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SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2009, Seite 20

Die Köln-Afrika-Connection

Zur Filmreihe Africa goes Cologne — Cologne goes Africa

von Andreas Bodden

Laut offizieller Statistik leben in Köln etwa 10.000 Afrikanerinnen und Afrikaner. Wenn man die mittlerweile Eingebürgerten, die der zweiten und dritten Generation und die Illegalisierten mitzählt, kommt man vermutlich auf doppelt so viele Kölnerinnen und Kölner, die afrikanische Wurzeln haben.
Die Gruppe FilmInitiativ hat seit Jahren zwei Schwerpunkte: In ihrer alle zwei Jahre stattfindenden Filmreihe Jenseits von Europa bringt sie neue afrikanische Filme in die Kölner Kinos. Der andere Schwerpunkt ist Köln im Film, wo filmische Zeugnisse aus und über Köln gesammelt, in unregelmäßig stattfindenden Reihen vorgestellt werden und so die Kölner Stadtgeschichte mit filmischen Mitteln kritisch reflektiert wird.
Es war schon lange überfällig, die beiden Schwerpunkte in einer Filmreihe zusammen zu führen. Vom 24. bis zum 27.September 2009 fand im Filmforum im Museum Ludwig zu diesem Zweck die Filmreihe Africa goes Cologne — Cologne goes Africa statt. Vorgestellt wurden Dokumentarfilme über Afrikaner in Köln und Spielfilme afrikanischer Regisseure, die jeweils zum Teil in Köln spielen.
Den Auftakt machten zwei Entdeckungen im WDR-Archiv aus den 60er Jahren. Zuerst wurde ein 14 Minuten kurzes Porträt des afroamerikanischen Jazz-Musikers Jimmy Woode Junior aus dem Jahr 1967 gezeigt. Woode lebte und arbeitete in den 60er Jahren in Köln. Der Film folgt ihm auf seinem Weg durch die Stadt, dabei werden die Eigenheiten Kölns aus dem Off zum Teil ironisch kommentiert.
In dem 17 Minuten kurzen Beitrag Der schwarze Doktor aus dem Jahr 1965 geht es um Bart Williams aus Sierra Leone, der zum Studium an die Kölner Universität gekommen ist. Der Film dokumentiert den Paternalismus der damaligen Mitarbeiter des Kölner Studienkollegs gegenüber den afrikanischen Studierenden, verwendet ganz selbstverständlich heute als rassistisch geltende Wörter wie „Neger” und verbreitet gleichzeitig ansatzweise fortschrittliche Gedanken. So macht er Werbung für die Zusammenarbeit mit Afrika, weil wir doch alle in einer Welt leben. Der für heutige Zuschauer befremdlich wirkende Beitrag ist als interessantes Zeitdokument zu verstehen, das ein interessantes Schlaglicht auf die BRD-Gesellschaft Mitte der 60er Jahre wirft.
Mit Clando wurde ein Film präsentiert, der fast schon ein Klassiker kölsch- afrikanischer Filmkooperation ist. Der kamerunische Regisseur Jean-Marie Teno realisierte den Film 1996 über weite Strecken in Köln, wobei einige Kölner Laiendarsteller mitwirkten. Erzählt wird die Geschichte von Sobgui Anatol, der vor Folter und politischer Verfolgung nach Deutschland flieht, wo er in Köln lebt. Er findet hier die Liebe zu Irene, macht aber auch Erfahrungen mit Rassismus und schlechten Lebensbedingungen.
In weiteren Fernsehbeiträgen aus dem WDR-Archiv werden Rassismus im Kölner Karneval und die durch Proteste von Initiativen wie dem Kölner Südafrika-Komitee Ende der 1980er Jahre erzwungene Umbenennung von Straßen thematisiert, die nach deutschen Kolonialisten wie Carl Peters und Adolf Lüderitz benannt waren. Der Film Recolonize Cologne von Kanak Attack thematisiert satirisch die fehlende Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte, indem ein fiktiver „Kaiser von Kamerun” einen Teil der Kölner Schildergasse — Deutschlands am zweithäufigsten besuchte Einkaufsstraße — symbolisch als Entschädigung für den deutschen Kolonialismus in Besitz nimmt. Der Film wurde im realen Einkaufsgetriebe aufgenommen, die Reaktionen der Passanten sind teilweise unfreiwillig komisch. Der Titel des Films spielt darauf an, dass Köln in der Antike als Colonia Claudia Ara Agrippinensium römische Kolonie war.1
Der Dokumentarfilm Yes I am thematisiert am Beispiel der Musiker Adé, D- Flame und Mamadee die Situation von Afro-Deutschen. Adé und Mamadee leben in Köln. Sie alle haben einen afrikanischen Vater und eine deutsche Mutter. Obwohl sie in Deutschland geboren und sozialisiert wurden, gelten sie für ihre deutsche Umwelt oft als „Ausländer”, werden ausgegrenzt und sind auch mit Rassismus konfrontiert. Nach dem Mord an dem Mosambikaner Alberto Adriano in Dessau begegneten sich die drei zum ersten Mal und arbeiteten in dem antirassistischen Musikprojekt Brothers Keepers mit. Der Film beleuchtet die drei Lebenswege sehr genau, dabei kommen auch die Mütter zu Wort. Zu bestimmten tragischen Ereignissen macht die Mutter von Adé vor der Kamera so weitgehende und ihr offenbar sehr schwer fallende Aussagen über die Umstände des Todes ihres Mannes, der in Nigeria ermordet wurde, dass man sich fragt, ob die Filmemacher hier nicht zu weit gegangen sind und die Kamera nicht besser abgeschaltet hätten. Ansonsten bietet der Film interessante Einblicke in die Lebenswelten junger Afro-Deutscher, die vielleicht auch Anlass geben, das eigene Verhalten kritisch zu hinterfragen.
Unbestrittener Höhepunkt der Filmreihe war der Film Teza des äthiopischen Regisseurs Haile Gerima. Anhand der Biografie des Arztes Anberber werden drei Jahrzehnte äthiopischer Geschichte vom Sturz Kaiser Haile Selassies 1973 über die Diktatur von Mengistu Haile Mariam bis zur Machtübernahme der ex-maoistischen EPRDF in den 90er Jahren dargestellt. Dabei wird sowohl die Rückständigkeit Äthiopiens unter dem Feudalherrscher Haile Selassie als auch die Repression unter dem nominell sozialistischen Regime Mengistu Haile Mariams eindrucksvoll inszeniert. Im Rahmen der Filmhandlung absolviert Anberber sein Medizinstudium in Köln, wo auch die in Deutschland spielenden Szenen gedreht wurden. Der größere Teil des Films wurde in Äthiopien gedreht. Durch die dichte Inszenierung, die hervorragenden Schauspieler und die wundervollen Bilder des italienischen Kameramanns Mario Masini wird der Film zu einem echten cineastischen Erlebnis. Im Januar 2010 soll Teza regulär in den deutschen Kinos anlaufen.
Den netten Abschluss der Filmreihe bildeten Aufnahmen vom gemeinsamen Konzert der Kölner Band überhaupt, der Bläck Fööss, mit der südafrikanischen Musikgruppe Ladysmith Black Mambazo aus dem Jahr 1991.
Insgesamt eine gelungene Filmreihe, die interessante Einblicke in afrikanisches und afro-deutsches Leben in Deutschland ermöglichte, bei der die überwiegend „bio-deutschen"2 Zuschauer hoffentlich auch etwas dazu gelernt haben.

1. Die Erhebung zur Colonia bedeutete in der römischen Antike die Verleihung der Stadtrechte, Kanak Attack versteht den Begriff aber im Rahmen der Satire in seiner späteren Bedeutung.
2. Der satirische Begriff „Bio-Deutsche” wurde von Kanak Attack für Deutsche ohne außerdeutsche Wurzeln geprägt.




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