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Am 21.Februar gab die Staatsanwaltschaft Wiesbaden bekannt, dass sie gegen den hessischen
Ministerpräsidenten Roland Koch kein Ermittlungsverfahren eröffnen wird. Für ein strafbares Verhalten gebe es "keine
zureichenden Anhaltspunkte", sagte der zuständige Oberstaatsanwalt Werner Roth.
Kein Betrug, keine Urkundenfälschung, keine Untreue - so das Urteil
nach über drei Wochen Prüfung der hessischen Finanzaffäre und der Rolle, die Koch dabei spielte. Die Abgabe eines
falschen Rechenschaftsberichts, die Kochs Unterschrift trägt, hat also für den CDU-Landesvorsitzenden und
Ministerpräsidenten keine strafrechtlichen Folgen.
Wichtig sei in diesem Zusammenhang gewesen, so die Staatsanwaltschaft,
dass Roland Koch auf die Veränderung im CDU-Rechenschaftsbericht, an dem nachweislich mit Wissen Kochs Manipulationen
vorgenommen wurden, selbst hingewiesen hätte. Das wurde ihm als strafbefreiend angerechnet. Koch sprach in einer ersten Reaktion
davon, dass nun eine gegen ihn gerichtete "Kampagne", in der er sich als Betrüger und Verfälscher habe bezeichnen
lassen müssen, keine Grundlage mehr habe.
Für Roland Koch ist die Entscheidung der Wiesbadener
Staatsanwaltschaft ein wichtiger Etappensieg. Nachdem Koch am 19.2. in Wiesbaden auf dem Parteitag der hessischen CDU mit dem
"CSU-Ergebnis" von 97,6% der Stimmen als Landesvorsitzender bestätigt wurde und so umjubelt wurde wie zuletzt Manfred
Kanther, scheint Kochs Strategie, dass sich die Partei wieder hinter einem "starken Mann" versammelt und ihm den Rücken
stärkt, aufzugehen.
Nach dem Spruch der Staatsanwaltschaft ist in der CDU die Zuversicht
gestiegen, dass sich auch der FDP-Sonderparteitag am 4.März zur Frage einer Fortführung der Regierungskoalition in Wiesbaden
mit einem Ministerpräsidenten Koch an der Spitze gegen die Wünsche und Forderungen der Führung der Bundespartei
ausspricht und sowohl Koch als auch Wagner ihre Linie durchsetzen.
Armin Clauss, SPD-Fraktionsvorsitzender im hessischen Landtag,
äußerte sich skeptisch zur Entscheidung der Staatsanwaltschaft: "Das wird sicherlich von der Bevölkerung nicht
verstanden werden. Es entsteht der Eindruck, dass Politiker mit anderen Maßstäben gemessen werden. Der kleine Mann hat den
Eindruck, dass jeder kleine Regelverstoß bei ihm geahndet wird und dass ein so schwerwiegender Verstoß gegen die Verfassung
und das Parteiengesetz ohne juristische Folgen bleibt."
Bemerkenswert ist noch ein anderer Aspekt: Bereits am 9.Februar, einen
Tag, nachdem Koch bei einer Pressekonferenz einräumte die Öffentlichkeit noch im Januar angelogen zu haben, äußerte
sich der Wiesbadener Oberstaatsanwalt Frieder Rothenberger. Für ihn stand das Urteil zu den Vorwürfen, Koch habe an den
Vorgängen mitgewirkt, schnell fest. Es liege, so Rothenberger, weder Urkundenfälschung noch Betrug vor.
Für viele im Rhein-Main-Gebiet keine überraschenden
Erkenntnis des stellvertretenden Leiters der Wiesbadener Staatsanwaltschaft. Denn Rothenberger ist vielen bekannt als Lokalpolitiker - er ist
im Rheingau-Taunus-Kreis Vorsitzender der CDU. Seine Meinung vom 9.2. sei für ihn aber lediglich die "Bewertung als
Parteivorsitzender", sie sei nicht als "Vorgabe" gedacht gewesen.
Thomas Klein