Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.4 vom 17.02.2000, Seite 2

UNCTAD-Konferenz

Tiger ohne Zähne

von GERHARD KLAS

Das Verhältnis der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) zur Welthandelsorganisation (WTO) ist ähnlich dem des UN-Sicherheitsrats zum Verteidigungsbündnis NATO. In der UNCTAD dürfen vor allem diejenigen zu Wort kommen, die in der WTO nichts zu sagen haben. Kritische Anmerkungen wie die des philippinischen Präsidenten Joseph Ejercito Estrada, die internationalen Finanzinstitutionen sollten von "ihren traditionellen Austeritätsprogrammen ablassen und sich mehr in Richtung auf soziale Sicherheitsnetze hin orientieren", verhallen in der UNCTAD zwar nicht ungehört, bleiben aber anders als die Vorstöße der Industrienationen in der WTO wirkungslos.
Wirtschaftsexperten, Gewerkschafter und Politiker vor allem aus der Dritten Welt waren nach Bangkok gekommen, um im "Parlament der Globalisierung", wie es der amtierende Generalsekretär Rubens Ricupero nennt, eben über die Probleme derselben zu diskutieren. Insgesamt waren 4000 aus 190 Ländern bei der UNCTAD-Konferenz in der thailändischen Hauptstadt, die damit weitaus repräsentativer war als die jüngste Ministerrunde der WTO im US-amerikanischen Seattle. Nur aus Europa und den USA waren weder Präsidenten noch Minister anwesend. Die Mächtigen der Welt zollten der Konferenz ihre Geringschätzung, indem sie wie die USA den Funktionär eines Entwicklungshilfewerkes zum Delegationschef ernannten oder wie die deutsche Regierung den Verwaltungsbeamten Günter Altenburg aus dem Außenministerium entsandten. Die hatten wie Altenburg nichts Besseres zu tun, als ein Lippenbekenntnis zu den "legitimen Forderungen" der Dritten Welt abzugeben, um direkt im Anschluss ihre "Integration in die globale Wirtschaft" zu propagieren.
Diese Doppelfunktion der UNCTAD - Spielwiese für Kritiker und Podium für die Fürsprecher der kapitalistischen Globalisierung - nutzte auch der noch amtierende Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Michel Camdessus. Er sprach sich in seiner letzten offiziellen Rede für eine Reduzierung des Waffenhandels aus. Erst gegen Ende seiner Rede ließ er die Katze aus dem Sack: Die in Seattle gescheiterten Verhandlungen der WTO über die weitere Liberalisierung des Welthandels müssten rasch wieder aufgenommen werden. Die Torte, die er zuvor von einem belgischen Globalisierungsgegner mit Wucht ins Gesicht geschleudert bekam, kommentierte ein Bekennerschreiben der "Zuckerbäcker ohne Grenzen" als "eine leichte und süße Unannehmlichkeit im Vergleich zu den enormen Leiden, die der IWF unter der Camdessus‘ Führung der südlichen Erdhälfte zugefügt hat".


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