Sozialistische Zeitung |
Ein gewisser Prinz Wittgenstein war ehemaliger Schatzmeister der CDU Hessen. Nur geheuchelte späte
Reue angesichts des Lügengebäudes über die Finanzierung der CDU-Wahlkämpfe trübt da die rechte politische
Szene - wieso, es hat doch wunderbar "geklappt". Da wurden vor Jahren Gelder in Liechtenstein und der Schweiz versteckt.
Millionen, die noch aus der Flick-Spendenaffären-Zeit stammen, wie heute vermutet werden muss. Irgendwann muss das Geld ja mal
wieder nutzbar gemacht werden, sagt sich die CDU-Führung. Da kam die Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gerade
recht. Mit Millionenaufwand wird eine Unterschriftensammlung dagegen finanziert. In vielen Städten des Landes wachsen die CDU-
Stände aus dem Pflaster. In Hessen ist gerade Wahlkampf. Koch und die CDU gewinnen mitsamt der FDP in dieser aufgeheizten
Stimmung gegen die SPD. Dahinter steckt auch: der ehemalige Innenminister Kanther. Während seiner Amtszeit zuständig für
Recht und Gesetz, aber auch Immigrantenfragen. Kanther log auch über die Spenden und Erbschaften hinweg.
Zwei Rechtsanwälte in Liechtenstein logen zugunsten der CDU, das
Geld stamme aus "Erbschaften aus Übersee". Wittgenstein - der mit dem Adelstitel und den vielen Ehrenämtern -
behauptete gar, es wären jüdische Erblasser gewesen, die sich gegenüber Frankfurt erkenntlich zeigen wollten. Eine
bodenlose Unverschämtheit angesichts des Leidens der Juden auch in dieser Stadt, und frei erfunden. Für Rücktritte besteht
kein Anlass - sagen CDU-Ministerpräsident Koch und CDU-Oberbürgermeisterin Roth nach diesem Enthüllungswochenende.
Wer denkt da nicht an die alte Fotomontage von John Heartfield mit dem
"Sinn des Hitlergrußes": die erhobene Hand des Adolf H., nach hinten überstreckt, in die die Geldscheine der Industrie
gelegt werden - Untertitel: Millionen stehen hinter mir. Damals war der Rheinische Industrieclub, also die westdeutsche Schwerindustrie,
massiv an Spenden für die Hitlerpartei beteiligt. Es ist kein Zufall, dass erneut Waffengeschäfte, Industrieanlagen zum Panzerbau
und die Firma Thyssen bei diesen Spendengeschichten der CDU die Hauptrolle spielen. Der ehemalige Thyssenbeauftragte Schreiber benutzt
das Wort von der "Pflege" der politischen Landschaft. Die ehemalige Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Agnes
Hürland-Büning, CDU, erhielt nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt (abgesehen von hunderttausenden staatlicher
"Übergangsgelder") einen Beratervertrag von Thyssen über acht Millionen Mark. Der Geldkoffer sollte das "Wort
des Jahres" 1999 werden, vielleicht auch das "Unwort".
Solche Geschichten aufrühren: wer sich da auf parlamentarische
Untersuchungsausschüsse verlässt, macht den Bock zum Gärtner. Kennen wir nicht Schily als wichtigen Mann im
Untersuchungsausschuss zur Flick-Affäre, und wie sieht es heute mit diesem Innenminister aus? Eifrig in Kanthers Spuren.
Nochmal zu Adolf H. - der FDP-Vorsitzende des Landes NRW,
Möllemann, eröffnet seinen Wahlkampf zur Landtagswahl NRW mit einem Plakat, das Hitler zusammen mit Baghwan und einem
Horror-Schauspieler zeigt, und dem Slogan: "Wenn wir nicht schnell Lehrer für unsere Kinder schaffen, suchen sie sich selber
welche!"
Also: wenn nicht FDP gewählt wird, die sich zusammen mit der CDU
dem NRW-Schulwesen annehmen will, sind wir selber schuld, wenn Kinder auf Rattenfänger reinfallen. Wer hat Hitler groß
gezogen, so dass er vielen als Ausweg erschien? Und wer verseucht die Moral des öffentlichen Lebens, so dass sich junge Menschen
angewidert von den politischen Parteien abwenden? Da war doch was, aber Werbefeldzüge sollen eben mal schocken. Vielleicht deckt
die NRW-FDP vor dem Wahlkampf mal die Geldquellen auf, aus denen sie diese Art Wählerverdummung finanziert.
Ein Zusammentreffen mit einem aus dem Haus Wittgenstein bot in den
zwanziger Jahren Anlass zu dem folgenden Gedicht, das wir unseren Lesern allein schon aus historischer Korrektheit nicht vorenthalten wollen,
auch wenn die Herkunft unklarer Gelder darin noch nicht geklärt wird. Möglicherweise aber erklärt es eine gewisse
Diskretion des angesprochenen Hauses gegenüber der einfachen Bevölkerung, die nicht gleich alles wissen soll, was unter dem
Teppich ist...
Joachim Ringelnatz
Kuttel Daddeldu und Fürst Wittgenstein
Daddeldu malte im Hafen mit Teer
Und Mennig den Gaffelschoner Claire.
Ein feiner Herr kam daher,
Blieb vor Daddeldu stehn
Und sagte: "Hier sind fünfzig Pfennig,
Lieber Mann, darf man wohl mal das Schiff besehn?"
Daddeldu stippte den Quast in den Mennig,
Dass es spritzte, und sagte: "Fünfzig ist wenig.
Aber, God demm, jedermann ist kein König."
Und der Fremde sagte verbindlich lächelnd: "Nein,
Ich bin nur Fürst Wittgenstein."
Daddeldu erwiderte: "Fürst oder Lord -
Scheiß Paris! Komm nur an Bord."
Wittgestein stieg, den Teerpott in seiner zitternden Hand,
Hinter Kutteln das Fallreep empor und kriegte viel Sand
In die Augen, denn ein schwerer Stiefel von Kut-
Tel Daddeldu stieß ihm die Brillengläser kaputt,
Und führte ihn oben von achtern nach vorn
Und von Luv nach Lee.
Und aus dem Mastkorb fiel dann das Brillengestell aus Horn,
Und im Kettenkasten schlitzte der Cutaway.
Langsam wurde der Fürst heimlich ganz still.
Daddeldu erklärte das Ankerspill.
Plötzlich wurde Fürst Wittgenstein unbemerkt blass.
Irgendwas war ihm zerquetscht und irgendwas nass.
Darum sagte er mit verbindlichem Gruß:
"Vielen Dank, aber ich muss -"
Daddeldu spuckte ihm auf die zerquetschte Hand
Und sagte: "Weet a Moment, ich bringe dich noch an Land."
Als der Fürst unterwegs am Ponte San Stefano schmollte,
Weil Kuttel durchaus noch in eine Osteria einkehren wollte,
Sagte dieser: "Oder schämst du dich etwa vielleicht?"
Da wurde Fürst Wittgenstein wieder erweicht.
Als sie dann zwischen ehrlichen Sailorn und Dampferhalunken
Vier Flaschen Portwein aus einem gemeinsamen Becher getrunken,
Rief Kuttel Daddeldu plötzlich mit furchbarer Kraft:
"Komm, alter Fürst, jetzt trinken wir Brüderschaft."
Und als der Fürst nur stumm auf sein Chemisette sah,
Fragte Kuttel: "Oder schämst du dich etwa?"
Wittgenstein winkte ab und der Kellnerin.
Die schob ihm die Rechnung hin.
Und während der Fürst die Zahlen mit Bleistiftstrichen
Anhakte, hatte Kuttel die Rechnung beglichen.
Der Chauffeur am Steuer knirschte erbittert.
Daddeldu hatte schon vieles im Wagen zersplittert,
Während er dumme Kommandos in die Straßen und Gassen
Brüllte. "Hart Backbord!" "Alle Mann an die Brassen!"
Rasch aussteigend fragte Fürst Wittgenstein:
"Bitte, wo darf ich Sie hinfahren lassen?"
Aber Daddeldu sagte nur: "Nein!"
Darauf erwiderte jener bedeutend nervös:
"Lieber Herr Seemann, seien Sie mir nicht bös;
Ich würde Sie bitten, zu mir heraufzukommen,
Aber leider -" Daddeldu sagte: "Angenommen!"
Auf der Treppe bat dann Fürst Wittgenstein
Den Seemann inständig:
Um Gottes Willen doch ja recht leise zu sein;
Und während er später eigenhändig
Kaffee braute - und goss in eine der Tassen viel Wasser hinein, -
Prüfte Kuttel nebenan ganz allein,
Verblüfft, mit seinen hornigen Händen
Das Material von ganz fremden Gegenständen.
Bis ihm zu seinem Schrecken der fünfte
Zerbrach. - Da rollte er sich in den großen Teppich hinein.
Dann kam mit hastigen Schritten
Der Kaffee. Und Fürst Wittgenstein
Sagte, indem er die Stirne rümpfte:
"Nein, aber nun muss ich doch wirklich bitten -
Das widerspricht selbst der simpelsten populären Politesse."
Daddeldu lallte noch: "Halt die Fresse!"
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