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Der Klimawandel ist mehr als nur ein
Umweltproblem unter anderen: Er ist der reine Ausdruck der Tatsache, dass
die unbezähmbare, kapitalistische Logik der Akkumulation die
Menschheit dahin führt, die Umwelt, in der sich seit sechstausend
Jahren die Zivilisationen entwickelt haben, zu zerstören.
Der einzige
Weg, die drohende Zerstörung abzuwenden, ist die radikale Reduzierung
der Treibhausgasemissionen und somit die entsprechende Reduzierung der
Energie- und Materieströme. Die Zeit drängt. Das ungeheure
Ausmaß der Herausforderung, die Vielzahl der politischen
Maßnahmen, die durchgesetzt werden müssen, ihre Dringlichkeit und
ihre Konvergenz mit der schwersten Wirtschaftskrise seit 1929 verleihen der
ökosozialistischen — d.h. antikapitalistischen und
antiproduktivistischen — Perspektive plötzlich eine greifbare
Aktualität.
Die Linke
hat dem 2007 veröffentlichten Bericht des Intergovernmental Panel on
Climate Change (IPCC) nicht die nötige Aufmerksamkeit gewidmet.
Oberflächliche Reaktionen auf die enttäuschende Bilanz der UN-
Konferenz in Bali (Dezember 2007) lenkten die Aufmerksamkeit von den
Dokumenten ab, die von den Experten vorbereitet worden waren. Doch die
Schlussfolgerungen, die sich aus diesen Dokumenten ergeben, haben
schwerwiegende Konsequenzen für jedes gesellschaftspolitische Projekt
— insbesondere für das weltweite sozialistische Projekt der
Befriedigung demokratisch ermittelter menschlicher Bedürfnisse.
Die
Schlussfolgerungen aus dem Bericht des IPCC lassen sich folgendermaßen
zusammenfassen:
— Die
industrialisierten Länder müssen ihre Treibhausgasemissionen von
heute an bis 2050 um 80—95% reduzieren, im Zeitraum bis 2020 um
25—40% (im Vergleich zu 1990).
— Die
sich entwickelnden Länder müssen ab 2020 (die afrikanischen
Länder ab 2050) vom bisherigen Referenzszenario um 15—30%
abweichen.
— Die
weltweite Menge an Emissionen muss spätestens ab 2015 sinken und dann
regelmäßig abnehmen, damit sie bis 2050 um 50—85% sinkt (im
Vergleich zu 2000).
— Der
Rückgang an Emissionen muss über 2050 hinaus weitergehen,
zwischen 2060 und dem Ende des Jahrhunderts, je nach Region, müssen
die Emissionen vollständig gestoppt werden. Sogar „negative
Emissionen” (Absorption von atmosphärischem CO2) könnten
zur Stabilisierung des Klimas erforderlich sein.
Die Berichte des IPCC sprechen strenggenommen nicht von
„Empfehlungen” Doch besteht kein Zweifel, dass unter den von
den Experten untersuchten Szenarien die oben zusammengefasste
Maßnahmenkombination diejenige ist, die ratsamerweise anzuwenden ist,
wenn wir ernsthaft gegen den Klimawandel kämpfen wollen.
Diese
Kombination ist das einzige Szenario, mit dem zwei unerlässliche
Bedingungen gleichzeitig erfüllt werden können:
♦die
Begrenzung des Anstiegs der Durchschnittstemperatur auf der
Erdoberfläche auf 2—2,4°C;
♦und
das Handeln nach dem Grundsatz der „gemeinsamen, aber differenzierten
Verantwortlichkeiten”
Nur beide
Bedingungen zusammengenommen machen es möglich, die sozialen und
ökologischen Auswirkungen der globalen Erwärmung maximal zu
beschränken und eine Nord-Süd-Gerechtigkeit zu respektieren.
Der EU-
Ministerrat hat sich 1996 das Ziel gesetzt, einen Anstieg von 2°C im
Vergleich zur vorindustriellen Zeit nicht zu überschreiten. Der
jüngste IPCC-Bericht enthält kein Szenario mehr, womit dieses
Ziel erreicht werden könnte.
Doch das
Ziel bleibt relevanter denn je: Die Tabelle im IPCC-Bericht von 2007
über die Folgen der globalen Erwärmung zeigt deutlich, dass ein
Anstieg über 1,7°C im Vergleich zum Jahr 1780 (+1,3°C im Vergleich zur
Gegenwart) alarmierende Auswirkungen haben wird, insbesondere in Bezug auf
Wasserknappheit, Landwirtschaft und die menschliche Gesundheit. Aber die
Erderwärmung beschleunigt sich so schnell, dass es wahrscheinlich
nicht mehr möglich ist, eine Steigerung um 2°C zu vermeiden. Es ist
somit dringend nötig, sich die radikalsten Ziele des IPCC zur
Reduzierung der Emissionen zu setzen und sie sogar als das zu erreichende
Minimum zu betrachten. Tut man dies nicht, läuft es darauf hinaus,
Hunderte Millionen armer Menschen, vor allem in den armen Ländern,
aufzugeben, die für den Klimawandel keine oder nur extrem
beschränkt Verantwortung tragen.
Dies
führt uns zur zweiten Bedingung, der Respektierung des Prinzips der
„gemeinsamen, aber geteilten Verantwortlichkeiten” Dieser
Grundsatz ist in der Rahmenkonvention zum Klimawandel der UNO (Rio de
Janeiro 1992) aufgeführt und bezieht sich auf die Tatsache, dass die
entwickelten Länder historisch für über 70% der
Erwärmung der Atmosphäre verantwortlich, die Länder des
Südens aber die Hauptleidtragenden sind. Der Norden muss also nicht
nur den größten Anteil an der Reduzierung der Emissionen tragen,
sondern auch dem Süden helfen, seinen Beitrag zur Bekämpfung des
Klimawandels zu leisten, und saubere Technologien dorthin liefern, damit
die Entwicklung des Südens nicht zu einer weiteren
Klimaverschlechterung führt. Es ist sehr wichtig, dass diese Punkte in
die Konvention aufgenommen wurden.
Die
Länder des Südens werden diese Punkte entschlossen verteidigen,
weil sie ihr Recht auf Entwicklung und das fundamentale Recht auf
Gerechtigkeit im Umgang mit der Klimakrise berühren.
Kehren wir zu den Schlussfolgerungen zurück, die sich aus dem IPCC-
Bericht von 2007 ergeben, und gehen wir näher auf ihre Konsequenzen
ein. Das Gas mit dem größten Treibhauseffekt ist Kohlendioxid
(CO2), die wichtigste Quelle dieses Gases ist die Verbrennung fossiler
Energieträger (Kohle, Öl, Erdgas) zur Herstellung von
Elektrizität, Wärme oder Bewegung. Vier Elemente müssen
dabei in Betracht gezogen werden:
— Energie ist die Bedingung für jede Arbeit und somit für
jede wirtschaftliche Aktivität.
— Die
Verbrennung von fossilen Brennstoffen liefert 80% des Energieverbrauchs auf
der Welt.
— Der
Anstieg der Treibhausgasemissionen ist in erster Linie der Zunahme fossiler
CO2-Emissionen durch den Energiesektor zuzuschreiben.
— Die
Investitionen in die Energieinfrastruktur sind gewaltig, ihre Lebensspanne
umfasst 30—40 Jahre.
Unter
diesen Umständen ist es nicht schwer zu verstehen, dass die in 40
Jahren zu verwirklichenden Ziele — die Rettung des Klimas bei
gleichzeitiger Respektierung der Nord-Süd-Gerechtigkeit — eine
kollektive Anstrengung darstellen, die in der Geschichte der menschlichen
Gesellschaft ohne Beispiel ist. Die Anstrengung ist umso herkulischer, als
sie im Weltmaßstab durchgeführt werden muss, d.h. in einem
Kontext enormer Ungleichheit der Entwicklung.
Ist der
Kapitalismus in der Lage, diese Herausforderung anzunehmen? Wir können
empirisch antworten: Er hat es erstens bislang nicht getan und ist zweitens
nicht dabei, es zu tun.
Der erste
Punkt bedarf keiner längeren Beweise: Vierzig Jahre liegen zwischen
den ersten Warnungen von Wissenschaftlern und der Unterzeichnung des Kyoto-
Protokolls 1997, das lächerlich unzureichend ist. Der zweite Punkt,
die fortgesetzte Untätigkeit, wird heute verdunkelt durch einen Haufen
ehrgeiziger politischer Erklärungen, die beweisen sollen, dass die
Regierungen aufgewacht sind. Doch wenn wir genauer hinsehen, stellen wir
fest, dass Reden und Handeln zweierlei sind.
Gordon
Brown und Barack Obama haben sich kürzlich für eine Reduzierung
der Emissionen um 80% bis zum Jahr 2050 ausgesprochen, aber dies
verpflichtet sie nicht groß zu Taten. Tatsächlich ist 2050 auf
der Klima-Uhr schrecklich nahe, auf der politischen Uhr ist es jedoch sehr
weit entfernt. Folglich wird selbst das radikalste Ziel in der Praxis nur
dekorative Funktion haben, wenn es nicht mit einem konkreten Plan zu seiner
Umsetzung verbunden ist.
Im
Wahlkampf hatte der neue US-Präsident sein Programm klimapolitisch
aufgemöbelt und die Menge der zu reduzierenden Emissionen zwischen
heute und 2050 von 60% auf 80% angehoben. Dadurch konnte er sich von seinem
republikanischen Rivalen absetzen. In der Praxis wird Washington ein
maßvolleres Ziel ansteuern: die Reduzierung der US-Emissionen auf den
Stand von 1990 bis zum Jahr 2020. Eine beträchtliche Anstrengung,
gewiss, fast 20% weniger im Vergleich zu heute — aber
vollständig unzureichend: Laut Kyoto müssen die USA schon 2012 um
5% unter dem Stand von 1990 liegen, nach dem 4.IPCC-Bericht müssten
sie bis 2020 ihre Emissionen um mindestens 40% reduzieren.
Gordon
Brown wird Obamas Fußstapfen folgen, auch er spricht von einer
Reduzierung der Emissionen um 80% bis 2050. Doch hat der Premierminister
schlichtweg keine Vorstellung, wie das Land dieser Verpflichtung nachkommen
könnte. Damit steht er nicht allein: Keiner der liberalen
Ökonomen weiß, was zu tun ist. Die Arbeitsgruppe III des IPCC hat
„Bottom-up"-Studien zusammengetragen, die sich,
aufgeschlüsselt nach Sektoren, mit dem ökonomischen Potenzial der
Emissionsreduzierung befassen. Die Autoren der Studien, die aus der
akademischen Wissenschaft kommen, bewegen sich im Rahmen der neoliberalen
Ideologie, wonach es Arbeitslosigkeit gibt, weil die Arbeitskraft zu teuer
ist, und zuviel CO2 in der Atmosphäre ist, weil Kohlenstoff nicht
teuer genug ist. Sie schätzten, wieviel Treibhausgase wir bei einem
Preis von weniger als 100 Dollar je Tonne verhindern können.
Ihre
Schlussfolgerung ist, dass diese Preiserhöhung nicht zu
ökologischer Effizienz führen würde: Selbst bei einem Preis
von 100 Dollar für das Äquivalent einer Tonne CO2 (1000 Liter
Heizöl entsprechen 2,7 Tonnen CO2) würden wir es kaum schaffen,
im Jahr 2030 die globale Menge des in die Atmosphäre dringenden
Kohlenstoffs auf dem Stand von 2000 zu stabilisieren. Auf diese Weise wird
es der Weltwirtschaft also nicht gelingen, die Emissionen bis 2050 um
50—85% zu reduzieren. Muss der Preis für Kohlenstoff also
verdoppelt, gar verdreifacht werden?
Die Verteuerung der fossilen Brennstoffe wird ebensowenig das Klima
retten, wie Lohnzurückhaltung in den letzten dreißig Jahren
Vollbeschäftigung wiederhergestellt hat. Eine rein formale Analogie?
Nein, in beiden Fällen liegt derselbe elementare Mechanismus zugrunde:
die Unfähigkeit des Kapitalismus, die Produktion von Gütern
anders zu senken als durch periodisch wiederkehrende Krisen, die soziales
Elend und Verschwendung von Reichtum mit sich bringen. Der einzige Vorteil
von Krisen besteht sozusagen darin, den Druck auf die Umwelt
vorübergehend zu reduzieren. Wer das Klima retten will, muss die
fossilen Kohlenstoffemissionen radikal senken. Zur Abschaffung der
Erwerbslosigkeit braucht es eine radikale Reduzierung der Arbeitszeit, ohne
Zunahme der Arbeitsintensität, ohne Lohnverlust und mit entsprechender
Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte. In beiden Fällen
wird die kapitalistische Logik der Akkumulation herausgefordert.
Dieser
Gesichtspunkt lädt Linke ein, ihre Haltung zu den Verfechtern eines
„Minuswachstums” zu überdenken. Ideologisch muss man
gewissen Wortführern dieser Strömung misstrauen, die, wie Serge
Latouche, Wachstum und Entwicklung und dann Entwicklung und Kapitalismus in
eins setzen und eine „Katastrophenpädagogik” pflegen.
Wissenschaftlich kann man gegenüber dem sog. „Vierten Gesetz der
Thermodynamik”, das sich Nicholas Georgescu-Roegen einbildet, nur
Skepsis äußern: Danach soll die Zunahme an Entropie (das Maß
der Unordnung) ein grundlegendes Kennzeichen des Lebens und sogar der
Materie selbst sein. Auf der Ebene der Wahrnehmung der gesellschaftlichen
Realität schließlich muss die Linke sich absetzen von jenen, die
in den Lohnabhängigen nur Urheber der Überkonsumtion und somit
Mitschuldige an der Zerstörung des Planeten sehen, und nicht
ausgebeutete Produzenten, deren kollektive Aktion ein Hebel für
Veränderung ist.
Dennoch
haben die Vertreter des „Minuswachstums” in einem wichtigen
Punkt Recht, den zu akzeptieren Marxisten sich sträuben:
In den
entwickelten kapitalistischen Ländern kommt es für den Schutz des
Klimas vorrangig nicht auf die Anwendung neuer grüner Technologie an,
sondern auf die radikale Senkung des Energieverbrauchs, das behinhaltet
eine Reduzierung des stofflichen Austauschs zwischen Mensch und Natur. Die
Entwicklung in den Ländern des Südens muss von anderer Art sein
als die der Länder des Nordens, andernfalls werden auch sie zunehmend
für die Zerstörung des Klimas verantwortlich sein.
Es reicht
somit nicht zu sagen: „Wachstum oder Minuswachstum, das ist nicht die
Frage.” Das Bruttoinlandsprodukt ist gewiss ein ungeeigneter
Maßstab für eine soziale und ökologische Politik, denn es
berücksichtigt nur die Menge der Werte. Deren Rückgang führt
ebensowenig zu ökologischer Nachhaltigkeit wie deren Zunahme ein
Zeichen für sozialen Fortschritt ist. Diese Tatsache kann aber nicht
die Notwendigkeit der Senkung des Energieverbrauchs verhüllen. Um den
Energieverbrauch zu reduzieren, reicht es auch nicht, nur die Verschwendung
zu unterbinden, der Verbrauch nichterneuerbarer Ressourcen muss real
gesenkt werden, d.h. es muss weniger produziert werden.
Es reicht nicht, fossile Brennstoffe durch erneuerbare Energien zu
ersetzen. Das technische Potenzial erneuerbarer Energien (Sonnenenergie in
verschiedener Form und Geothermik) entspricht derzeit dem Sieben- bis
Zehnfachen des Weltenergieverbrauchs. Sicher wird es mit dem Fortschritt in
Wissenschaft und Technik noch zunehmen. Abstrakt können wir uns einen
Energiewandel vorstellen, der uns rasch aus der Ära von Öl, Kohle
und Gas herausführen wird.
Paradoxerweise gründen sich auf dieser Argumentation sowohl die
Hoffnungen der Verfechter eines grünen Kapitalismus als auch die
Vorschläge mancher Vertreter der radikalen Linken, die den Kampf um
das Klima auf die Enteignung des Kapitals und die Ersetzung fossiler
Energiequellen durch erneuerbare Energien reduzieren. Doch die Frage ist
komplexer wegen der sehr kurzen Zeitspannen, der extrem drastischen
Reduzierungen und des tiefgreifenden Wandels, die ein Übergang auf ein
Energiesystem aus erneuerbaren Energien beinhaltet.
Wir
verwenden hier das Konzept des „Energiesystems” im weiteren
Sinne, wie es von Barry Commoner und Jean-Paul Deléage entwickelt
wurde. Danach ist das Energiesystem einer Produktionsweise gekennzeichnet
durch die Energiequellen, die Energieumwandler, den Grad an Zentralisierung
und die Energieeffizienz auf den verschiedenen Ebenen. Die Sonne als
Energiequelle ist verbreitet und in verschiedenen Formen nutzbar, die aber
nicht in allen Regionen verfügbar sind und den Einsatz spezifischer
Umwandler erfordern: Wind- und Wasserkraftanlagen, Sonnenkollektoren,
Biomasse- und Fotovoltaikanlagen usw. Das neu zu errichtende Energiesystem
müsste deshalb auf der Ebene der Netze zentral gesteuert werden (was
im Gegensatz steht zur aktuellen beschleunigten Liberalisierung der
Energiemärkte in Europa und den USA) und gleichzeitig in Bezug auf die
genutzten Quellen, den Verbrauch und die Wartung sehr dezentral sein. Es
ist nicht ausgeschlossen, dass sich dieses System, ist es erst einmal
errichtet und durch technologische Fortschritte verbessert, als sehr
effizient erweisen und neue Möglichkeiten der Entwicklung
eröffnen wird.
Diese
futuristische Vision bedeutet jedoch noch nicht, dass die Probleme des
Übergangs in einer Weise gelöst werden, die sowohl der Umwelt als
auch den Ausgebeuteten entgegenkommt. Im Gegenteil, damit der Übergang
unter diesem Gesichtspunkt erfolgreich sein kann, müssen bestimmte
Elemente des Systems beseitigt werden, was für die Linke die
entscheidende Frage nach dem Umsatteln der Beschäftigten in neue
Beschäftigung aufwirft.
Nehmen wir
als Beispiel den Transport, das ist ein charakteristisches Beispiel
für die Nützlichkeit des Konzepts „Energiesystem” als
globales Konzept, das auch die Landwirtschaft einbezieht —
tatsächlich ist die Landwirtschaft unter dem Aspekt, der uns hier
interessiert, nur eine Ansammlung der Umwandlung von Lichtenergie in
biochemische Energie. Der kapitalistische Transportsektor verbraucht
jährlich 1,5 Milliarden Liter Brennstoff. Die Produktion von Ethanol
und Biodiesel beläuft sich auf kaum 20 Millionen Liter. Selbst diese
beschränkte Menge verursacht ernste Umweltschäden und eine Welle
von Landnahmen in den Ländern des Südens — in Kombination
mit Zwangsvertreibungen indigener und bäuerlicher Gemeinschaften.
Außerdem trägt sie beträchtlich zum Anstieg der
Nahrungsmittelpreise bei und somit auch zu Unterernährung, Krankheiten
usw. Es ist klar, dass die massive Produktion von Biobrennstoffen aus
Getreide entschieden angeprangert und bekämpft werden muss.
Erschüttert durch die Welle der Proteste in dieser Frage,
verkünden die verantwortlichen Kapitalisten, das Problem werde bald
gelöst durch die Herstellung von Biobrennstoffen der zweiten
Generation (aus Pflanzenzellulose). Aber die Pläne des Ölgiganten
BP zeigen, dass dies ganz und gar nicht der Fall ist. Im Gegenteil, diese
neue Kette, die Biobrennstoffe aus genetisch verändertem Saatgut
schafft, wird wahrscheinlich noch erschreckendere Folgen haben,
insbesondere für die Biodiversität und die Aneignung von
Ökosystemen.
In der realen kapitalistischen Welt gehorcht die Antwort auf den
Klimawandel den Verwertungsbedürfnissen zahlreicher miteinander
konkurrierender Kapitalien. Um einen Extraprofit zu erreichen, der
höher ist als der des Konkurrenten, wird jeder Unternehmer bestrebt
sein, die lebendige Arbeit durch produktivere Maschinen zu ersetzen, die
zunehmend größere Mengen von Waren ausstoßen, die eine
zahlungsfähige Nachfrage befriedigen sollen. Die produktivistische
Logik der Akkumulation ist ein untrennbarer Bestandteil des Kapitalismus.
Sie ist der fundamentale Grund, warum der Klimawandel für diese
Produktionsweise die Quadratur des Kreises bedeutet. Sie ist gewiss
gezwungen, darauf zu antworten, aber auf ihre eigene Weise, die
unvermeidlich noch heftigere Angriffe auf „die einzigen Springquellen
alles Reichtums: die Erde und den Arbeiter” (Marx) nach sich zieht.
Die Lohnabhängigen, die Bauern und die Armen der Welt stehen zwischen
Hammer und Amboss: zwischen der globalen Erwärmung, deren Hauptopfer
sie immer mehr sind, und der bürgerlichen Klimapolitik, die ihnen
für den Energieübergang eine Rechnung präsentiert, die sich
an den Profitbedürfnissen orientiert.
In diesem
Zusammenhang bekommt die ökosozialistische Perspektive plötzlich
eine sehr konkrete Dimension. Die Rettung des Klimas erfordert eine
radikale Reduzierung der Treibhausgasemissionen, die mindestens den
Empfehlungen des IPCC entspricht. Dazu ist eine Reduzierung der
Überproduktion und Überkonsumtion materieller Güter in den
reichen Ländern erforderlich — natürlich auch schlichtweg
die Abschaffung nutzloser oder schädlicher Wirtschaftsbereiche, die
Energie verschwenden, z.B. die Rüstungsproduktion. Das kann Hand in
Hand gehen mit einer substanziellen Verbesserung der Existenzbedingungen
und der Lebensqualität der Arbeiterklasse — unter drei
Bedingungen, die miteinander verbunden sind:
— die
Umorientierung der Beschäftigung der Lohnabhängigen und eine
allgemeine und drastische Reduzierung der Arbeitszeit (auf einen halben
Arbeitstag);
— die
Umverteilung des Reichtums (die Reichen werden weniger reich, die Armen
weniger arm);
— die
Infragestellung der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse,
insbesondere im Energiesektor.
Es ist
ziemlich klar, dass die Verwirklichung dieser Bedingungen angesichts des
aktuellen Kräfteverhältnisses auf beträchtliche
Schwierigkeiten stoßen wird. Doch können sich unter der Knute der
Krise Haltungen sehr rasch ändern. Wir sehen dies am Börsenkrach,
der über Nacht Forderungen wie Verstaatlichung und Enteignung auf die
Tagesordnung brachte. Es gibt einen Raum für eine Diskussion über
öffentliche Investitionen, die die sozialen Bedürfnisse
befriedigen und die Umwelt schützen. Es ist Sache der Verfechter des
Ökosozialismus, diesen Raum mit ihren Vorschlägen zu besetzen.
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten
und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo
Sozialistische Hefte für Theorie und Praxis Sonderausgabe der SoZ 42 Seiten, 5 Euro, |
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