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Am 7.April protestierten Stahlarbeiter in
Granite City, Illinois, auf einer Kundgebung gegen die Verwendung von
Röhren aus Indien für eine Mammut-Ölpipeline, die von
Alberta nach Illinois gelegt werden soll. Zweitausend Stahlarbeiter waren
gerade aus dem Werk Granite City von U.S.Steel entlassen worden; sie
hätten den Stahl für solche Röhren herstellen können.
Die Kundgebung wurde organisiert von der Gewerkschaft und der Alliance for
American Manufacturing, eine Partnerschaft zwischen der
Stahlarbeitergewerkschaft USW und den Konzernen U.S.Steel und Allegheny
Technologies.
Was
heißt „Buy American"? Ein Gewerkschaftsvertreter bei
AT&T erklärt dazu: Die Produkte, die wir hier bearbeiten, kommen
und gehen aus und in aller Herren Länder. Die Produktionskette ist so
weitläufig, dass die Gewerkschaft sie nicht überblickt. Dann
fügt er hinzu: „In dieser Zeit hoher Arbeitslosigkeit
könnte das Unternehmen sich an die Spitze stellen, patriotisch sein
und die Arbeitsplätze wieder hierher zurück verlagern."
AT&T
patriotisch? Die Bezeichnung „Amerikanisch” hat das Unternehmen
vor langer Zeit aus seinem Namen getilgt.
Ein
örtliche Gewerkschaftsvorsitzender der Automobilarbeitergewerkschaft
UAW meint, amerikanische Autos kaufen bedeute, Autos der großen drei
(GM, Chrysler, Ford) zu kaufen, weil die ausländischen Konzerne ihre
Gewinne ins Ausland transferieren würden.
Heißt
das, wenn Fiat Chrysler kauft, kaufen wir keinen Chrysler mehr? U.S. Steel
und Allegheny Technologies produzieren Stahl auch in England, Kanada,
China, Mexiko, der Slowakei, Serbien und Brasilien.
Dieses
Herangehen an die Arbeitsplätze: „Wir oder sie”, geschieht
überall. Der rasante Anstieg der Arbeitsplatzvernichtung bringt die
Arbeiter und ihre Gewerkschaften zur Verzweiflung. Deshalb gehen sie der
Kampagne „Buy American” und den Ansätzen für einen
Wirtschaftsnationalismus auf den Leim.
Buy American ist ein großartiges Ablenkungsmanöver. Es zielt
viel stärker auf die Verbraucher als auf die Unternehmen und
Regierungen, die über die Vernichtung von Arbeitsplätzen
entscheiden. Wenn Gewerkschaften sich dem Nationalismus zuwenden, verwirren
sie die Arbeiter darüber, wer ihre Verbündeten und wer ihre
Feinde sind. Unsere Geschichte zeigt, dass wir damit in eine Sackgasse
geraten.
In den 70er
und 80er Jahren, als der Aderlass der Arbeitsplätze in der
verarbeitenden Industrie anfing und die Konzerne begannen, weltweit zu
agieren, reagierten die Gewerkschaften mit dem Ruf nach Handelsprotektion
und „Kauft amerikanische Produkte” Anti-Toyota-Kundgebungen
waren an der Tagesordnung. Vincent Chin, ein chinesisch-amerikanischer
Ingenieur in Detroit, wurde von einem entlassenen Werksaufseher zu Tode
geprügelt, der glaubte, Chin sei Japaner. Der Mörder bekam
Bewährung.
Noch weiter
zurück in der Geschichte, während der Zeit der Großen
Depression, unterstützten Medienmogule wie William Randolph Hearst und
einige Industriebarone den Buy America Act: Das Gesetz wurde 1933 vom
Kongress beschlossen und forderte von der US-Regierung, bei ihren
Einkäufen Produkte US-amerikanische Produkte zu bevorzugen. Sie
bildeten Made in America Clubs, um ihrer Initiative den Anschein einer
Volksbewegung zu geben.
Opfer
dieser Fremdenfeindlichkeit wurden jedoch die Migranten. Viele
Gewerkschaftsführer schlossen sich der Forderung an, nur einheimische
Arbeiter dürften Arbeitsplätze bekommen. Zwischen 1930 und 1935
führte die Regierung Razzien gegen eingewanderte mexikanische Arbeiter
durch, sie mündeten in der Deportation von über einer halben
Million Mexikanern.
Heute hat
sich die Sichtweise der Gewerkschaften in Bezug auf Fremdarbeiter
grundlegend geändert, doch hören wir aus ihren enthusiastischen
Reaktionen auf den rechtsextremen Fernsehmoderator Lou Dobbs ein
beunruhigendes Echo der 30er Jahre heraus. Dobbs wird von zahlreichen
Gewerkschaften als Champion der arbeitsamen Mittelklasse, des Freihandels
und des „Made in America” gefeiert; er fordert besessen, die
Migranten aus dem Land zu halten.
In den „Buy-American"-Kampagnen schließen sich oft
Gewerkschaften mit Unternehmen zusammen, so auch in der Initiative der
Stahlarbeiter „Unterstützt amerikanische Produktion” Dave
Dowling, ein führender Vertreter der USW, der die Kindgebung in
Granite City organisiert hat, sagt, diese Partnerschaft sei rein taktischer
Natur. Die Mitglieder seiner Gewerkschaft machten sich keine Illusionen
über U.S. Steel. „Die Mitglieder verstehen, warum wir das tun.
Sie wissen, dass das Unternehmen uns mit Haut und Haaren verkaufen
würde, wenn das in seine Pläne passt. Können wir nicht
über den Niedergang der amerikanischen Industrie und den Verlust der
Arbeitsplätze reden, ohne als Protektionisten beschimpft zu
werden?"
Das ist die
falsche Debatte. Die Alternative lautet nicht: Konzerngesteuerte
Globalisierung, wo Multis die Welt nach billiger Arbeit absuchen, oder
nationalistischer Protektionismus, wo dieselben Multis uns mit
patriotischen Phrasen von den Arbeitern anderer Ländern entzweien
wollen.
Wie
können wir für gute Arbeit einstehen, ohne uns gegeneinander
auszuspielen — zu Hause und weltweit? Die Gewerkschaften gewannen an
Ansehen in den USA, als sie die Konkurrenz um die Löhne beendeten,
indem sie ganze Industriezweige organisierten. Auf dem heutigen globalen
Arbeitsmarkt stehen die Löhne wieder in Konkurrenz zueinander, und es
ist wieder unser Job, sie so anzugleichen, dass die Unternehmen uns nicht
kleinhacken können.
In einer
globalen Ökonomie müssen wir uns entlang der Produktionsketten
organisieren, denn unsere Stärke liegt in der Solidarität, nicht
in der Konkurrenz. Gewerkschaften können Arbeiter zusammenbringen und
ihnen die Argumente liefern, mit denen sie Nationalisten wie Lou Dobbs
kritisieren können.
Eine
weltweite Bewegung für gute Arbeit muss die Nationen in die Lage
versetzen, Pläne zu entwerfen, wie die Bedürfnisse jeder Nation
befriedigt werden können, ohne dass die Arbeiter aufeinander gehetzt
werden.
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