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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.5 vom 02.03.2000, Seite 14

Köln: Der Dom steht noch

Als vor acht Monaten die Stadt Köln Schauplatz zweier Großdemonstrationen gegen die Selbstdarstellung der kapitalistischen Weltordnung auf den sogenannten EU- und G8-Gipfeln war, da trat die katholische Kirche zeitgleich mit einem viel zu wenig beachteten Schmankerl auf. Jahrhundertelang hätte sie, so ließ sie aus Rom verkünden, irreführende Propaganda betrieben. In der Hölle würde überhaupt kein ewiges Feuer brennen. Eher angenehm seien die Temperaturen dort. Jetzt sind es also nur noch die Kommunisten, die davon singen, dass es eines Tages heiß hergehen und die "Sonn‘ ohn‘ Unterlass" scheinen wird.
Dieser Rückzug, wenn nicht gar Unterwerfungsgeste des Pfaffenvolks muss der Grund sein, warum die paar zehntausend DemonstrantInnen vom Juni 1999 in Köln von ihrem eigentlichen Ziel abließen, den Dom zu schleifen. "Er steht noch, der Dom", verkündete jetzt stolz der Polizei-Dekan der Stadt Köln, Ferdi Vater (das Amt und diesen Namen
gibt‘s wirklich), auf einem Danksagungsempfang der katholischen Kirche für die Polizeieinsatzkräfte, die während der Gipfeltage nicht als zwölf Apostel, aber als zwölftausend Bullen die Stadt belagerten.
Unter den vielen Gaga-Veranstaltungen der heurigen karnevalistischen Tage in Köln ragt das Treffen im Kölner Maternus-Haus zweifellos hervor. Hundertfünfzig Polizisten lauschten den Lobpreisungen des Kardinal Meissner, der bekanntlich eine große Begeisterung für die Segnung uniformierter Staatsknechte hat.
Der Leiter des "Amtes für Bekämpfung der Straßenkriminalität" (auch das gibt‘s), Paul Dietz, schilderte, wie knapp der Dom, "der immer im Mittelpunkt stand", dem Untergang entronnen sei: "40 potenzielle Störer" (also Leute, die nichts gemacht haben, aber hätten machen können) seien auf dem "Heinrich-Böll-Platz", unmittelbar vor dem Dom, außer Gefecht gesetzt worden, und in einem Restaurant gegenüber konnten vier besonders renitente "Damen" daran gehindert werden, "Clinton einen Kriegstreiber" zu nennen.
Winrich Granitzka, der leitende Polizeidirektor, der an den Gipfeltagen als Einsatzchef der Polizei bevorzugt in einem Helikopter zwischen dem Herrn da oben und denen da unten herumkreiste, nahm artig den Dank für "den Dienst am Dom entgegen".
Der Oberpfaffe Meissner wurde sicherlich nicht darum gebeten, "seinen" Dom so vulgär als Symbol des kapitalistischen Systems, dem die Proteste vom Juni 1999 allein galten, in den Vordergrund zu schieben. Er drängt sich tagein, tagaus um solche Auftritte, um sich immer wieder die brave Erfüllungsgehilfenschaft von den wahren Herrschenden dieser Weltordnung bestätigen zu lassen. In Wahrheit haben sich die Demonstrationen selbstverständlich keine Bohne um das potthässliche Bauwerk gekümmert. D.h., nicht alle.
Zwischen den beiden Großkundgebungen gegen den EU-Gipfel und das G8-Treffen versammelten sich auch sechstausend christliche FundamentalistInnen, um ihren Toten- und Heiligenkult zu Fronleichnam zu zelebrieren. Sie bestürmten den Dom und pissten in die dunklen Ecken der Domplatte.
Sollte der Kardinal seine eigenen Leute meinen, vor denen die Polizei ihn geschützt hat? Hat der stramme Junge Schiss vor seinen selbst gerufenen Horden? Fragen, die die Geschichte noch unbeantwortet ließ.
Für das Jahr 2000 hat der Papst ein gigantisches "Mea Culpa" für alle Verbrechen im Namen des organisierten Christentums der vergangenen Jahrhunderte angekündigt. Wir verstehen, dass dieser Herr sich nicht mit so kleinen "Entschuldigungen" wie die Damen und Herren des Politikestablishments in Deutschland begnügen kann. Aber wenn er im Rahmen dieses Jahrtausendgeständnisses auch seinen Kölner Statthalter als kriminellen Irrtum entsorgen könnte, würde dies seiner Anhangbildung zwischen Deutz und Ehrenfeld sicherlich nützen. Cetero censeo domum esse delendum.

Thies Gleiss


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