Sozialistische Zeitung |
Je größer der Abstand zum Geschehen, desto leichter lässt sich auch mal das eine oder
andere kritische Wort sagen. Beispielsweise über die Kriegsführung der NATO, über die jetzt selbst im Zweiten Deutschen
Fernsehen kritisch berichtet wird - fast undenkbar in Kriegszeiten. Wie sich dieser Tage herausstellte, hat die NATO beim Vorlegen eines
Beweisvideos geschummelt: Das Video sollte beweisen, dass es sich bei der Bombardierung eines Zuges auf einer Brücke um ein
Versehen gehandelt habe. Die Bombe sei unterwegs gewesen, da sei auf einmal ein Zug aus dem Nichts aufgetaucht und gerade in dem Moment
über die Brücke gefahren, als die Bombe einschlug.
Vielleicht sind die JournalistInnen vom ZDF auch deshalb so kritisch, weil
sie gerade so geübt sind. Denn die Informationspolitik der NATO gleicht fatal der "Aufklärungsarbeit" der CDU
über nichtdeklarierte Spenden. Immer wird gerade soviel zugegeben, wie der Öffentlichkeit sowieso schon bekannt ist. Als der
NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark im April den "Kollateralschaden" eingestand, redete er von "dem" Piloten und
erweckte damit den Eindruck, dass in dem NATO-Flugzeug ein Pilot saß, der mit Fliegen und Bombardieren beschäftigt gewesen
sei. In Wirklichkeit saß noch ein zweiter Soldat in der Maschine, der Waffensystemoffizier. "Andererseits kommt niemand vom
Fach auf die Idee, einen Waffensystemoffizier ‚Pilot zu nennen, er ist nämlich keiner. Der Armeegeneral Clark tat es dennoch
laufend und erweckte so den Eindruck, dass dieser Pilot alle Hände voll zu tun gehabt habe", so die Frankfurter Rundschau.
Die Reaktion der NATO auf diese Anschuldigungen: keine. Statt dessen
wurde in Brüssel auf das Oberkommando der NATO in Europa, Shape, im belgischen Mons verwiesen. Das seien schließlich
militärische Vorgänge. Das Oberkommando räumt ein, dass das Video zu schnell lief. Das ändere aber nichts an der
Bewertung, dass die Bombe nicht mehr zu stoppen gewesen sei. Später räumt Shape ein, dass die zweite Bombe von einem zweiten
Flugzeug abgefeuert worden sei. Doch die Abspielgeschwindigkeit ändere an der Bewertung des Vorgangs nichts.
Es bleibt wohl die Aufgabe der kritischen Öffentlichkeit, zwei und
zwei zusammenzuzählen und die Kriegsführung der NATO unter die Lupe zu nehmen. Denn die Bombardierung eines Zuges, bei
dem 14 Menschen ums Leben kamen, ist nur die Spitze des Eisbergs: Der Berliner Professor Knut Krusewitz wirft der NATO vor, einen
Umweltkrieg geführt zu haben. Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF berichtet, dass in Serbien 242 Grundschulen durch Luftangriffe
beschädigt oder zerstört wurden. Gleichzeitig trafen NATO-Flugzeuge viel weniger Panzer, als die NATO wahr haben wollte. Das
Militärmagazin BARETT kommt zum Ergebnis: "Nüchtern betrachtet kann die NATO nur den Krieg gegen die
Zivilbevölkerung als Erfolg verbuchen, der Luftkrieg gegen die 3.Armee im Kosovo war ein klarer Misserfolg." Das Stichwort ist
gefallen: Krieg gegen die Zivilbevölkerung.