Sozialistische Zeitung |
Bürgerliche Meinungsforscher behaupten, die FPÖ sei die neue Arbeiterpartei sei, weil das
ungebildete Proletariat im Gegensatz zu den aufgeklärten Mittelschichten den primitiven Parolen Haiders auf den Leim gehe.
Die so argumentieren verkennen zum einen, dass der größte
Teil der Arbeiterinnen und Arbeiter mittlerweile gar nicht mehr zur Wahl geht (wie das in den USA schon seit Jahrzehnten der Fall ist) -
teilweise aus politischer Passivität, teilweise aber auch, weil sie von der SPÖ die Nase voll haben aber gleichzeitig erkennen,
dass die FPÖ eine gegen ihre Interessen gerichtete Unternehmerpartei ist.
Andererseits macht eine elektorale Unterstützung durch Teile der
Arbeiterklasse - zu der ja auch die meisten Angestellten und viele öffentlich Bedienstete gehören - eine Partei noch nicht zur
Arbeiterpartei. Anders als tatsächliche Arbeiterparteien organisiert die FPÖ die Lohnabhängigen nicht als solche. Gibt es
schon in der FPÖ-Mitgliedschaft kaum Arbeiterinnen und Arbeiter, so sind unter den Funktionsträgern so gut wie keine mehr
anzutreffen.
Die 1998 mit großem Pomp gegründete FP-Gewerkschaft ist
von den angestrebten 100000 Mitgliedern weit entfernt und organisiert gerade einmal 17000, im Gegensatz zu den 1,48 Millionen im
ÖGB, von denen 20% FPÖ wählen, aber weiterhin 50% SPÖ. In den Grundstrukturen der österreichischen
Arbeiterbewegung, unter den tausenden Betriebsräten, stellen FPÖ-nahe Leute eine kleine Minderheit. Eine wirklich starke
Verankerung hat die FPÖ allein bei der Polizei, einem klassischen Rekrutierungsfeld rechtsextremer Parteien.
Das soll nicht heißen, dass die massive Wahlunterstützung von
ArbeiterInnen für die FPÖ keine ernsthafte Gefahr für die Arbeiterbewegung und die Linke darstellt.
Die FPÖ ist ihrem Charakter nach eine rechtsgerichtete
bürgerliche Partei. Gegründet 1956 hat sie ihre Wurzeln im Verband der Unabhängigen, einem Auffangbecken für
ehemalige Nazis in der Nachkriegszeit. Über Jahrzehnte existierte in der Partei ein rechtsnationaler Flügel neben einem
stärker liberalen - bis ersterer schließlich 1986 mit der Wahl Haiders zum Obmann eindeutig die Oberhand gewann.
Die Ursprünge der FPÖ, das (natürlich
rückläufige) Vorhandensein von Ex-Nazis in ihren Reihen und die beschönigenden Aussagen Haiders über
Konzentrationslager und die Waffen-SS machen die FPÖ aber noch nicht zu einer faschistischen Partei.
Anders als diese richtet die FPÖ heute ihr Kreuzfeuer nicht gegen die
bürgerlich-parlamentarische Demokratie, sie bildet keine Schlägerbanden zur Zerschlagung der organisierten Arbeiterbewegung,
pflegt keine ausgeprägte Anti-System-Rhetorik und propagiert auch nicht die Aufhebung der demokratischen Rechte. Sie führt gegen
die Arbeiterbewegung und das liberale Bürgertum keinen reaktionären Mob auf die Straße und keine Kampfverbände,
wie es die SA oder die austrofaschistische Heimwehr waren und es die Schlägertrupps der französischen Front National oder der
deutschen NPD sind.
Die FPÖ ist eine rechtsextreme Partei, die im Rahmen des
bürgerlichen Parlamentarismus agiert. Ihre Strategie ist ein auf Wahlerfolge ausgerichteter Populismus. Ihr Ziel ist nicht die gewaltsame
Zerschlagung der bürgerlichen Demokratie, sondern die schrittweise Einführung von autoritären Elementen - ein
plebiszitäres Präsidialsystem, nicht eine faschistische Diktatur.
Dabei muss man freilich immer im Hinterkopf haben, dass Demokratie
für das Kapital keinen grundsätzlichen, sondern einen konjunkturellen, einen Nützlichkeitswert hat. Deshalb können
auch in einer rechtsextremen Partei, die im Rahmen einer bürgerlichen Demokratie agiert, zur gegebenen Zeit faschistische Kräfte
die Oberhand gewinnen (wie die Heimwehren bei den Christlich-Sozialen in der Zwischenkriegszeit). Eine solche Entwicklung steht
zweifellos auch der FPÖ offen.
Doch Faschismus steht heute nicht auf der Tagesordnung, diese
Herrschaftsform ist für die kapitalistische Klasse in Europa derzeit nicht aktuell. Das macht die FPÖ freilich nicht weniger
gefährlich - eher im Gegenteil, denn Haider & Co. stellen für einen wachsenden Teil des Bürgertums eine
"zeitgemäße" reaktionäre Option dar.
Nicht nur traditionelle FPÖ-Kapitalisten wie Mautner-Markhof oder
Hartlauer setzen auf den freiheitlichen Kurs, sondern auch Prinzhorn, Stronach und etliche andere - bis hinein in die Wirtschaftskammer, wo
immer mehr Jungfunktionäre mit der FPÖ sympathisieren.
Für sie ist die FPÖ weniger an sozialpartnerschaftliche
Strukturen gekettet als die ÖVP und deshalb das geeignete Instrument für eine härtere Gangart gegen die verbliebenen
staatlichen Regulierungen, den "übertriebenen Sozialstaat" und die Gewerkschaften.
Des Weiteren hat die FPÖ den Vorteil, dass sie - zumindest am
Anfang - einen Teil der Lohnabhängigen in ein scheinbar klassenübergreifendes nationalistisches Projekt einbinden könnte
und dass sich ihr Populismus bestens zur weiteren Zersetzung der Sozialdemokratie eignet.
Arbeitsgruppe Marxismus (Wien)