Sozialistische Zeitung |
Seit dem Eingeständnis des Paten aus Oggersheim Mitte Dezember, zwischen 1993 und 1998 Summen
zwischen 1,5 und 2 Millionen Mark schwarz entgegengenommen zu haben, entwickelt sich der CDU-Spendenskandal zu einer Art
Fortsetzungskrimi, bei dem man nie sicher sein kann, welche unvermuteten Wendungen noch eintreten und welche Leichen noch im Keller
gefunden werden. Die Granden der Partei klagten häufig ziemlich hilflos, die immer neuen Enthüllungen überschritten ihr
Vorstellungsvermögen. Bei einigen - wie etwa Roland Koch - darf man freilich annehmen, dass sie nur ihr Verstellungsvermögen
meinten. Im Hinblick auf die Bundespartei und die hessische CDU werden die Konturen des Skandals nach den Ausführungen von
Weyrauch und Lüthje indes allmählich sichtbar.
Die Bundes-CDU unterhielt zumindest seit Anfang der 60er Jahre geheime
Konten in der Schweiz, etwa bei der Schweizerischen Bankgesellschaft in Zürich. Über dieses Institut wurden bis Ende der 70er
Jahre die vielen Millionen der Staatsbürgerlichen Vereinigung und ihrer "Nebengesellschaften" abgewickelt. Bei Bedarf
wurde das Geld nach Luxemburg auf die Hauck-Bank überwiesen und von dort aus in Koffern über die Grenze gebracht oder auf
die Hauck-Bank Frankfurt transferiert.
Nachdem Kohl Bundesvorsitzender der CDU geworden war, wurden die
Konten umstrukturiert und das Geld bei der Baseler Sarazin-Bank und weiteren Banken angelegt. Die Kontoführung oblag dem CDU-
Schatzmeister Walther Leisler Kiep und dessen Mitarbeiter Uwe Lüthje ("Hamburg und Bremen").
In der Zeit der Flick-Affäre und der darauf folgenden Prozesse kam
der Geldfluss ins Stocken. Es scheint, dass die hessische CDU sich die Verunsicherung der Spender Mitte der 80er Jahre zunutze machte und
sich (ohne Wissen der Bundespartei?) etwa 20 Millionen Spendengelder aneignete, die sie später bei der in Vaduz gegründeten
Stiftung "Zaunkönig" parkte.
Nach der Verhaftung des Kohl-Nachbarn und früheren rheinland-
pfälzischen FDP-Vorsitzenden Scholl wegen Überfalls auf einen Juwelier bekam Kohl offenbar Angst, der Schweizer Bankplatz
könnte nicht mehr absolut dicht gehalten werden, denn Scholls dort versteckte Beute war von den Schweizern umstandslos ausgeliefert
worden. Man gründete also die nach dem US-amerikanischen Marinehafen benannte Stiftung "Norfolk" (der Kalte Krieg
lässt grüßen) in Liechtenstein; dabei sprang der Kohl-Vertraute und Liechtensteiner Anwalt Herbert Batliner hilfreich zur
Seite. Fortan hatte die CDU keine Konten in der Schweiz mehr, sondern nur noch die Stiftung Norfolk.
In den Safes der Norfolk in Zürich sollen zunächst nur
Unterlagen über BND-Gelder, die allen staatstragenden Parteien während der Kanzlerschaft von Helmut Schmidt (1974-1982) zum
Aufbau von "Schwesterparteien" und zur "Abwehr des Kommunismus" auf der iberischen Halbinsel übergeben
worden waren, gelagert worden sein - dabei war schon aus diplomatischen Gründen strengste Geheimhaltung vonnöten. Von den 50
Millionen Mark, die für diese Operation ausgegeben wurden, haben CDU und CSU sicherlich mindestens ein Drittel bekommen. Man
kann davon ausgehen, dass sie einen Teil für sich behalten und via Schweiz "recycelt" haben.
Nach den Flick-Prozessen war die CDU Ende der 80er Jahre finanziell so
klamm, dass im Konrad-Adenauer-Haus das Büromaterial rationiert wurde. Da gelang es offenbar einigen Spendensammlern, in
großem Umfang Gelder zu akquirieren, vor allem die jetzt aufgeflogenen 6-10 Millionen Mark von Siemens (siehe Süddeutsche
Zeitung vom 12.2.2000).
Dieser Konzern unterhielt zum Zweck internationaler Bestechung und
Erlangung von Aufträgen offenbar ein weitverzweigtes Netz von "Anderkonten" in der Schweiz; inwiefern
Steuerhinterziehung eine Rolle gespielt hat, wird wahrscheinlich kaum je ermittelt werden.
Auch Kohl erhielt von bislang verschwiegenen Spendern im Zeitraum
1989-1992 weitere 2-3 Millionen Mark (in seiner Auslassung im Dezember hat er nur vom Zeitraum 1993-1998 gesprochen, weil alles weiter
Zurückliegende wegen Verjährung strafrechtlich bedeutungslos ist), die auf das Norfolk-Konto wanderten: Laut SZ führen die
Spuren ebenfalls nach München und zwar zum Bauspekulanten Schörghuber und dem Medienzar Leo Kirch, einem
persönlichen Freund von Kohl.
In diesen Zeitraum fällt übrigens auch die Übergabe der
Millionen-Spende durch den Kauferinger Unternehmer Karlheinz Schreiber in St.Margareten in der Schweiz an Kiep und Weyrauch, die im
Zusammenhang mit dem Panzer-Geschäft mit Saudi-Arabien zu sehen ist, bei dem Schreiber die Interessen des Thyssen-Konzerns vertrat.
Pikanterweise teilte die Schatzmeisterin der CDU, Brigitte Baumeister, die bei Schreiber in Kaufering 100000 Mark abgeholt haben will, mit
Thyssen-Manager Jürgen Maßmann zeitweilig das Bett.
Während die Verdrossenheit über die "korrupten
Politiker" in der Bevölkerung auf Rekordhöhen steigen, kommen die Manager der Großunternehmen, aus deren Kreisen
die Gelder "zur Pflege der politischen Landschaft" geflossen sind, in der "veröffentlichten Meinung" ungeschoren
davon. Dabei wären zumindest die bürgerlichen Parteien CDU, CSU und FDP in ihrem Bestand gefährdet, flössen
neben reichlich Staatsknete nicht massenweise Spenden aus der Wirtschaft.
Gerade die Karriere von Helmut Kohl wurde in allen wesentlichen
Stationen von Leuten aus der Wirtschaft gemanagt, angefangen bei seinem Gönner Ries vom Pegulan-Konzern über seine
Tätigkeit für den Verband der chemischen Industrie von Rheinland-Pfalz (von BASF beherrscht) bis hin zu den namhaften Spendern
für die in Rheinland-Pfalz angesiedelte Staatsbürgerliche Vereinigung, zu denen fast alle wichtigen "rheinischen
Kapitalisten" gehörten. Von den in den Geschäftsberichten der Parteien deklarierten Großspenden über 200000
DM gingen in den letzten 20 Jahren über 80% an CDU und CSU.
Doch sowohl die Gehälter der Spitzenpolitiker als auch der Umfang
der schwarzen Kassen sind Peanuts im Verhältnis zu den Verdienstmöglichkeiten und zur Kriminalität in der Wirtschaft: Ein
Schrempp von DaimlerChrysler "verdient" mindestens das Zehnfache des Bundeskanzlers, und die Steuerhinterziehung der
Wirtschaft dürfte sich auf über 100 Milliarden Mark belaufen. Diese realen Machtverhältnisse lassen Politiker halt
manchmal wie Hampelmänner aussehen.
Paul Kleiser