Sozialistische Zeitung |
Bundeskanzler Gerhard Schröder wird nicht müde, mit Geschenken an die Unternehmer nur so um
sich zu werfen. Nach der Steuerbefreiung für Veräusserungsgewinne kündigte er nun auf der weltgrößten
Computerfachmesse CEBIT in Hannover eine schnelle und unbürokratische Visaregelung für ausländische
Computerfachkräfte an. Dabei handelt es sich keinesfalls um den ersten Schritt zu einer Liberalisierung der Einwanderungsregelungen,
wie einige zu hoffen glauben. In Anlehnung an die US-amerikanische Greencard schwebt dem Kanzler vielmehr eine befristete
Aufenthaltsgenehmigung vor, die nach Ablauf mit einer unmittelbaren Ausweisung beendet werden kann und damit vom rechtlichen Status her
noch weiter hinter den der sog. "Gastarbeiter" der 60er Jahre zurückfällt.
Gewerkschaften und Bundesanstalt für Arbeit sind skeptisch. Sie
glauben den Unternehmen der Informationstechnologie (IT) nicht die Klagen über einen Mangel an Arbeitskräften in der
Computerbranche. Sie verweisen auf mehr als 30.000 arbeitslose EDV-Fachleute und lediglich 12.000 offene Stellen, die der Bundesanstalt im
letzten Jahr gemeldet waren. Eine Milliarde wird jährlich ausgegeben, um den IT-Nachwuchs heranzuzüchten. Doch die
Unternehmen der Branche sind ungeduldig. Sie rechnen erst in einigen Jahren mit neuen und qualifizierten Arbeitskräften. Die jetzt zur
Verfügung stehenden Spezialisten sind angeblich zu alt und zu wenig belastbar.
Gut ausgebildete Konkurrenz soll nach Ansicht der IT-Branche
außerdem die Qualität der Ausbildung hierzulande verbessern. Das US-amerikanische Vorbild legt zudem eine weitere Absicht
nahe: dort arbeiten hochqualifizierte Fachkräfte aus Indien, China und den Philippinen für die Hälfte des Lohnes ihrer
amerikanischen Kollegen. Das ist mehr, als sie im boomenden Sektor ihrer Heimatländer verdienen würden, wo ihr Knowhow
andererseits dringend gebraucht wird.
Bis zu 30.000 Experten aus dem Ausland sollen engagiert werden. Ob sie
vor allem als "billige" Fachkräfte eingestellt werden; bleibt abzuwarten. Zum Lohnniveau hat sich bisher niemand explizit
geäußert. Doch bald wird Klarheit herrschen. Schon in wenigen Wochen soll das Verfahren feststehen, nachdem Computerfachleute
aus dem nichteuropäischen Ausland in Deutschland ihre Haut zu Markte tragen können.