Sozialistische Zeitung |
Zweihundertfünfzig Bahnen und Busse fuhren nicht aus den Depots. Mit der Arbeitsniederlegung
reagierte die Belegschaft auf die Pläne der CDU/FDP-Mehrheit (eine Stimme) im Rat der Stadt Köln. Die nächste
Ratssitzung soll die Privatisierung des Busbetriebs der KVB beschließen, obwohl es eine Abmachung mit der Gewerkschaft ÖTV
gab, gemeinsam Lösungen im Hinblick auf die EU-Richtlinien und den Wettbewerb im öffentlichen Personennahverkehr zu suchen.
Auf der gegen 8 Uhr stattfindenden Betriebsversammlung im Betriebshof
Nord geht es teilweise emotionsgeladen zur Sache. Vorstandsdirektor Schrammeyer wird ausgepfiffen, als er vorbringt: "Es ist noch
nichts entschieden. Der Vorstand hat nur den Plan aufgegeben, sich am Reiseunternehmen Schilling mit 49% zu beteiligen, das ist im Stadtrat
nicht durchzusetzen."
Der Betriebsratvorsitzender Kuno Weber erklärt: "Wir werden
nicht zulassen, dass die KVB zerschlagen wird." Zuvor hatte er dargelegt, wie enorm in den letzten Jahren die Arbeitsverdichtung
zugenommen hat, dies sei auch im Geschäftsbericht unter Produktivitätssteigerung erwähnt worden.
Der KVB-Aufsichtsratsvorsitzende Biciste (SPD) bringt vor, dass in den
letzten Jahren 800 Beschäftigte "abgebaut" wurden und die Kostendeckung des Unternehmens nun bei 70% liegt. Der
ÖTV-Geschäftsführer Peter Meyer wertete das Vorgehen der CDU als "klare Kampfansage und … willkürliche
Fremdbestimmung durch die Politik".
Die Versammlung schließt mit einem eindringlichen Appell an den
KVB-Vorstand, die Interessen der Beschäftigten gegen diese unverantwortliche Politik zu verteidigen.
Zum Schluss erklärt der ÖTV-Geschäftsführer laut
Kölnischer Rundschau: "Falls die CDU nicht von ihrer erklärten Absicht abrücken sollte, brennt in Köln der
Baum, auch wenn Karneval ist und nicht Weihnachten."
Gegen 11 Uhr fahren die ersten Busse und Bahnen aus den Depots. Aber es
dauert noch einige Stunden, bis der Verkehr wieder planmäßig läuft. Das sollte ein Vorgeschmack sein auf das, was eintreten
kann, wenn die Pläne von CDU/FDP nicht vom Tisch kommen.
Fatale Tarifpolitik
Für den späten
Nachmittag hat die ÖTV zu einer Delegiertenversammlung eingeladen. Auch hier geht es, wie schon am Morgen auf der
Betriebsversammlung der KVB, hoch her. Die ÖTV-Führung hat Mühe, das Heft in der Hand zu behalten, als die
Privatierungsapostel, OB Blum, der CDU-Fraktionsvorsitzende Bietmann und der FDP-Geschäftsführer Breit, ihre Absichten
verteidigen. Damit kommen sie aber schlecht an, sie werden ausgepfiffen. Besser ergeht es Rüther von der SPD und Frank von den
Grünen. Ihre Beiträge richten sich gegen die Pläne der CDU.
Hatte die Versammlung nur Alibifunktion oder sollten hier Weichen gestellt
werden, um die Privatisierungspläne durch eine gewerkschaftliche Kampfstrategie zu stoppen?
Weil die ÖTV dem "Sachzwang" zur Privatisierung nichts
entgegensetzt, kommt sie zum Schluss, die Übernahme von 49% des Busunternehmens Schilling sei die einzige Alternative zu den
Privatisierungsplänen von CDU und FDP. Seit längerem schon fährt das private Busunternehmen Schilling auf einigen Linien
und im Schulbusverkehr im Auftrag der KVB. Sollte etwas anderes als die Beteiligung am Busunternehmen Schilling herauskommen,
"werden Tausende auf die Barrikaden gehen", so sehen es die Beschäftigten. "Wir wollen nicht das Schlachtopfer
für die Privatisierungspläne der CDU/FDP werden", sagen sie.
Die Gewerkschaftsdelegierten hätten sich aber schon vor Jahren
massiv wehren müssen, als die "Tarifschuster" der ÖTV einem Tarifabschluss mit einer "zweiten
Lohnebene" zustimmten. Der Unterschied in der Bezahlung beträgt rd.15% für alle neu Eingestellten. Noch liegt der
Unterschied zum privaten Busgewerbe bei den Beschäftigten der ersten Lohnebene bei 30%. Aber längerfristig wird der
Tarifvertrag ausgetrocknet, denn dann gibt es nur noch die zweite Lohnebene. Hier wird eine verfehlte Tarifpolitik zu einem weiteren Anreiz
für Privatisierung. Die Berliner Verkehrsbetriebe bspw. zahlen den Beschäftigten, die zu einem privatrechtlichen
Tochterunternehmen wechseln, Abfindungen bis zu 100000 Mark.
Angesichts der weitreichenden CDU-Pläne ist es verwunderlich,
dass bis heute der Streik der KVB-Beschäftigten keine offizielle Solidarität durch den DGB erfahren hat. Vorsitzender des DGB ist
in Köln der "linke" SPD-Bundestagsabgeordnete Konrad Gilges, ehemals Fliesenleger (lang ists her). Aber der DGB
schweigt sich aus!
Das Gespann CDU/FDP hat auf seiner Speisekarte der Privatisierung noch
andere Sachen stehen: die Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke (GEW), die städtischen Wohnungsbaugenossenschaften,
Stadtreinigung und Müllabfuhr, die Stadt- und Kreissparkassen, die städtischen Bäder, die Bühnenwerkstätten
und das Grünflächenamt.
Begehrlichkeiten
Wie die CDU vorgeht, wird am Beispiel der städtischen
Bühnenwerkstätten deutlich. Es ist eine Inszenierung wie in einem Mafiafilm. Erstmals spricht Harry Blum die Privatisierung der
Bühnenwerkstätten in einer Talkrunde an. Ziel soll sein, die Bühnenausstattungen billiger herzustellen.
Dann Szenenwechsel: Überraschend für Intendant Kremer und
Kulturdezernentin Hüllenkemper erscheint Harry eines morgens unangekündigt in Begleitung zweier Herren. Später stellt sich
heraus, es handelt sich um Herrn Pütz (Mitbegründer der Hürther MMC-Studios und des Ossendorfer Coloneum) und einen
früheren Beleuchtungsmeister bei den Kölner Bühnen, der jetzt ist er bei einem privaten Arbeitgeber beschäftigt ist.
Sie schauen sich den technischen Betrieb und die Anlagen an und nehmen die Lichttechnik unter die Lupe. Sie reden davon, wie alles anders,
besser, effektiver zu machen wäre. Danach verschwinden sie wieder.
Die Besuchten werden über die Gründe für das
Erscheinen des Stadtoberhaupts und seiner Begleitung im Unklaren gelassen. Vielleicht denken sie, wir werden angeheuert, um im Coloneum
aufzutreten. Aber Fehlanzeige! So ganz nebenbei erfahren sie, dass man "ihren Laden" aufkaufen will. Das führt
verständlicherweise zu Aufregung, Verunsicherung und Angst um den Arbeitsplatz bei den Bühnenbeschäftigten. Dabei hat
Blum völlig ignoriert, dass es ein aktuelles Kienbaum-Gutachten gibt, das die Wirtschaftlichkeit der Werkstätten bestätigt
und von einer Fremdvergabe abrät. Nebenbei lässt Blum noch verlauten, die Tarifverträge in manchen Bereichen der
Bühne seien "hanebüchen", das bedeutet in der Sprache von Blum: Die Leute sind zu gut bezahlt.
In einem Interview des Kölner Stadtanzeigers mit der
Fraktionssprecherin der Grünen, Barbara Moritz, sagt diese: "Die Zusammenarbeit mit der CDU ist unverkrampft, weniger
kompliziert als früher mit der SPD. Oberbürgermeister Harry Blum kann zuhören und ist kompromissbereit." Ihr kommt
es darauf an, mehr an der Macht teilzuhaben. Dazu sagt sie: "Oberbürgermeister Blum ist wild entschlossen, uns einen
Dezernentenposten zu überlassen." Liebeserklärung oder Heiratsantrag?
Kein Wunder, dass sie Kompromissbereitschaft anbietet. Zum Streik meint
sie: "Da habe ich keine Lösung in der Tasche, das ist sehr schwierig." Mehr fällt ihr nicht
ein!
Auswirkungen
Privatisierung trägt vor allem im öffentlichen Sektor dazu bei, die Kluft zwischen Arm und
Reich zu vertiefen und sozial Schwache immer mehr von öffentlichen Dienstleistungen auszuschließen. So will die CDU den
Köln-Pass abschaffen. Nach heftigen Protesten vor allem der Wohlfahrtsverbände einschließlich der Caritas soll der Pass
nun doch beibehalten, aber wichtige Vergünstigungen gestrichen werden, vor allem die Ermäßigungen bei Fahrten mit der
KVB.
Das Problem der Privatisierung wurde nochmals am 18.Februar der
Öffentlichkeit ins Bewusstsein gebracht, als in über hundert Städten die ÖTV zu einem symbolischen Verkehrstopp von
fünf Minuten aufrief, um gegen unfairen Wettbewerb zu protestieren. In Hannover kamen mehrere hundert Beschäftigte der
Verkehrsbetriebe zu einer Kundgebung, um gegen Lohn- und Sozialdumping zu protestieren. Hauptvorstandsmitglied Kahmann meinte, er rechne
für März mit einem Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission, der den Weg freimache für die Privatisierung
in ÖPNV. Hat der ÖTV-Hauptvorstand nicht mehr zu sagen?
Privatisierung ist nicht etwas normales. Privatisierung ist Diebstahl und als
solcher zu ächten, genau so wie Raub und schwarze Kassen. Letztere werden auch durch Privatisierungen gefüllt. Hauen wir den
Dieben auf die Pfoten!
Hans Peiffer