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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.4 vom 17.02.2000, Seite 2

Ein beschäftigungspolitisches Harakiri?

Kolumne: Jakob Moneta

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände nannte die von der IG Metall geforderte Lohn- und Gehaltserhöhung von 5,5% einen "Anschlag auf die Arbeitsplätze". Gesamtmetall-Präsident Werner Stumpfe warf der IG Metall eine Tarifrunde "auf dem Rücken der Arbeitslosen vor".
In der ersten Runde der Tarifgespräche für die 3,4 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie, die im IGM-Bezirk "Küste" begannen, bezeichnete der Verhandlungsführer der Arbeitgeber Hans-Werner Busche die IG-Metall-Forderung gar als "beschäftigungspolitisches Harakiri".
Diese Sorge um Millionen Menschen, die unserer Kenntnis nach nicht von Gewerkschaften, sondern von Unternehmern in Arbeitslosigkeit entlassen worden sind, ist geradezu rührend. Wir vermissen allerdings sowohl bei ihnen als auch bei den Medien, die ihnen verpflichtet sind, plausible Argumente für ihre Behauptungen. Tatsache ist nämlich:
- In den Jahren 1980-1997 sind die Bruttolöhne und Gehälter um 94% gestiegen. Netto - nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben - blieb den abhängig Beschäftigten nur noch ein Plus von 74% in den Taschen.
- Hingegen sind die Gewinne der Unternehmen im gleichen Zeitraum brutto um 147% und nach den ihnen ermäßigten Steuern und Sozialabgaben netto um 251% gestiegen.
- Die Nettogewinne der 100 größten Metallunternehmen sind seit ihrem Tiefpunkt im Jahre 1993 bis zum Jahr 2000 von 1 Milliarde Mark auf 46 Milliarden gestiegen.
- Die Lohnstückkosten in der Metallindustrie sind heute 8% niedriger als 1995.
- Der Anteil der Löhne und Gehällter am Umsatz ist seit Anfang der 90er Jahre um ein Fünftel gesunken. Er beträgt heute nur noch 20,5% des Umsatzes.
- Der Export, der doch angeblich wegen der hohen Löhne, Gehälter und Sozialleistungen gefährdet war, wird allem Ansehen nach in diesem Jahr die Schallmauer von 1 Billion Mark durchbrechen.
Wieso aber haben die hohen Gewinne nicht zu Investitionen geführt, die Erwerbslosigkeit verringerten? Das war doch das Argument mit dem Lohnverzicht gefordert wurde? Aus zwei Gründen. Erstens, weil investiert wurde, um zu rationalisieren - Arbeitskräfte einzusparen, indem sie arbeitslos gemacht wurden. Zweitens aber, weil sich diese Gewinne ebenso wie die Bestechungsgelder der CDU in wundersamer Weise durch die Börsenspekulation vermehren konnten. Der Dax - Maßstab der Börsenkurse - ist allein im Jahre 1999 um 39% gestiegen.
Da uns die großen Erfolge der USA in der Bekämpfung der Erwerbslosigkeit durch Niedriglöhne als Muster vorgehalten werden, erreicht uns als Warnung soeben das Ergebnis einer Studie des Instituts Bread for the World. 1998 konnten mehr als 10 Millionen Haushalte in den USA nicht genügend Grundnahrungsmittel kaufen. Das seien 19 Millionen Erwachsene und 12 Millionen Kinder, die im reichsten Land der Welt Hunger leiden. Obwohl der allgemeine Wohlstand in den USA in den vergangenen vier Jahren gestiegen sei, habe sich die Lage der Armen verschlechtert.
Eine besonders anmaßende Frechheit leistete sich übrigens der Präsident der Europäischen Zentralbank, Wim Duisenberg. Er erklärte: "Ich wünsche den Deutschen, dass die IG Metall mit ihrer Forderung nicht durchkommt." Das ist der gleiche Herr, der die Forderung von Oskar Lafontaine, die Zinsen zu senken, um die Konjunktur anzukurbeln, als Eingriff in die "Unabhängigkeit" seiner Bank zurückwies. Wieso aber der Euro, den zu hüten seine Aufgabe ist, in den Keller gefallen ist, vermag Duisenberg bisher nicht verständlich zu machen.
Jakob Moneta


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