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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.1 vom 08.01.2000, Seite 2

Die Bimbesrepublik

Schwarze Kassen mit langer Tradition

Nach Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens gegen Helmut Kohl durch die Bonner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachtes der Untreue zulasten der CDU kommt dem Altkanzler die zweifelhafte Ehre zu, als erster (früherer) Regierungschef auf diese Art und Weise mit den Behörden Bekanntschaft machen zu müssen. Man kann sich jedoch über die Langmut der Ermittler nur wundern, denn die wichtigsten Details der neuen Schmiergeld-Affäre und des Kohl‘schen Systems von "Anderkonten" waren bereits 1995 im Spiegel nachzulesen. Und ein größerer Eifer der Justiz bei der Ausspähung der verschiedenen Geldwaschanlagen und Verfolgung ihrer Betreiber in den Zeiten des Flick-Skandals hätte sicherlich so manchem Politiker und seinen Helfershelfern ordentliche Strafen eingetragen.
Die Geschichte der CDU ist auch eine Geschichte von schwarzen Kassen. Die Gelder wurden gezielt zur Durchsetzung der eigenen Macht und zur Ausschaltung von missliebigen Leuten in und außerhalb der Partei eingesetzt. Adenauer hatte sich in den späten 40er Jahren gegen die "christlichen Sozialisten" nicht nur politisch, sondern vor allem mittels seiner Geldmittel durchgesetzt, die er als Vertrauensmann der "Schlotjunker" von Rhein und Ruhr akquirieren konnte. Zufällig war er mit einer Tochter aus dem millionenschweren Hause Werhahn verheiratet, das in den Bereichen Schwer- und Rüstungsindustrie kräftig mitmischte und auch einen Ableger in den USA besaß. Er führte die damalige Honoratiorenpartei CDU nicht nur über ein dichtgespanntes Netz von Vertrauenspersonen, sondern auch mittels nicht unbeträchtlicher Geldmittel aus Unternehmerkreisen. Schon damals dürfte es dubiose Vereine als "Geldwaschanlagen" gegeben haben, die den Spendern (die schon damals anonym bleiben wollten) Steuervorteile bescherten und die nicht zufällig häufig von "Vertrauenspersonen" aus den Reihen der katholischen Kirche geführt wurden.
Helmut Kohl hat sich immer als Enkel von Adenauer gesehen. Er hat versucht, nicht nur die politischen Grundorientierungen - Westbindung und europäische Integration plus Antikommunismus - zu übernehmen, sondern sich die Partei über eine Art "feudales Abhängigkeitsgeflecht" gefügig zu machen. Schon in den 60er Jahren soll er auf staatliche Behörden eingewirkt haben, die Finanzen von bestimmten Vereinen und Stiftungen möglichst nur oberflächlich zu prüfen.
Als Kohl dann 1969 Ministerpräsident wurde, entwickelte sich Rheinland-Pfalz zu einer wahren Oase von Geldwaschanlagen zugunsten der CDU und der FDP. So entstanden Organisationen wie die "Gesellschaft für Europäische Wirtschaftspolitik", der "Verband zur Ordnung privatwirtschaftlicher Eigentumsrechte", die "Vereinigung zur Förderung der privaten Entwicklungshilfe", der "Verband für Schutz und rechtliche Absicherung privaten Eigentums" und vor allem die berüchtigte "Staatsbürgerliche Vereinigung", die in der Flick-Affäre eine zentrale Rolle spielen sollte.
Alle diese Vereinigungen legten größten Wert auf eine Adresse in Kohls Bundesland, wiewohl ihre Geschäftsstellen häufig in Nordrhein-Westfalen oder anderswo angesiedelt waren. Zur "politischen Absicherung" der umlaufenden Geldströme sorgten Kohl und die CDU dafür, dass überall, besonders in den Oberfinanzdirektionen, die "richtigen Leute" saßen.
Im Flick-Spendenprozess konnte der Geschäftsführer des Konzerns, Eberhard von Brauchitsch, erklären, er stehe nur vor Gericht, weil er sich auf die Empfehlungen und Auskünfte angesehener Persönlichkeiten verlassen habe; in diesem Zusammenhang nannte er ausdrücklich den Namen Dr. Kohl. Schätzungen gehen davon aus, dass aus Rheinland-Pfalz binnen zehn Jahren etwa 250 Millionen Mark an CDU und FDP geflossen sind.
Um ähnliche Größenordnungen geht es in den beiden Fällen, die die Eckpunkte der neuen Spendenaffäre bilden: die Lieferung von Fuchs-Panzern aus Beständen der Bundeswehr an Saudi-Arabien und der Kauf der Chemiewerke Leuna und des Minol-Tankstellennetzes der DDR durch den französischen - damals noch staatlichen (!) - Konzern Elf-Aquitaine.
Doch im Unterschied zu früher scheinen die Waschanlagen mittlerweile in die Schweiz und nach Liechtenstein verlegt worden zu sein, wiewohl die "Staatsbürgerliche Vereinigung" schon in den 80er Jahren auch dort Konten unterhielt. Als die hessische CDU erklären sollte, wie sie zu "Erbschaften" - hier muss der Vererbende nicht namentlich genannt werden - in Höhe von über 12 Millionen Mark gekommen sei, fielen auch die Namen von zwei "Treuhändern" aus jenem Alpenland: Herbert Batliner und Hans Gassner. Vom ersten ist bekannt, dass er zu Ehren Kohls 1993 ein großes Fest ausrichten ließ und sich mehrfach "privat" mit dem Altkanzler traf. Der Generalbevollmächtigte der CDU-Schatzmeisterei, Uwe Lüthje, hatte ein paar Jahre vorher mit Batliner eine Stiftung errichtet, die ebenfalls eine Geldwaschanlage der Union gewesen sein dürfte. Beide Namen werden im Zusammenhang mit internationaler Geldwäsche immer häufiger genannt. Auch der Waffenhändler Schreiber war mit ihnen verbandelt.
Ein kürzlich bekannt gewordener Bericht des Bundesnachrichtendienstes beschreibt Liechtenstein als Duodezfürstentum, in dem Polizei und Anwälte, Politiker und Bankiers tagtäglich mit den Mafiosi dieser Welt routinemäßig "kriminelle Geldgeschäfte" abwickeln. Der idyllische Ort in den Alpen scheint zu einem Umschlagplatz von Geldern aus dunklen Quellen aller Art verkommen zu sein, stammen sie nun von der kolumbianischen Drogenmafia, den russischen Ölbaronen oder den zahlreichen Despoten der Dritten Welt.
Paul Kleiser
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