Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.5 vom 02.03.2000, Seite 2

Greencard

Fachkräfte oder billige Fachkräfte?

von DOMINIK MÜLLER

Bundeskanzler Gerhard Schröder wird nicht müde, mit Geschenken an die Unternehmer nur so um sich zu werfen. Nach der Steuerbefreiung für Veräusserungsgewinne kündigte er nun auf der weltgrößten Computerfachmesse CEBIT in Hannover eine schnelle und unbürokratische Visaregelung für ausländische Computerfachkräfte an. Dabei handelt es sich keinesfalls um den ersten Schritt zu einer Liberalisierung der Einwanderungsregelungen, wie einige zu hoffen glauben. In Anlehnung an die US-amerikanische Greencard schwebt dem Kanzler vielmehr eine befristete Aufenthaltsgenehmigung vor, die nach Ablauf mit einer unmittelbaren Ausweisung beendet werden kann und damit vom rechtlichen Status her noch weiter hinter den der sog. "Gastarbeiter" der 60er Jahre zurückfällt.
Gewerkschaften und Bundesanstalt für Arbeit sind skeptisch. Sie glauben den Unternehmen der Informationstechnologie (IT) nicht die Klagen über einen Mangel an Arbeitskräften in der Computerbranche. Sie verweisen auf mehr als 30.000 arbeitslose EDV-Fachleute und lediglich 12.000 offene Stellen, die der Bundesanstalt im letzten Jahr gemeldet waren. Eine Milliarde wird jährlich ausgegeben, um den IT-Nachwuchs heranzuzüchten. Doch die Unternehmen der Branche sind ungeduldig. Sie rechnen erst in einigen Jahren mit neuen und qualifizierten Arbeitskräften. Die jetzt zur Verfügung stehenden Spezialisten sind angeblich zu alt und zu wenig belastbar.
Gut ausgebildete Konkurrenz soll nach Ansicht der IT-Branche außerdem die Qualität der Ausbildung hierzulande verbessern. Das US-amerikanische Vorbild legt zudem eine weitere Absicht nahe: dort arbeiten hochqualifizierte Fachkräfte aus Indien, China und den Philippinen für die Hälfte des Lohnes ihrer amerikanischen Kollegen. Das ist mehr, als sie im boomenden Sektor ihrer Heimatländer verdienen würden, wo ihr Knowhow andererseits dringend gebraucht wird.
Bis zu 30.000 Experten aus dem Ausland sollen engagiert werden. Ob sie vor allem als "billige" Fachkräfte eingestellt werden; bleibt abzuwarten. Zum Lohnniveau hat sich bisher niemand explizit geäußert. Doch bald wird Klarheit herrschen. Schon in wenigen Wochen soll das Verfahren feststehen, nachdem Computerfachleute aus dem nichteuropäischen Ausland in Deutschland ihre Haut zu Markte tragen können.



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