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In den USA selbst ist es um die Einhaltung der Menschenrechte schlecht bestellt. Spätestens mit der
Werbung des italienischen Modehauses Benetton ist die Todesstrafe in den USA wieder in aller Munde: Porträtfotos von 26
Todeskandidaten aus den USA zieren derzeit die angemieteten Werbeflächen des Modehauses in Amerika und Europa. Doch die
Todesstrafe ist nur die Spitze des Eisbergs in einer Gesellschaft wie der US-amerikanischen, in der immer mehr Menschen, unter ihnen
überproportional viele Nichtweiße, verarmen und von der Teilhabe am öffentlichen Leben ausgeschlossen sind. Der
Sicherheitsstaat zeigt seine Zähne: alle, die aus diesem Zustand des verwalteten Elends ausbrechen wollen - sei es durch
Beschaffungskriminalität, Drogenhandel oder politischen Widerstand - landen schnell im Gefängnis. Die Schwere der Strafe
hängt von der Qualität der Verteidigung ab. Die ist teuer und für viele deshalb unerschwinglich.
Abu-Jamal ist arm und er ist schwarz. Insofern ist er ein typischer
Fall", so der Anwalt des seit 1982 inhaftierten Journalisten Mumia Abu-Jamal. Seit 1982 sitzt Abu-Jamal wegen eines angeblichen
Polizistenmords in der Todeszelle. Mittlerweile ist er im Hochsicherheitstrakt des Bundesstaats Pennsylvania, SCI-Greene, untergebracht.
Gegenüber einer Delegation der Menschenrechtsorganisation Amnesty International 1997 hatten sich die Insassen des Todestrakts
über gewalttätige Misshandlungen und rassistisch motivierte Übergriffe seitens des Wachpersonals beschwert. Zwar sind
nach einer internen Untersuchung einige der Wärter entlassen worden, zwanzig weitere sind jedoch mit geringfügigen
Diziplinarstrafen davongekommen.
Misshandlungen und Übergriffe sind in den US-amerikanischen
Haftanstalten keine Einzelfälle. Viele der mehr als 1,7 Millionen Inhaftierten können von angewendeten Zwangsmitteln berichten,
die teilweise lebensbedrohlich sind. So ist es gängige Praxis, dass Gefangene und Untersuchungshäftlinge bei Transporten
angekettet sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob von ihnen eine Gefahr ausgeht oder nicht. Sogar schwangere Frauen werden in Ketten gelegt und
befinden sich auch im Krankenhaus, zum Teil während der Entbindung, in Handschellen.
Besonderer Beliebtheit erfreuen sich sogenannte
"Sicherungsstühle", auf denen Gefangene bewegungsunfähig festgeschnallt werden. Trotz der bekannten Gefahren finden
sie noch immer Anwendung. Vor einigen Jahren erstickte der in einem Untersuchungsgefängnis von Arizona inhaftierte Scott Norberg,
nachdem Wärter ihn mit einem um das Gesicht gewickelten Handtuch stundenlang auf einem "Sicherungsstuhl" festgeschnallt
hatten.
Auch chemische Sprays und Elektroschockgeräte, deren Gebrauch in
einigen Staaten der Welt wegen der damit verbundenen Risiken verboten ist, zählen ebenfalls zu den in US-Haftanstalten verwendeten
Zwangsmitteln. Vor allem der Gebrauch von ferngesteuerten Elektroschockgürteln nimmt zu, mit denen Wachpersonal Gefangenen per
Knopfdruck schmerzhafte Stromstöße versetzt, die bis zur Bewegungsunfähigkeit führen können. Besonders bei
HIV-Infizierten kann der Elektroschockgürtel zum Ausbruch sog. "opportunistischer Infektionen" im neurologischen Bereich
führen.
Frauen sind im US-amerikanischen Strafvollzug massiven sexuellen
Übergriffen ausgesetzt. Viele Vergewaltigungen kommen gar nicht zur Sprache, weil die Frauen Vergeltungsakte durch das Wachpersonal
befürchten. Es gehört zur gängigen Praxis, dass männliches Wachpersonal auch bei Frauen Leibesvisitationen
durchführt und anwesend sein darf, wenn diese nackt sind. Einige Haftanstalten müssen sich mit dem Vorwurf von Vermietung
weiblicher Gefangener an männliche Insassen auseinandersetzen. In 15 Staaten gibt es keine Gesetze gegen sexuellen Kontakt zwischen
Wachpersonal und Inhaftierten.
Asylbewerber, von denen viele durch die Ereignisse vor ihrer Flucht
schwer traumatisiert sind, werden in den USA wie Straftäter behandelt. Ebenso wie Strafgefangene müssen sie sich
Leibesvisitationen unterziehen, werden gefesselt und angekettet, sind verbalen und körperlichen Übergriffen ausgesetzt. Kontakt zu
Familienangehörigen, Rechtsanwälten oder Organisationen, die ihnen helfen könnten, wird ihnen regelmäßig
verwehrt. Bei Verstößen gegen die Gefängnisordnung, die ihnen wegen mangelnder Sprachkenntnisse meistens nicht
verständlich ist, müssen auch Asylbewerber in Einzelhaft. Anders jedoch als verurteilte Straftäter, die um die Länge
ihrer Haftstrafe wissen, sind sie völlig ahnungslos, wann sie wieder auf freiem Fuß sein können.
Von den insgesamt 3500 Insassen der Todestrakte glaubt kaum jemand
daran, jemals wieder das Licht der Freiheit zu erblicken. Allenfalls die 75 Inhaftierten, die bisher aus dem Todestrakt entlassen wurden, weil
sich ihr Fall als Justizirrtum herausgestellt hatte, könnten bei einigen Hoffnung wecken. Die Verhängung der Todesstrafe in den
USA trägt darüber hinaus seit jeher rassistische Züge. Seit dem Auslaufen des Hinrichtungsmoratoriums 1977 sind 82% der
insgesamt 500 hingerichteten Gefangenen des Mordes an einem Weißen für schuldig befunden worden, obwohl die Zahl der
Morddelikte an Schwarzen und Weißen ungefähr gleich ist.
Die in Einzelfällen mehr als 20 Jahre andauernde Haft wird für
die meisten zum quälenden Warten auf den Tag der Exekution. 1999 berichtet Amnesty International von ingsgesamt 68 Hinrichtungen in
18 Staaten, von denen die meisten durch eine Giftinjektion herbeigefürhrt wurden. Die Art und Weise des Sterbens ist dabei keinesfalls
so sauber und klinisch, wie es von Befürwortern der Todesstrafe häufig ins Feld gefürht wird. Exemplarisch steht
dafür die minutiös dokumentierte Hinrichtung von Tommie Smith im Bundesstaat Indiana. Zunächst suchte das
"Hinrichtungsteam" 16 Minuten lang vergeblich eine geeignete Vene in seinem Arm. Schließlich rief man einen Arzt, dessen
Versuch, die Nadel in eine Halsvene einzuführen, ebenfalls misslang. Erst nach 36 Minuten erfolgte die Injektion über eine
Blutbahn im Fuß von Tommie Smith, der die ganze Prozedur bei vollem Bewusstsein miterleben musste.
Mit 450 Männern und 9 Frauen sitzen in keinem Bundesstaat so viele
Gefangene in der Todeszelle wie in Texas. Allein im Januar 2000 exekutierten "Hinrichtungsteams" dort sieben Menschen. Darunter
ein geistig Behinderter und ein Mann, der für eine im Alter von 17 Jahren begangene Tat getötet wurde. Obwohl die UN-
Kinderrechtskonvention Hinrichtungen von zur Tatzeit Minderjährigen verbietet, ist dies in 24 US-Bundesstaaten sehr wohl
möglich. Im letzten Jahr sind erstmals seit 1993 wieder drei jugendliche Straftäter in Texas und Virginia hingerichtet worden, die
zudem psychisch behindert waren, so der Jahresbericht von Amnesty International.
Nachdem der Oberste Gerichtshof der USA 1989 die Verhängung
von Todesurteilen gegen geistig in ihrer Entwicklung zurückgebliebenen Angeklagten für verfassungskonform erklärt hatte,
sind dort mehr als dreißig Gefangene hingerichtet worden, die an psychischen Störungen litten. Im Oktober des vergangenen Jahres
traf es Jeremy Sagastegui, der im Bundesstaat Washington "von Staats wegen" den Tod fand. Bei seinem Prozess hatte er
anwaltlichen Beistand abgelehnt und sich selbst verteidigt, sich schuldig bekannt und die Geschworenen um Verhängung der Todesstrafe
gebeten. Drei Monate vor dem Verbrechen, für das er die Todesstrafe erhielt, war er von Ärzten als selbstmordgefährdet
eingestuft worden, nachdem man ihn bereits zuvor schon als manisch-depressiv und schizophren diagnostiziert hatte.
Entgegen ihren rhetorischen Bekenntnissen hält die Wirklichkeit in
den USA einer Beachtung der Menschenrechte nicht stand. Die US-Regierung hat bisher weder die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert, noch
hält sie sich mit der Inhaftierung von Asylbewerbern an die Grundsätze des internationalen Flüchtlingsrechts. Die USA
entziehen sich darüber hinaus einer Überprüfung ihrer "innerstaatlichen Menschenrechtspolitik", indem sie
interamerikanischen und auf UN-Ebene existierenden Menschenrechtsgremien das Recht aberkennen, sich mit Beschwerden von Einzelpersonen
aus den USA zu befassen. Viele Bundesstaaten haben außerdem den Zugang für Gefangenenhilfsgruppen und Presse zu ihren
Haftanstalten stark eingeschränkt.
Im November sind wieder Präsidentschaftswahlen in den USA. Im
Wahlkampf wird auch die Todesstrafe wieder die Gemüter erhitzen und Politiker, die sich gegen diese Praxis wenden, müssen sich
von ihren Gegnern mangelnde Härte im Kampf gegen die Kriminalität vorwerfen lassen. "Ich sehe niemanden unter den
Präsidentschaftskandidaten, der öffentlich sagen würde, er sei gegen die Todesstrafe", meint die Ordensschwester
Helen Prejan, die Gefangene im Todestrakt betreut. Sollte George W. Bush das Rennen machen, erwartet sie, "dass es schrecklich
wird". An seinem Einführungstag als Gouverneur von Texas fand eine Hinrichtung statt, seitdem waren es einhundert in Texas.
Obwohl 73% der texanischen Bevölkerung die Todesstrafe von geistig behinderten Tätern in einer Meinungsumfrage vom Mai
1999 ablehnten, widersprach Bush einer Gesetzesänderung und setzte sich durch.
Gerhard Klas