Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-
Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.3 vom 03.02.2000, Seite 2

Die ungelösten Probleme

Kolumne: Jakob Moneta

Wenn der Nebel über dem CDU-Spendensumpf sich verzogen haben wird, wenn bei den Landtagswahlen CDU-Wähler durch Stimmenthaltung ihre Partei abgestraft haben, werden die immer noch von der "rot"-grünen Koalition nicht gelösten Probleme wieder in unser Gesichtsfeld kommen.
Oskar Lafontaine benennt sie kurz so: "Es ist immer wieder dieselbe Leier. Diejenigen, die hohe Einkommen und Vermögen haben, aber kaum Steuern zahlen und so gut wie nie vom Verlust des Arbeitsplatzes bedroht sind, fordern am lautesten Reformen bei Rentnern, bei der Arbeitslosenversicherung und bei den Rechten der Arbeitnehmer. Besonders tun sich dabei Politiker, verbeamtete Professoren, Journalisten und selbstverständlich Unternehmer und Verbandsfunktionäre hervor, die sich allesamt nicht vorstellen können, was es heißt, mit einer Rente von 1250 Mark, einem Arbeitslosengeld von 1400 DM, einer Arbeitslosenhilfe von 1000 DM oder der Sozialhilfe von 800 DM zu leben. Sie wissen häufig auch nicht, dass eine Verkäuferin oder ein Hilfsarbeiter mit einem Nettoeinkommen von ca. 2000 DM leben muss."
Zugleich ist Lafontaine erstaunt darüber, dass sich die sozialdemokratischen Parteien wenig damit beschäftigten, was die Deregulierung der internationalen Finanzmärkte für die Politik bedeutete. Er bekennt sogar, dass er lange Jahre nicht den blassesten Schimmer von dem Treiben auf dem internationalen Finanzmärkten hatte. Erst im Rahmen der Standort- und Globalisierungsdebatte habe er begonnen, sich genauer mit den Auswirkungen zu beschäftigen.
Als er Zinssenkungen forderte, wurde Oskar Lafontaine "von den schreibenden Jüngern des Neoliberalismus" beschuldigt, die europäischen Notenbanken bevormunden zu wollen. Er wurde zum Buhmann der liberalen Orthodoxie, die ihm die Verantwortung für die Schwäche des Euro zuschob. Heute ist der Euro im Keller und es stellt sich heraus, "dass der Euro-Kurs nur Ausdruck der realwirtschaftlichen Entwicklung in Amerika und in Europa ist. In Amerika brummte die Konjunktur, in Europa lahmte sie. In den USA waren folglich die Zinsen höher und die zu erzielenden Renditen damit attraktiver. Also gingen die Anleger lieber in Dollar als in Euro…"
Wie aber erklärt sich die andauernde amerikanische Konjunktur? In Deutschland, wo die Sparquote 11% beträgt, wurden 1998 von den privaten Haushalten 266 Milliarden Mark auf die hohe Kante gelegt. Das Vermögen der privaten Haushalte betrug 14,5 Billionen Mark. In den USA ist die Sparquote negativ. Das heißt, die Amerikaner geben mehr Geld aus, als sie sparen. Sie geben sich einem Kaufrausch hin.
Aber fast die Hälfte aller US-Haushalte besitzt auch Aktien, setzt blindlings auf die Spekulationsblase der Börse. Kein geringerer als Helmut Schmidt hält jedoch die Aktien in den USA für total überbewertet. Es seien die Psychopathen, die die Kurse nach oben trieben, 30-jährige Händler und 40-jährige Fondsmanager. Diesen fehle der Gesamtüberblick über die Welt und die Weltwirtschaft und auch die Verantwortung, die sich daraus ergebe…
"Zusammen mit den Vermögensverwaltern der Handels- und Investmentbanken bestimmen die Fondsmanager die Entwicklung der Weltwirtschaft in größerem Umfang als Regierungen und Parlamente." Immerhin sieht Lafontaine die politische Aufgabe der Sozialdemokraten darin, "einen wild gewordenen Kapitalismus zu bändigen, der sich unter Hinweis auf die vermeintlich ehernen Gesetze der Wirtschaft rechtfertigt … Der Neoliberalismus, wissenschaftlich verbrämt und mit Medienmacht unterstützt, wurde zu einer Art konservativer Ideologie, die sich unter der Überschrift ‚Ende der Ideologien‘ und ‚Ende der Geschichte‘ empfahl. Der Ruf nach weniger Staat ist all zu oft der Ruf nach weniger Demokratie. Die demokratischen Entscheidungen der Politik sollen durch die Märkte ersetzt werden. Und wie immer schon in der Geschichte passen sich viele dem herrschenden Zeitgeist an."
Auch wenn Oskar Lafontaine nicht vergisst, dass "das Herz noch nicht an der Börse gehandelt wird", sondern einen Standort hat und links schlägt, hat sich die Führung der Sozialdemokratie offensichtlich dem herrschenden Zeitgeist angepasst. Auch auf der SPD-Linken sind keine Anzeichen für den Willen vorhanden, den wildgewordenen Kapitalismus zu zähmen. Ganz abgesehen davon, ob es möglich ist dies zu tun, ohne ihn überwinden zu wollen.
Jakob Moneta


zum Anfang