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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2009, Seite 12

"Buy American!"

Eine Kampagne von Unternehmern und Gewerkschaften

von Judy Ancel

Am 7.April protestierten Stahlarbeiter in Granite City, Illinois, auf einer Kundgebung gegen die Verwendung von Röhren aus Indien für eine Mammut-Ölpipeline, die von Alberta nach Illinois gelegt werden soll. Zweitausend Stahlarbeiter waren gerade aus dem Werk Granite City von U.S.Steel entlassen worden; sie hätten den Stahl für solche Röhren herstellen können. Die Kundgebung wurde organisiert von der Gewerkschaft und der Alliance for American Manufacturing, eine Partnerschaft zwischen der Stahlarbeitergewerkschaft USW und den Konzernen U.S.Steel und Allegheny Technologies.
Was heißt „Buy American"? Ein Gewerkschaftsvertreter bei AT&T erklärt dazu: Die Produkte, die wir hier bearbeiten, kommen und gehen aus und in aller Herren Länder. Die Produktionskette ist so weitläufig, dass die Gewerkschaft sie nicht überblickt. Dann fügt er hinzu: „In dieser Zeit hoher Arbeitslosigkeit könnte das Unternehmen sich an die Spitze stellen, patriotisch sein und die Arbeitsplätze wieder hierher zurück verlagern."
AT&T patriotisch? Die Bezeichnung „Amerikanisch” hat das Unternehmen vor langer Zeit aus seinem Namen getilgt.
Ein örtliche Gewerkschaftsvorsitzender der Automobilarbeitergewerkschaft UAW meint, amerikanische Autos kaufen bedeute, Autos der großen drei (GM, Chrysler, Ford) zu kaufen, weil die ausländischen Konzerne ihre Gewinne ins Ausland transferieren würden.
Heißt das, wenn Fiat Chrysler kauft, kaufen wir keinen Chrysler mehr? U.S. Steel und Allegheny Technologies produzieren Stahl auch in England, Kanada, China, Mexiko, der Slowakei, Serbien und Brasilien.
Dieses Herangehen an die Arbeitsplätze: „Wir oder sie”, geschieht überall. Der rasante Anstieg der Arbeitsplatzvernichtung bringt die Arbeiter und ihre Gewerkschaften zur Verzweiflung. Deshalb gehen sie der Kampagne „Buy American” und den Ansätzen für einen Wirtschaftsnationalismus auf den Leim.

Opfer des Protektionismus

Buy American ist ein großartiges Ablenkungsmanöver. Es zielt viel stärker auf die Verbraucher als auf die Unternehmen und Regierungen, die über die Vernichtung von Arbeitsplätzen entscheiden. Wenn Gewerkschaften sich dem Nationalismus zuwenden, verwirren sie die Arbeiter darüber, wer ihre Verbündeten und wer ihre Feinde sind. Unsere Geschichte zeigt, dass wir damit in eine Sackgasse geraten.
In den 70er und 80er Jahren, als der Aderlass der Arbeitsplätze in der verarbeitenden Industrie anfing und die Konzerne begannen, weltweit zu agieren, reagierten die Gewerkschaften mit dem Ruf nach Handelsprotektion und „Kauft amerikanische Produkte” Anti-Toyota-Kundgebungen waren an der Tagesordnung. Vincent Chin, ein chinesisch-amerikanischer Ingenieur in Detroit, wurde von einem entlassenen Werksaufseher zu Tode geprügelt, der glaubte, Chin sei Japaner. Der Mörder bekam Bewährung.
Noch weiter zurück in der Geschichte, während der Zeit der Großen Depression, unterstützten Medienmogule wie William Randolph Hearst und einige Industriebarone den Buy America Act: Das Gesetz wurde 1933 vom Kongress beschlossen und forderte von der US-Regierung, bei ihren Einkäufen Produkte US-amerikanische Produkte zu bevorzugen. Sie bildeten Made in America Clubs, um ihrer Initiative den Anschein einer Volksbewegung zu geben.
Opfer dieser Fremdenfeindlichkeit wurden jedoch die Migranten. Viele Gewerkschaftsführer schlossen sich der Forderung an, nur einheimische Arbeiter dürften Arbeitsplätze bekommen. Zwischen 1930 und 1935 führte die Regierung Razzien gegen eingewanderte mexikanische Arbeiter durch, sie mündeten in der Deportation von über einer halben Million Mexikanern.
Heute hat sich die Sichtweise der Gewerkschaften in Bezug auf Fremdarbeiter grundlegend geändert, doch hören wir aus ihren enthusiastischen Reaktionen auf den rechtsextremen Fernsehmoderator Lou Dobbs ein beunruhigendes Echo der 30er Jahre heraus. Dobbs wird von zahlreichen Gewerkschaften als Champion der arbeitsamen Mittelklasse, des Freihandels und des „Made in America” gefeiert; er fordert besessen, die Migranten aus dem Land zu halten.

Eine falsche Debatte

In den „Buy-American"-Kampagnen schließen sich oft Gewerkschaften mit Unternehmen zusammen, so auch in der Initiative der Stahlarbeiter „Unterstützt amerikanische Produktion” Dave Dowling, ein führender Vertreter der USW, der die Kindgebung in Granite City organisiert hat, sagt, diese Partnerschaft sei rein taktischer Natur. Die Mitglieder seiner Gewerkschaft machten sich keine Illusionen über U.S. Steel. „Die Mitglieder verstehen, warum wir das tun. Sie wissen, dass das Unternehmen uns mit Haut und Haaren verkaufen würde, wenn das in seine Pläne passt. Können wir nicht über den Niedergang der amerikanischen Industrie und den Verlust der Arbeitsplätze reden, ohne als Protektionisten beschimpft zu werden?"
Das ist die falsche Debatte. Die Alternative lautet nicht: Konzerngesteuerte Globalisierung, wo Multis die Welt nach billiger Arbeit absuchen, oder nationalistischer Protektionismus, wo dieselben Multis uns mit patriotischen Phrasen von den Arbeitern anderer Ländern entzweien wollen.
Wie können wir für gute Arbeit einstehen, ohne uns gegeneinander auszuspielen — zu Hause und weltweit? Die Gewerkschaften gewannen an Ansehen in den USA, als sie die Konkurrenz um die Löhne beendeten, indem sie ganze Industriezweige organisierten. Auf dem heutigen globalen Arbeitsmarkt stehen die Löhne wieder in Konkurrenz zueinander, und es ist wieder unser Job, sie so anzugleichen, dass die Unternehmen uns nicht kleinhacken können.
In einer globalen Ökonomie müssen wir uns entlang der Produktionsketten organisieren, denn unsere Stärke liegt in der Solidarität, nicht in der Konkurrenz. Gewerkschaften können Arbeiter zusammenbringen und ihnen die Argumente liefern, mit denen sie Nationalisten wie Lou Dobbs kritisieren können.
Eine weltweite Bewegung für gute Arbeit muss die Nationen in die Lage versetzen, Pläne zu entwerfen, wie die Bedürfnisse jeder Nation befriedigt werden können, ohne dass die Arbeiter aufeinander gehetzt werden.

Aus: Labor Notes, Mai 2009. Judy Ancel unterrichtet an der Universität von Kansas City (Missouri). Sie praktiziert grenzübergreifende Solidarität.


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