Sozialistische Zeitung |
Im südhessischen Darmstadt traf sich am ersten Februarwochenende die "Bundesgemeinschaft
unabhängiger Erwerbslosengruppen" (BAG-E) zu ihrem Bundestreffen. VertreterInnen aus 25 Initiativen legten die Schwerpunkte
der Aktivitäten für das Jahr 2000 fest und trafen Vereinbarungen über eine organisatorische Festigung.
Selbstkritisch wurde festgestellt, dass die beabsichtige Ausweitung des
Netzwerks Richtung Osten noch keine greifbaren Ergebnisse zeigt. Der ALV ist nach wie vor der erste Ansprechpartner für Erwerbslose
dort. Allerdings gibt es an der Basis Unmut über die Politik des Verbands, z.B. seine Position im regionalen "Bündnis
für Arbeit" in Mecklenburg-Vorpommern. Hier wird es in Zukunft notwendig sein, Basiskontakte herzustellen. Nachdem die
bundesweite Zusammenarbeit nach Beginn der "Aktionstage" vor zwei Jahren auf Eis gelegt wurde, gibt es nun auf Initiative der
BAG-E ein erstes Treffen Mitte Februar. Neben den bundesweiten Zusammenschlüssen wurden auch regionale
Organisationsansätze, z.B. ZEPRA aus Niedersachsen, eingeladen. Die BAG-E erhofft sich von dem Treffen den Beginn einer lockeren,
aber kontinuierlichen Zusammenarbeit gegen Erwerbslosigkeit und Ausgrenzung.
Sicherlich führt die Ernüchterung über die Arbeitsmarkt-
und Sozialpolitik der rot-grünen Bundesregierung bei den eher traditionellen Verbänden zu einer Offenheit gegenüber neuen
Bündnissen. Der bisher positive Bezug auf die Euromärsche wurde nun von der BAG-E organisatorisch geregelt. Die Mannheimer
BAG-E-Gruppe vertritt das Netzwerk in den Strukturen des Euromarschs, bei den halbjährigen europäischen
Koordinationssitzungen sowie im neuen Brüsseler Büro.
Neu ist der enge Kontakt mit kritischen Sektoren der
Gewerkschaftsbewegung. Im Arbeitsausschuss der "Vernetzung der Gewerkschaftslinken" hat die BAG-E als einzige
Erwerbslosenstruktur Sitz und Stimme. Beim letzten Bundestreffen der Gewerkschaftslinken Anfang Dezember in Stuttgart hielt der Vertreter
der BAG-E das Einleitungsreferat und stieß auf viel Verständnis und Interesse.
Erstmals gibt es einen wichtigen gewerkschaftlichen Bereich, wo in
Erwerbslosenfragen die Hegemonie der Koordinierungsstelle aus Bielefeld durchbrochen wurde. Strategisch ist dies ein nicht zu
unterschätzender Erfolg der autonomen Erwerbslosenbewegung. Das Bundestreffen begrüßte diese Entwicklung und forderte
die Erwerbslosengruppen auf, sich bei Gründung örtlicher oder regionaler Strukturen der "Gewerkschaftslinken"
einzumischen.
Erfreulich ist ebenfalls, dass es unter Mitwirkung örtlicher BAG-E-
Strukturen nun einen länderübergreifenden regionalen Zusammenschluss von Erwerbslosen aus der Schweiz, Frankreich und der
BRD gibt. Unter dem Motto "Erwerbslose kämpfen selbstbewusst und europaweit" hat sich VETO (Vereinigung der
Erwerbslosengruppen Trinationaler Oberrhein) konstituiert.
Diese Vereinsgründung wird sich sicherlich günstig auf die
Mobilisierungsbemühungen von Erwerbslosen zu den Aktivitäten in der zweiten Jahreshälfte nach Frankreich auswirken.
Scharf wurde die Gründungsinitiative einer "deutschen
Arbeitslosengewerkschaft" (DaloG) als unseriös und spalterisch kritisiert. Die BAG-E wird sich bemühen, mit den anderen
Verbänden eine gemeinsame Stellungnahme zu erarbeiten. Eine ausführliche Kritik zu diesem Projekt ist in Vorbereitung. Eine
Intervention zur beabsichtigten Gründung am 30.April in Leipzig ist noch nicht konkretisiert worden.
Bundesweite Arbeitsgruppen der BAG-E beziehen sich gegenwärtig
auf die Analyse der Modernisierungspolitik sowie auf die Erarbeitung einer aktualisierten Position zur "Grundsicherungsdebatte".
Die Zusammenarbeit mit AC! (Agir contre le chomage!) in der europäischen Kommission zu dieser Frage ist gewährleistet.
Demnächst wird sich die BAG-E auch im virtuellen Raum
ausbreiten. Eine eigene Webseite ist in Vorbereitung und wird dann auch in der SoZ vorgestellt.
Das Treffen zeigte, dass die unabhängige Erwerbslosenbewegung in
der Lage ist, sich auf neue Situationen einzustellen und bemüht ist, sich lebhaft in die Organisierung einer breiten Ablehnungsfront gegen
die sozialdemokratische Modernisierungspolitik einzubringen.
Paul Stern