SoZ - Sozialistische Zeitung

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SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2009, Seite 21

Prokla, Nr.155, Juni 2009,

Münster: Westfälisches Dampfboot, 348 Seiten, 12 Euro

von Jochen Gester

Die Redaktion der Prokla hat mit der Heftnummer 155 zum Thema Sozialismus? eine lesenswerte Artikelsammlung zusammengestellt. Sie will Antworten darauf geben, an welche historischen Erfahrungen der Arbeiterbewegung wir heute anknüpfen können, und mit welchen Traditionen gebrochen werden sollte.
Die Redaktion erkennt ein erneutes Bedürfnis nach theoretischer Durchdringung des Kapitalismus. Das habe es möglich gemacht, den Sozialismus wieder zu einem Bezugspunkt der wissenschaftlichen und politischen Diskussion zu machen.
"Um (jedoch) nicht im schlechten Sinne utopisch zu sein, müssen Konzeptionen des Sozialismus von der Kritik am Kapitalismus und an den gescheiterten historischen Versuchen des Übergangs zum Sozialismus ausgehen.” Denn „die Menschen müssen, selbst wenn sie für den Sozialismus Sympathie haben, befürchten, bei jedem weiteren Versuch, ihn herzustellen, das wenige Gute, was sie haben, zu verlieren."
Um historische Hypotheken zu benennen und die Konturen einer überlebensfähigen Alternative zum Kapitalismus sichtbar zu machen, wurden acht Autoren um Beiträge gebeten.
Alex Demirovic versucht zu begründen, warum eine Rätedemokratie nach wie vor die geeignete Form ist, die bürgerliche Klassenherrschaft zu überwinden. Die notwendige Form der Räte entwickelt er aus der Kritik der Funktionsweise des bürgerlichen Staates und macht dabei einen neuen Anlauf, Argumente für die klassische Marx‘sche Argumentation gegen die Gewaltenteilung zusammenzutragen. Dies ist neu, denn vor dem Hintergrund totalitärer Tendenzen im sog. Realsozialismus war die Sympathie für die Gewaltenteilung auch unter Linken stark gestiegen. Raul Zelik rekapituliert die Versuche, markwirtschaftliche Regulationen durch staatliche Steuerungsformen zu ersetzen, und kommt zum Ergebnis, dass diese Bilanz in vielerlei Hinsicht noch schlechter ausgefallen ist als die des Kapitalismus. Er plädiert deshalb für einen eher pragmatischen Umgang mit dieser Frage, die er nicht als Kernfrage dafür ansieht, ob eine Gesellschaft sozialistisch ist oder nicht. Die Gegenposition dazu vertritt Katharina Götsch, die die Suche nach einem wie auch immer gearteten Marktsozialismus für eine Sackgasse hält. Besonders gelungen dabei ist aus meiner Sicht ihre Kurzanalyse des Scheiterns des jugoslawischen Selbstverwaltungssozialismus.
In gewisser Hinsicht wirklich theoretisches Neuland betritt Christian Siefkes, der aus der Erfahrung der freien Softwarebewegung heraus mögliche Grundprinzipien für eine Ökonomie der freien Assoziationen entwickelt. Hendrik Wallat bewegt sich in seinem Beitrag durch die blauen Bände und weiß viele, und zum Teil wenig bekannte, Marxäußerungen zusammenzutragen, die ein Bild davon zeichnen, worin für Marx die Essentials einer nichtkapitalistischen Gesellschaft bestanden. Rolf Hoffrogge analysiert die Sozialismuskonzepte der deutschen Arbeiterbewegung von 1848—1920 und benennt zentrale theoretische Irrtümer, die dazu führten, dass die deutsche Sozialdemokratie auch nach der „marxistischen Wende” keine realitätstaugliche Strategie für eine soziale Revolution entwickeln konnte.
Marcel van der Linden stellt marxistische Kritiken der Sowjetgesellschaft vor und kommt zum Schluss, dass keine widerspruchslos mit Marx‘schen Kategorien arbeiten kann. Im letzten Beitrag will Renate Hürtgen die Frage beantworten, ob die VEB in der DDR einen Fortschritt gegenüber den Herrschaftsstrukturen in kapitalistischen Betrieben darstellten. Sie sieht die Gemeinsamkeiten dominieren und resümiert, dass Staat und Partei weder in ihren Ansätzen noch ihrer Möglichkeit nach einen Emanzipationsprozess eingeleitet haben. So überzeugend mir ihre generelle Argumentation scheint, ist sie mir dann in dieser Konsequenz doch zu kategorisch.


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