Sozialistische Zeitung |
Fast jedes binationale Paar ist in Deutschland mit großen Schwierigkeiten konfrontiert, wenn der eine
Partner aus einem nicht westlichen Land kommt, und ganz besonders, wenn er eine dunkle Hautfarbe hat. Die Probleme resultieren nicht nur aus
dem vorurteilsgeladenen Verhalten von Verwandten und Bekannten. Wirklich existenzbedrohend sind die Versuche deutscher Behörden,
die Partner auszuweisen und so das Zustandekommen einer binationalen Familie zu verhindern.
Eine Heirat wird durch bürokratische Hürden sehr schwer und
in machen Fällen sogar unmöglich gemacht. Nadine und Franklin, ein Flüchtling aus Nigeria, warten seit Mai 1999 darauf,
daß die deutsche Botschaft in Nigeria die für die Heirat notwendigen Papiere legalisiert. Inzwischen hat Franklin jedoch keinen
legalen Aufenthaltsstatus mehr in Deutschland und die Familie lebt in ständiger Furcht, daß der Vater der eineinhalbjährigen
Tochter verhaftet und nach Nigeria abgeschoben wird.
Während Nadines Schwangerschaft saß Franklin sechs Monate
in Abschiebehaft und wurde kurz vor der Geburt seiner Tochter abgeschoben. Dieses behördlich angeordnete Schicksal kann sich
jederzeit wiederholen. Der Tochter wird so das Recht, gemeinsam mit ihrem Vater aufzuwachsen, verwehrt. Der zuständige Mitarbeiter
der Bremer Ausländerbehörde antwortete auf Nadines Frage, warum der Vater ihrer Tochter nicht bei ihnen bleiben könne,
"es sei seine Aufgabe, Ausländer fernzuhalten".
Auch die Heirat der in Hamburg lebenden Anke mit dem in Thüringen
lebenden nigerianischen Flüchtling Gabriel wird von der deutschen Botschaft seit März 1999 bewußt verzögert. Sie
haben ebenfalls eine gemeinsame Tochter. Weil Anke gerade eine Ausbildung macht, ist sie darauf angewiesen, daß Gabriel sich um das
Kind kümmert. Gabriel, der als Asylbewerber ohne besondere Genehmigung seinen zugewiesenen Thüringer Landkreis nicht
verlassen darf, wird jedoch von den Ausländerbehörden das Recht verweigert, zu seiner Verlobten nach Hamburg zu ziehen.
Tochter und Mutter haben daher selten Gelegenheit, sich zu sehen.
In der Zwischenzeit arbeitet die für Gabriel zuständige
Ausländerbehörde eifrig daran, seine Abschiebung nach Nigeria in die Wege zu leiten. Bei einer Kooperation zwischen den
Ausländerbehörden und den deutschen Botschaften können heiratswillige Asylbewerber abgeschoben werden, bevor die
Heirat zustandekommt.
Am 19.Januar wurde Gabriel aus dem Haus seiner Schwiegereltern in
Thüringen verhaftet. Auf die Nachfrage an die Polizeibeamten, was denn nun aus seiner Tochter werden solle, entgegneten diese trocken,
"sie könne ja in ein Heim". Aufgrund der Intervention des Internationalen Menschenrechtsverein Bremen e.V, und von
"The VOICE - Afrika Forum" gelang es, Gabriel wieder aus der Haft zu bekommen, so daß er die kleine Eesosa wieder in die
Arme schließen konnte.
Doch auch die Eheschließung vermag keinen Schutz mehr davor zu
bieten, daß ein Paar auseinandergerissen wird. So im Falle von Dorothe und dem aus Gambia stammenden Alieu. Zwar sind sie seit
vergangenen Sommer miteinander rechtskräftig verheiratet. Der Standesbeamte hatte während der Eheschließung noch
verkündet, ihre Ehe stehe unter einem besonderen Schutz. Doch bislang ist ihre Heiratsurkunde selbst das Papier nicht wert, auf dem sie
geschrieben steht.
Die Bremer Ausländerbehörde hat, trotz bestehender Ehe,
Alieus Ausweisung verfügt. Er solle sich nach Ansicht der Ausländerbehörde im Heimatland um ein Heiratsvisum
bemühen. Meier, ein Mitarbeiter der Bremer Ausländerbehörde. erklärte, daß er zwar auch anders entscheiden
könne, aber er wolle Alieu bestrafen.
In vorhergehenden Fällen, in denen der Partner ausreisen
mußte, dauerte es bis zur Rückkehr mindestens mehrere Monate, manchmal sogar Jahre. Es ist auch vorgekommen, daß der
Partner nie mehr wieder zurück konnte. Einem Paar, das außerhalb Europas heiratet, gelingt es nur in seltenen Fällen,
gemeinsam ein Leben in Deutschland zu führen.
Es ist sehr schwer, sich unter diesen Bedingungen eine gemeinsame Zukunft
aufzubauen. Dorothe hat aufgrund dieser enormen Belastung große Schwierigkeiten, sich auf ihr derzeitiges Referendariat zu
konzentrieren. Ihre berufliche Zukunft steht auf dem Spiel. Weil Dorothe ein ärztliches Attest erhielt war es möglich, die
Ausweisung ihres Ehemannes zu verschieben. Die Antwort der Ausländerbehörde ließ nicht lange auf sich warten. In einem
Brief forderte die Behörde Dorothe auf, den Nachweis über eine Therapie, die sie auf die Ausweisung ihres Mannes vorbereiten
soll, vorzulegen.
Gerne wird den Frauen der ernstgemeinte
"Lösungsvorschlag" unterbreitet, sie könnten ja auch in das Land ihres Partners ziehen. Damit wären sie nicht nur
den für sie unerwünschten Mann los, sondern auch noch eine deutsche Frau, die sich auf seine Seite stellt.
Frauen werden dabei nicht nur von ihrem Lebenspartner und dem Vater
ihrer Kinder getrennt. Auch ihre materielle, psychische und soziale Existenz wird systematisch zerstört. Frauen müssen ebenfalls
voll und ganz für den Unterhalt ihrer Partner aufkommen, weil diese kein Recht auf Arbeit oder den Bezug von Sozialleistungen
bekommen. Unsummen an Anwalts- und Gerichtskosten kommen hinzu. Letztendlich verschlechtert die enorme psychische Belastung die
Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Nadine, die gerade mal 21 Jahre alt ist, muss, wenn Franklin jemals einen
legalen Status erhalten soll, die gesamten Kosten für Inhaftierung und Abschiebung ihres Partners tragen. Allein für die
Abschiebung werden ihr über 7000 DM berechnet.
Dorothe und Alieu legt die Ausländerbehörde eine
"freiwillige" Ausreise Alieus nahe. Sollte dies nicht geschehen, drohten ihnen deutlich höhere Kosten, weil sie dann für
Abschiebehaft und Abschiebung aufzukommen haben.
Insgesamt soll eine abschreckende Wirkung erzielt werden, um andere
Frauen davon abzuhalten, eine binationale Familie zu begründen. Dorothe bekam schließlich auf der Ausländerbehörde
ein "das hätten sie sich halt vorher überlegen müssen" zu hören, als sie sich über die Schikanen
beklagte.
Neben den erwähnten Paaren gibt es noch unzählige andere
binationale Paare mit den gleichen Probleme. Zahlreiche Familien wurden zwangsweise getrennt oder konnten dem Druck, der auf sie
ausgeübt wurde nicht standhalten. Viele Mütter müssen Kinder alleine großziehen, die Kinder kennen ihren Vater nicht,
weil er abgeschoben wurde. Einige haben sich als Folge dieser rassistischen Familienpolitik sogar das Leben
genommen.
Gekürzte und leicht überarbeitete Fassung aus dem Verteiler von "Kein Mensch ist
illegal".
Demonstration gegen die Apartheid in der deutschen Familienpolitik am 25.3.2000, 13 Uhr, Johannisstr. am Uniturm,
Jena.