Sozialistische Zeitung |
Nach Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens gegen Helmut Kohl durch die Bonner
Staatsanwaltschaft wegen des Verdachtes der Untreue zulasten der CDU kommt dem Altkanzler die zweifelhafte Ehre zu, als erster
(früherer) Regierungschef auf diese Art und Weise mit den Behörden Bekanntschaft machen zu müssen. Man kann sich jedoch
über die Langmut der Ermittler nur wundern, denn die wichtigsten Details der neuen Schmiergeld-Affäre und des Kohlschen
Systems von "Anderkonten" waren bereits 1995 im Spiegel nachzulesen. Und ein größerer Eifer der Justiz bei der
Ausspähung der verschiedenen Geldwaschanlagen und Verfolgung ihrer Betreiber in den Zeiten des Flick-Skandals hätte sicherlich
so manchem Politiker und seinen Helfershelfern ordentliche Strafen eingetragen.
Die Geschichte der CDU ist auch eine Geschichte von schwarzen Kassen.
Die Gelder wurden gezielt zur Durchsetzung der eigenen Macht und zur Ausschaltung von missliebigen Leuten in und außerhalb der Partei
eingesetzt. Adenauer hatte sich in den späten 40er Jahren gegen die "christlichen Sozialisten" nicht nur politisch, sondern vor
allem mittels seiner Geldmittel durchgesetzt, die er als Vertrauensmann der "Schlotjunker" von Rhein und Ruhr akquirieren konnte.
Zufällig war er mit einer Tochter aus dem millionenschweren Hause Werhahn verheiratet, das in den Bereichen Schwer- und
Rüstungsindustrie kräftig mitmischte und auch einen Ableger in den USA besaß. Er führte die damalige
Honoratiorenpartei CDU nicht nur über ein dichtgespanntes Netz von Vertrauenspersonen, sondern auch mittels nicht
unbeträchtlicher Geldmittel aus Unternehmerkreisen. Schon damals dürfte es dubiose Vereine als "Geldwaschanlagen"
gegeben haben, die den Spendern (die schon damals anonym bleiben wollten) Steuervorteile bescherten und die nicht zufällig
häufig von "Vertrauenspersonen" aus den Reihen der katholischen Kirche geführt wurden.
Helmut Kohl hat sich immer als Enkel von Adenauer gesehen. Er hat
versucht, nicht nur die politischen Grundorientierungen - Westbindung und europäische Integration plus Antikommunismus - zu
übernehmen, sondern sich die Partei über eine Art "feudales Abhängigkeitsgeflecht" gefügig zu machen.
Schon in den 60er Jahren soll er auf staatliche Behörden eingewirkt haben, die Finanzen von bestimmten Vereinen und Stiftungen
möglichst nur oberflächlich zu prüfen.
Als Kohl dann 1969 Ministerpräsident wurde, entwickelte sich
Rheinland-Pfalz zu einer wahren Oase von Geldwaschanlagen zugunsten der CDU und der FDP. So entstanden Organisationen wie die
"Gesellschaft für Europäische Wirtschaftspolitik", der "Verband zur Ordnung privatwirtschaftlicher
Eigentumsrechte", die "Vereinigung zur Förderung der privaten Entwicklungshilfe", der "Verband für Schutz
und rechtliche Absicherung privaten Eigentums" und vor allem die berüchtigte "Staatsbürgerliche Vereinigung",
die in der Flick-Affäre eine zentrale Rolle spielen sollte.
Alle diese Vereinigungen legten größten Wert auf eine Adresse
in Kohls Bundesland, wiewohl ihre Geschäftsstellen häufig in Nordrhein-Westfalen oder anderswo angesiedelt waren. Zur
"politischen Absicherung" der umlaufenden Geldströme sorgten Kohl und die CDU dafür, dass überall, besonders
in den Oberfinanzdirektionen, die "richtigen Leute" saßen.
Im Flick-Spendenprozess konnte der Geschäftsführer des
Konzerns, Eberhard von Brauchitsch, erklären, er stehe nur vor Gericht, weil er sich auf die Empfehlungen und Auskünfte
angesehener Persönlichkeiten verlassen habe; in diesem Zusammenhang nannte er ausdrücklich den Namen Dr. Kohl.
Schätzungen gehen davon aus, dass aus Rheinland-Pfalz binnen zehn Jahren etwa 250 Millionen Mark an CDU und FDP geflossen sind.
Um ähnliche Größenordnungen geht es in den beiden
Fällen, die die Eckpunkte der neuen Spendenaffäre bilden: die Lieferung von Fuchs-Panzern aus Beständen der Bundeswehr
an Saudi-Arabien und der Kauf der Chemiewerke Leuna und des Minol-Tankstellennetzes der DDR durch den französischen - damals
noch staatlichen (!) - Konzern Elf-Aquitaine.
Doch im Unterschied zu früher scheinen die Waschanlagen
mittlerweile in die Schweiz und nach Liechtenstein verlegt worden zu sein, wiewohl die "Staatsbürgerliche Vereinigung"
schon in den 80er Jahren auch dort Konten unterhielt. Als die hessische CDU erklären sollte, wie sie zu "Erbschaften" - hier
muss der Vererbende nicht namentlich genannt werden - in Höhe von über 12 Millionen Mark gekommen sei, fielen auch die
Namen von zwei "Treuhändern" aus jenem Alpenland: Herbert Batliner und Hans Gassner. Vom ersten ist bekannt, dass er zu
Ehren Kohls 1993 ein großes Fest ausrichten ließ und sich mehrfach "privat" mit dem Altkanzler traf. Der
Generalbevollmächtigte der CDU-Schatzmeisterei, Uwe Lüthje, hatte ein paar Jahre vorher mit Batliner eine Stiftung errichtet, die
ebenfalls eine Geldwaschanlage der Union gewesen sein dürfte. Beide Namen werden im Zusammenhang mit internationaler
Geldwäsche immer häufiger genannt. Auch der Waffenhändler Schreiber war mit ihnen verbandelt.
Ein kürzlich bekannt gewordener Bericht des
Bundesnachrichtendienstes beschreibt Liechtenstein als Duodezfürstentum, in dem Polizei und Anwälte, Politiker und Bankiers
tagtäglich mit den Mafiosi dieser Welt routinemäßig "kriminelle Geldgeschäfte" abwickeln. Der idyllische
Ort in den Alpen scheint zu einem Umschlagplatz von Geldern aus dunklen Quellen aller Art verkommen zu sein, stammen sie nun von der
kolumbianischen Drogenmafia, den russischen Ölbaronen oder den zahlreichen Despoten der Dritten Welt.
Paul Kleiser
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