschriftensammlung für den Rücktritt des Betriebsrats initiiert, mehr als ein Viertel der Belegschaft hat unterschrieben. Auch wurden schon mehrere Demonstrationen und Veranstaltungen organisiert.
In einem Flugblatt der Initiative heißt es unter Was wir fordern: „Jeder Arbeitnehmer sollte von dem Geld, das er durch seiner Hände Arbeit verdient, in Würde leben können und nicht durch Lohndumping zum Hartz-IV-Aufstocker werden. Es muss verhindert werden, dass die Lohnschraube immer mehr nach unten gedreht wird."
Das Komitee fordert, „dass die Geschäftsführung des GHBV Bremen und Bremerhaven alle Änderungs-, sowie Beendigungskündigungen im Bereich Hafen und Distribution wieder zurücknimmt und mit uns einen vernünftigen und fairen Sozialplan ausarbeitet”
An die Adresse der eigenen Gewerkschaft gerichtet fordern die Gemaßregelten „absolute Loyalität des GHBV Betriebsrates und der Gewerkschaft Ver.di gegenüber allen Arbeitnehmern, Eingestehen der Fehler und für die Zukunft keine existenzbedrohenden Tarifverträge sowie keine Unterwanderung durch Fremdfirmen”
Die hier in Bewegung geratenen Teile der GHB-Belegschaft haben in der kurzen Zeit erfahren, dass sie von ihrer Geschäftsleitung nach dem Ende der fetten Jahre wie lästige Mitesser abserviert wurden. Sie mussten aber auch lernen, dass die von ihnen gewählte Interessenvertretung sie nicht mehr vertreten wollte. Schließlich sehen sie sich auf der Suche nach Unterstützung noch damit konfrontiert, dass diverse selbsterklärte Avantgarden sie gerne als Parteisoldaten in ihre Schlachtordnung integrieren möchten. Doch bisher lassen sie sich nicht ihren Schneid abkaufen. Zur Verteidigung ihrer Autonomie haben sie u.a. geregelt, dass nur Beschäftigte der GHB oder von der GHB-Entlassene Mitglieder des Komitees werden können.


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