Sozialistische Zeitung |
Mit den Wahlen vom 3.Januar dieses Jahres fand in Kroatien eine umfassende Veränderung des
politischen Systems statt. Erstaunlich sind das Tempo und die Vehemenz dieser Veränderung. Einen Monat nach ihrer Abwahl findet die
Partei des jüngst verstorbenen Franjo Tudjman, die HDZ, obwohl fast zehn Jahre an der Macht, in den Medien kaum noch
Erwähnung und wenn, dann auch nur in Zusammenhang mit anstehende Prozessen gegen ehemalige Minister und Mitglieder der HDZ.
Kroatien, das in der letzten Zeit der Herrschaft des schon schwer kranken Tudjman immer tiefer im Sumpf der Korruption und Vetternwirtschaft
versank, wurde auch international zunehmend isoliert. Nur knapp konnten die wegen der verweigerten Zusammenarbeit mit dem Internationalen
Gerichtshof für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien in Den Haag immer wieder angedrohten Sanktionen abgewendet werden.
Der Machtwechsel von der nationalistischen HDZ zu einem breiten
Bündnis der oppositionellen Kräfte könnte für Kroatien eine entscheidende Wende bedeuten. Im Wahlkampf war das
vorrangige Thema der Opposition die Bildung einer "anderen Republik", wie es der Publizist und Politiker Vlado Gotovac
ausdrückte. Dass sich dies nicht so einfach sein wird, zeigt schon die Heterogenität der an der Regierung nun beteiligten Parteien.
Die deutlichste Unterstützung erhielt mit 39% der Stimmen das
Bündnis der sozialdemokratischen SDP und der sozialliberalen HSLS. Ivica Racan, Vorsitzender der SDP und künftiger Premier,
führte die Kommunistische Partei Kroatiens beim Zerfall Jugoslawiens und ermöglichte in Kroatien die ersten Parlamentswahlen.
Nach Kroatiens Unabhängigkeit bildete er die Sozialdemokratische Partei, die jedoch bis zu der letzten Wahl eine Schattenstellung im
Regierungssystem Tudjmans innehatte. Racan war in Kroatien wegen seiner politischen Vergangenheit lange Zeit unbeliebt, konnte diese
Zweifel jedoch "erfolgreich" abwenden.
Für den Erfolg Racans war auch ausschlaggebend, dass diese Wahl,
wie die regimekritische Zeitung Feral Tribune erklärte, nicht so sehr von der Vorliebe für bestimmte Parteien der Opposition
geprägt war, sondern von dem Wunsch, die alte Regierung loszuwerden. Dafür spricht auch der enorme Verlust der HDZ von 45
auf 28% der Stimmen.
Die zweite Partei dieses Bündnisses, die HSLS unter Führung
des Präsidentschaftskandidaten Drazen Budisa, definiert sich als Partei des politischen Zentrums mit starker Ausrichtung auf klassisch
liberale Themen wie freier Marktwirtschaft. Sie war die erste offiziell gegründete Partei in der ehemaligen Sozialistischen Republik
Kroatien und war bis 1995 auch die stärkste Oppositionspartei. Innerparteiliche Kämpfe, die sich um das Verhalten zur HDZ
drehten, führten zu einer Spaltung und zum Austritt einiger Mitglieder um Vlado Gotovac, die daraufhin die Liberale Partei (LS)
gründeten.
Das andere Oppositionsbündnis, die Cetvorka, wird aus der
Liberalen Partei (LS), der regionalistischen Partei (IDS) aus Istrien, der Kroatischen Partei der Bauern (HSS), der Kroatischen Volkspartei
(HNS) sowie der Aktion der Sozialdemokraten Kroatiens, die die Rechtsnachfolgerin der Sozialistischen Partei Kroatiens ist, gebildet. Dieses
Bündnis stellte auch den Präsidentschaftskandidaten Stipe Mesic, der bei den Präsidentschaftswahlen vom 24.Januar 2000
Drazen Budisa von der HSLS überraschend mit 41% der Stimmen gegenüber den 28% schlagen konnte.
Stipe Mesic blickt auf einen ereignisreichen politischen Weg zurück.
1934 geboren, trat er als Student in die KP Kroatiens ein und war Abgeordneter im Parlament der Sozialistischen Republik Kroatien. Wegen
seiner Aktivitäten während des kroatischen Frühlings 1971 wurde er zu zwei Jahren Haft verurteilt. Während der
Umbruchszeit des Jahres 1990 trat er der HDZ bei und wurde letzter Präsident Jugoslawiens bis zum Rücktritt im Dezember 1991.
In der HDZ gehörte er nach eigener Aussage dem antifaschistischen Kreis an, der versuchte, die Politik der nationalistischen Hardliner in
der Partei zu kontrollieren. Da das in der HDZ nicht möglich war, verließ er die Partei 1994 und gründet die HNS.
Insbesondere die Politik Tudjmans, die auf eine Zerstückelung Bosnien-Herzegowinas abzielte, habe in dazu bewogen, so Mesic.
In seinem laufenden Wahlkampf kritisierte Mesic die finanzielle
Unterstützung, die die Herzegowina-Kroaten durch das ehemalige Regime erhielten: "Es ist endlich Zeit, dass ihr für euch
selber sorgt." Angesichts der 600 Millionen Mark, die jährlich in die Herzegowina flossen, kam dies bei den WählerInnen in
Kroatien gut an. Auch seine Drohungen, dass er die Gefängnisse mit Profiteuren und kriminellen Angehörigen der HDZ füllen
werde, trug zu seiner Popularität bei. Neben solchen populistischen Aussagen steht jedoch auch sein Aufruf an die aus Kroatien
geflüchteten Serbinnen und Serben, nach Kroatien zurückzukehren, was ihn wiederum für die internationale Gemeinschaft
akzeptabel macht, die dies immer forderte.
Der in den Umfragen weiterhin zurückliegende Drazen Budisa zeigte
sich über die Entwicklung enttäuscht und rief die WählerInnen auf, bei der folgenden Stichwahl am 7.Februar 2000 für
ihn als Präsidenten zu stimmen, da nur eine starke Regierung mit einem Präsidenten aus den eigenen Reihen die versprochenen
Reformen durchführen könne. Dies sei jedoch genau das, was die BürgerInnen Kroatiens nicht wollten, analysierte der
Journalist Marinko Culic in Feral Tribune, eine Einheit der Regierung mit dem Präsidentenamt, wie es aus der Tudjman-Zeit bekannt ist.
Dies ist im laufendem Wahlkampf auch die Argumentation von Stipe Mesic, der sich als Korrektiv zu einer starken Regierung unter Racan sieht.
Culic bemerkt aber auch, dass in der momentanen Entwicklung das eigentliche gemeinsame Ziel, die Verminderung der präsidialen
Vollmachten, untergehen könne.
Nils Neubert