Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.2 vom 20.01.2000, Seite 15

Johanna von Orléans

USA/Frankreich 1999, Regie: Luc Besson; mit Milla Jovovich, Dustin Hoffman, John Malkovich, Faye Dunaway u.a. (Kinostart: 13.1.)

Jetzt gibt es also pünktlich zum Jahrtausendwechsel eine Neuverfilmung des Jeanne-d‘Arc-Stoffs. Damit hat Luc Besson den zahlreichen Verfilmungen der Geschichte der Jeanne d‘Arc eine weitere hinzugefügt. Er tritt damit in die Fußstapfen von solchen Meisterregisseuren wie Carl Theodor Dreyer, Otto Preminger und Jacques Rivette. Seine Hauptdarstellerin, das Model Milla Jovovich, versucht, die Nachfolge von Maria Falconetti, Ingrid Bergman, Jean Seberg und Sandrine Bonnaire anzutreten. Beide können aber ihren großen VorgängerInnen nicht das Wasser reichen. Immerhin ersparen sie uns aber auch den religiösen Kitsch, den RTL kurz vor Weihnachten in einer TV-Version des Stoffs seinen ZuschauerInnen zumutete. Dort kamen sogar leibhaftige Engel vom Himmel herab geflogen, um der verwundeten Johanna beizustehen.
Im Vergleich dazu ist Bessons Herangehensweise an die Geschichte erfreulich realistisch und frei von religiösem Kitsch oder Pathos. Er gliedert die wohlbekannte Geschichte in drei Teile. Im ersten Teil sehen wir ein kleines Mädchen, das ständig zur Messe und zur Beichte rennt und schließlich miterleben muss, wie ihre ältere Schwester von englischen Soldaten zuerst ermordet und danach vergewaltigt wird. Eine Szene, die auf eine sehr brutale realistische Art und Weise geschildert wird.
Dieser brutale Realismus beherrscht den gesamten zweiten Teil. Hier sehen wir Jeanne als eine nach wie vor sehr religiöse aber auch sehr selbstbewusste junge Frau, die den König von Frankreich überredet, ihr sein Heer anzuvertrauen. Es folgen sehr ausführliche Schlachtszenen mit viel Schwertkampf und Kampf mit anderen Waffen wie Morgensternen, Lanzen, Armbrüsten, Katapulten, Feldschlangen und alles, was das späte Mittelalter noch so im Waffenarsenal hatte.
Auch die Auswirkungen dieser Waffen werden - etwas zu - realistisch vorgeführt, so dass man einen sehr unmittelbaren Eindruck von der Brutalität mittelalterlicher Kriegführung bekommt. Das soll nicht heißen, dass heutige Kriege weniger brutal sind, aber mensch muss heute nicht mehr so nah an seinen Gegner ran und wird dann auch nicht mit seinem Blut vollgespritzt. Mittelalterliche Kriege waren insofern ehrlicher. Wenn man schon ein fremdes Land in einen Trümmerhaufen verwandelte - wie es die Engländer im 15.Jahrhundert mit Frankreich taten - so musste man sich noch die Finger schmutzig machen und konnte nicht von humanitärer chirurgischer Kriegführung labern, wie es unsere heutigen exlinken Kriegs- und Außenminister tun.
Der eigentlich interessante Teil des Films ist der dritte. Dort gelingt Besson eine Art psychologische Studie über eine von allen verlassene Johanna. Sie zweifelt an ihrer religiösen Berufung. Ihr "Gewissen" - gespielt von Dustin Hoffman - führt ihr vor, dass es für ihre "Stimmen" und für alles andere, was sie für Wunder gehalten hat, sehr natürliche Erklärungen geben kann. So ist sie von Selbstzweifeln geplagt nun völlig allein - eine junge Frau in einer von alten Männern dominierten Welt.
Trotzdem tritt sie ihren Richtern sehr selbstbewusst gegenüber und kann sie mehrmals in Verlegenheit bringen. Dafür wird sie schließlich als Hexe verbrannt, ein Schicksal, das sie mit vielen starken Frauen ihrer Zeit teilt.
Das Thema Johanna von Orléans ist vielleicht deshalb so faszinierend, weil an ihm die Gefahren religiösen Wahns, die Faszination von Befreiungskämpfen, der Missbrauch von jugendlichem Idealismus durch zynische Machtpolitiker und - last but not least - das Schicksal von unkonventionellen Frauen in Männergesellschaften anschaulich dargestellt werden können.
So ist auch Johanna - je nachdem welcher Aspekt in den Vordergrund gestellt wurde - von sehr unterschiedlichen Kräften vereinnahmt worden. Von der katholischen Kirche, die sie zunächst als Hexe verdammte und dann als Heilige verehrte. Von Feministinnen, die in ihr vor allem die starke Frau sehen. Von französischen Faschisten, die sie als Vorkämpferin der nationalen Größe Frankreichs sehen. Aber auch Linke wie Bert Brecht, der das Thema in seiner Heiligen Johanna der Schlachthöfe aufgriff, sind für die Faszination dieser historischen Gestalt empfänglich.
Der Film hat das Verdienst, dass er in seinem dritten Teil hinter allen Klischees den Menschen Johanna zu entdecken sucht. Ansonsten erreicht er längst nicht die Qualität einiger früherer Verfilmungen. Er ist deshalb vor allem all denen zu empfehlen, die eine Vorliebe für historische Kostümfilme und romantische Freiheitshelden haben. Wem Braveheart mit Mel Gibson oder Robin Hood mit Kevin Costner gefallen hat, kommt auch bei Bessons Johanna von Orléans auf seine Kosten.
Andreas Bodden


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